BDI Ausblick 2019

»Vereinigtes Königreich hinter Ghana«

17. Januar 2019, 18:19 Uhr | Gerhard Stelzer
BDI-Präsident Prof. Dieter Kempf: »So oder so wächst die Wirtschaftsleistung das zehnte Jahr in Folge.«
© BDI | Christian Kruppa

Die Jahresauftakt-Pressekonferenz des Bundesverbands der deutschen Industrie war in diesem Jahr vom Brexit-Votum überschattet. BDI-Präsident Dieter Kempf zum Gesamtbild der deutschen Industrie: »Wirtschaftlich sind die besten Zeiten vorbei«.

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Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) erwartet für das Jahr 2019 einen Zuwachs des Bruttoinlandprodukts (BIP) von eineinhalb Prozent. BDI-Präsident Dieter Kempf geht in seiner Prognose noch davon aus, dass es nicht zu einem ungeordneten, unkontrollierten Brexit kommt. »Bei massiven Störungen im Handel zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU bliebe im besten Fall noch die Eins vor dem Komma«, warnte Kempf jedoch.
Die Ablehnung des Brexit-Abkommens durch das Parlament in London bezeichnete der BDI-Präsident als dramatisch: »Ein chaotischer Brexit rückt nun in gefährliche Nähe. Unternehmen schauen in diesen Wochen in den Abgrund.« Die Unternehmen seien schlichtweg nicht in der Lage, am Ende eines langen politischen Prozesses Veränderungen über Nacht umzusetzen. Der Wirtschaft auf beiden Seiten des Ärmelkanals bleibe nichts anderes übrig, als alle Vorkehrungen für den harten Brexit zu treffen.
»Ein Abschied des Vereinigten Königreichs aus der EU ohne Abkommen ist keine Option – weder für britische Unternehmen noch für Unternehmen auf dem Kontinent«, betonte Kempf. Es müsse klar sein, »dass das Vereinigte Königreich in wenigen Wochen aus Sicht der EU zu einem Drittstaat wird. Damit fällt einer unserer engsten Handelspartner bei den Regelungen der wirtschaftlichen Beziehungen hinter Länder wie die Türkei, Südkorea oder Ghana zurück
Bei massiven Störungen im Handel zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU geht der BDI von einem schwächeren Plus aus. Es bliebe bestenfalls noch gerade eine Eins vor dem Komma beim realen Wirtschaftswachstum in Deutschland. »So oder so wächst die Wirtschaftsleistung das zehnte Jahr in Folge. In der Industrie hat die Beschäftigung seit 2010 ununterbrochen zugelegt. In Deutschland ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten auf rund 33,5 Millionen gestiegen«, erklärte Kempf. »Im Jahresdurchschnitt entspricht dies einem Plus von circa 700.000 Stellen. Dieses Jahr dürfte die Zahl dieser Beschäftigten weiter zunehmen: Wir erwarten immerhin noch ein Plus von etwa 400.000 Stellen

»Bauchschmerzen« beim Blick auf die Weltmärkte

Der Blick auf die Weltmärkte bereite der Industrie zunehmend Bauchschmerzen. »Wirtschaftlich sind die besten Zeiten vorbei«, erklärte der BDI-Präsident. Die Handelspolitik der US-Regierung bleibe ein ernstes Problem. Der Handelskonflikt der USA mit China sei zu einem bedrohlichen Risiko für die gesamte Weltwirtschaft geworden. Umso dringlicher sei in dieser Phase eine kluge Reaktion aus Europa, forderte Kempf: »Protektionismus ist keine Antwort auf protektionistische Maßnahmen.« Doch müsse die Politik in Brüssel die funktionierende Markt- und Wettbewerbsordnung der EU vor Eingriffen anderer Staaten und weiteren Einschränkungen des freien Handels wirkungsvoller schützen.
»In der deutschen Innenpolitik ist der wirtschaftspolitische Handlungsdruck mittlerweile enorm geworden«, sagte der BDI-Präsident. Die Bundesregierung habe sich zu lange mit Umverteilen beschäftigt und zu wenig mit Zukunftsinvestitionen. Nur ein Beispiel sei die Steuerpolitik: »Deutschland ist zum Höchststeuerland geworden. Es ist längst überfällig, die Steuern zu senken.« Die effektive Steuerlast der Unternehmen hierzulande sei inzwischen auf mehr als 30 Prozent gestiegen. Der EU-Durchschnitt liegt bei rund 22 Prozent.
Auch bei den Strompreisen sei Deutschland inzwischen Europameister, kritisierte Kempf die Bundesregierung. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie gerate immer mehr unter Druck, während die Versorgungssicherheit des Landes zunehmend in Gefahr gerate. »Klimaschutz darf die Gesellschaft nicht spalten«, warnte Kempf. »Davon profitieren in Wahlen nur Rechts- und Linkspopulisten.«
Zu Beginn des Europawahljahres machte sich der BDI-Präsident stark für die EU: »Der Weg zurück in den Nationalismus ist eine Sackgasse.« Protektionismus und Populismus seien keine Lösungen für europäische Herausforderungen. »Europa ist nicht die Ursache, sondern die Lösung vieler Probleme – und die Wirtschaft immer Teil der Lösung«, stellte der BDI-Präsident fest.


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