Fokus auf den RISC-V-IP-Provider

MIPS: »Die beste Zeit hat gerade begonnen«

19. Mai 2024, 9:30 Uhr | Iris Stroh
Sameer Wasson, MIPS: »RISC V ist die beste Befehlssatzarchitektur in der Geschichte der Datenverarbeitung. Sie ermöglicht eine heterogene Verarbeitung unter Beibehaltung einer homogenen ISA. Und ich denke, dass dieser Wert allmählich von Leuten besser verstanden wird. Wir nutzen RISC-V und sind ein wichtiger Teil dieser großen Community.«
© MIPS Technologies

MIPS Technologies hat bewegte Zeiten hinter sich bringen müssen. 2021 wurde aus »MIPS Technologies« »MIPS« und der Fokus auf RISC-V-IP-Cores gelegt. Sameer Wasson, CEO von MIPS, zeigt sich im Gespräch mit Markt&Technik überzeugt, dass der Erfolg jetzt garantiert ist.

Diesen Artikel anhören

Markt&Technik: MIPS ist ja ein altbekannter Anbieter von Prozessorkernen. Und ich denke, auch früher waren die eigenen IP-Cores wirklich gut, dennoch ist das Unternehmen gescheitert und das obwohl es damals nur einen einzigen ernstzunehmenden Konkurrenten gab: Arm. Heute setzt MIPS auf RISC-V, damit erhöht sich die Anzahl der Konkurrenten. Warum glauben Sie, dass MIPS heute bessere Chancen hat?

Sameer Wasson: Ich denke, dass MIPS Technologies etwas Wichtiges übersehen hat, ein Fehler, den auch viele andere Unternehmen gemacht haben: Sie haben sich nicht auf das konzentriert, was sie am besten können. Sie haben das Spiel von Arm gespielt, anstatt sich auf das zu konzentrieren, was sie einzigartig macht. Ich glaube fest daran, dass Menschen und Unternehmen das tun sollten, was sie am besten können. Und wenn sie das mit der richtigen Überzeugung und Konsequenz in Bezug auf Ausrichtung und Prioritäten tun, dann stellt sich in der Regel auch der Erfolg ein.

Meiner Meinung nach waren die damaligen MIPS-Kerne Datenverarbeitungsmaschinen, während die Arm-Kerne für den Einsatz in Mobiltelefonen entwickelt und optimiert wurden. MIPS Technologies machte denselben Fehler wie oben beschrieben und versuchte wie Arm zu werden. Mit anderen Worten: Das Unternehmen versuchte, IP-Cores zu entwickeln, die auf Mobiltelefone oder Anwendungs-/Steuerungsverarbeitung ausgerichtet waren, anstatt sich auf den Netzwerk- und Datenverarbeitungsmarkt zu konzentrieren. Die Entscheidung von MIPS Technologies ist leicht nachvollziehbar: Der TAM für Mobiltelefone war damals viel größer als der für Datenverarbeitung. Aber es ist immer schwierig, wenn ein Unternehmen versucht, Entwicklungen voranzutreiben, die nicht wirklich zu seinen Kernkompetenzen gehören. Sie haben sich nicht auf das konzentriert, wofür die Kunden sie brauchten.

Vielleicht konnte MIPS Technologies auch nur nicht die Alleinstellungsmerkmale seiner IP-Cores verkaufen?

Ich war damals nicht mit an Bord, kann also die einzelnen Eigenschaften der IP-Cores nicht beurteilen, aber aus meiner Sicht eines Außenstehenden würde ich sagen, dass die damaligen Cores besonders gut für die Datenverarbeitung geeignet waren. Ein Beispiel, das diesen Punkt vielleicht deutlich macht: Das MediaTek-Modem basiert auf MIPS-Cores, das heißt, dass selbst im Bereich der Mobiltelefone der Datenverarbeitungsteil auf MIPS basierte.

Wenn ein Unternehmen alles kann, muss es sich nicht fokussieren, aber wer kann das schon? Ich denke also, ein Unternehmen sollte niemals den Fehler machen, von seinen Kernkompetenzen abzuweichen und seinem Konkurrenten hinterherzujagen. Dann landet man irgendwann mitten im Nirgendwo.

Hinzu kommt noch: Ich bin überzeugt, wenn man den Entwicklern bei unseren Kunden die Entscheidung überlässt, werden sie sich bei den einzelnen Problemen für die richtige Technologie entscheiden.

Das heißt für die neue MIPS?

Dass wir sicherstellen, dass wir uns auf das konzentrieren, was wir können, nämlich die beste Datenverarbeitungsmaschine im Bereich der modernen Datenverarbeitung zu entwickeln. Und genau mit diesem Ansatz können wir auch mit den anderen RISC-V-IP-Core- Anbietern konkurrieren.

Klar, es ist immer verlockend für ein Unternehmen, wenn es sich den Markt mit Server-CPUs in Rechenzentren ansieht: könnte man beispielsweise nur 5 Prozent des Xeon-Marktes erreichen, wäre das ein großes Umsatzvolumen. Das kann ich durchaus verstehen, das kann jedes Unternehmen versuchen. MIPS hingegen konzentriert sich auf die Datenverarbeitungsprobleme und diesen Fokus werden wir im Sinne unserer Kunden weiter umsetzen. Glücklicherweise hat sich im Gegensatz zum letzten Mal, als es nur Arm und MIPS Technologies gab, der TAM für die Datenbewegung und die Datenverarbeitung erheblich vergrößert.

Wenn man sich früher den Netzwerkbereich anschaute, dann gab es ein paar NIC-Karten (Netzwerk-Interface-Karte) und noch ein paar andere Dinge, aber das größte Wachstum im Compute-Bereich lag im Application-Processing-Markt. Diese Situation hat sich geändert, das gilt vor allem, wenn man tiefer in die Datenbereiche und in die Automobilindustrie vordringt, wo es eine Menge Datenbewegungen gibt. Und ich denke, dass diese Anwendungsbereiche sehr, sehr interessant sind.

Und genau darauf konzentrieren wir uns. MIPS hat hier einen Wissensvorteil, hier sind wir gut platziert. MIPS und Arm finden beide ihre Anwendungen in einem Rechenzentrum. Arm konzentriert sich auf die Haupt-CPU, wir konzentrieren uns auf die DPU (Data Processing Unit), auf Near-Memory-Computer und andere Bereiche, in denen wir erhebliche Anforderungen an die Datenbewegung und Datenverarbeitung sehen.

Ich sage ganz bewusst: wir können nicht alles, aber das, was MIPS kann, kann es besser als alle anderen. MIPS fängt ja nicht bei Null an, wir haben eine lange Historie in diesem Bereich und wir haben ein Team zusammengestellt, mit dem wir das auch umsetzen können. Und Sie sollten nicht vergessen: Wir haben bereits einen Fußabdruck in diesem Bereich. Wir arbeiten bereits mit einem sehr großen Hyperscaler zusammen, der unsere Technologie schon seit Jahren nutzt. Und diesen Bereich werden wir jetzt ausbauen. Und noch ein Punkt: In diesem Bereich ist weniger Arm die direkte Konkurrenz, sondern eher proprietäre Kerne und einige DSPs oder ganz spezielle Prozessoren.

Das klingt nach einem interessanten Ansatz, doch momentan läuft der Markt nicht gut, auch nicht für IP-Anbieter. Wie sehen Sie die Situation für MIPS?

Ich wünschte, es wäre so einfach sich einen Finanzbericht anzuschauen und zu sagen, dass es gut läuft oder nicht. Ich denke, man muss heute mehrere Punkte betrachten. Ich bin zum Beispiel überzeugt, dass die Auswirkungen von Covid auf die Halbleiterindustrie immer noch spürbar sind und auch noch viele Jahre spürbar sein werden.

Covid hat die Denkweise der Menschen verändert. Mit Covid wurde der regionale Aspekt der Lieferketten immer wichtiger. Dementsprechend wird viel Kapital in die Halbleiterindustrie gesteckt. Große Halbleiterhersteller, die in mehreren Regionen der Welt tätig sind, werden also zwangsläufig feststellen, dass der Wettbewerb durch lokale Anbieter einen Einfluss haben wird. China ist nicht das einzige Beispiel für diese Entwicklung, aber das prominenteste, auch weil hier der geopolitische Aspekt am meisten diskutiert wird. Aber ähnliche Entwicklungen erwarte ich auch in Europa, wobei es hier schon passiert. In Indien wird sich diese Entwicklung in einem kleineren Maßstab während der nächsten zehn Jahre vollziehen.

Mein Punkt ist folgender: Ich glaube nicht, dass sich der Markt verändert hat, sondern dass es weltweit keine horizontalen Lieferketten mehr gibt, sondern eher vertikale, regionale Ansätze, und das führt zu veränderten Ergebnissen.

Hinzu kommt noch, dass die Zahl der Systemanbieter, die an der Entwicklung kundenspezifischer Lösungen interessiert sind, steigt. Früher beschränkte sich das auf eine Handvoll Smartphone- und Consumer-Produkte, aber jetzt dehnt sich das Interesse auf weitere Märkte wie Automotive, Rechenzentren und Industrie aus. Meine Erfahrung zeigt, dass der TAM für kundenspezifisches Silizium insgesamt größer wird, was wiederum eine große Chance für IP-Anbieter darstellt. Systemanbieter wollen mehr kundenspezifische Anpassungen, da sich das Innovationstempo in dieser KI-Ära beschleunigt. Wenn sie bei der KI ins Hintertreffen geraten, sind die Auswirkungen auf lange Sicht größer, als wenn sie ihre Investitionen in kundenspezifisches Silizium erhöhen. In den meisten Fällen sind die traditionellen Prozessorhersteller nicht in der Lage, mitzuhalten, da sie auch ein Legacy-Geschäft haben. Dies ist ein klassisches Innovationsdilemma, das die Systemanbieter dazu veranlasst, einfach zu sagen: Ich mache es selbst, dann kann ich es auch nach meinen eigenen Bedürfnissen beeinflussen.

Wenn ich mir diese Entwicklungen ansehe, würde ich sagen: Es ist die aufregendste Zeit für einen IP-Anbieter. Denn all diese Veränderungen machen IP immer wertvoller. Sie werden in Chiplets umgesetzt, sie steigen in der Wertschöpfungskette auf, und anstatt 1 bis 4 Prozent an Royalties zu erhalten, können in Zukunft 8 bis 15 Prozent Royalties möglich sein.

Unsere IP-Cores sind auch deshalb stärker nachgefragt, weil die meisten keinen Soft-Core mehr wollen, sie fordern vielmehr einen Prozessorkern, der genau die anwendungsspezifische Rechenleistung liefert, die sie brauchen, plus der Flexibilität beim IO, der Analogtechnik und dem Speicher – und genau das machen wir.

Ich sehe derzeit also überhaupt keine Probleme für MIPS, ganz im Gegenteil. Wir haben mehr Kunden denn je, mit denen wir direkt zusammenarbeiten, wir haben mehr Systemhäuser, die die Entwicklung direkt beeinflussen wollen. Arm ist Arm, aber aus eigener Erfahrung heraus weiß ich, dass die IP-Cores für die Halbleiterhersteller meist in Form von Blackboxen geliefert wurden, um die drumherum entwickelt wurde. Mit RISC-V kann der Halbleiterhersteller das Design verändern und indem wir den Kunden eine Schnittstelle dafür eröffnen, werden bisherige Grenzen überwunden bzw. sind schon überwunden worden.

MIPS fokussiert sich auf anwendungsspezifische IP-Cores, das heißt aber auch, dass sich das Unternehmen auf bestimmte Bereiche konzentrieren muss?

Ja natürlich, das spiegelt sich auch in unserem Führungsteam wider. Lassen Sie es mich an einem Beispiel erklären: Elektrifizierung im Automotive-Bereich. MIPS hat ein sehr großes Know-how, wenn es darum geht, die Daten vom analogen Interface in die Steuerung zu bewegen und das auf eine deterministische Art und Weise. Wir können dieses Problem mit einem kundenspezifisch angepassten RISC-V-Core hervorragend lösen.

Natürlich haben Sie Recht: MIPS kann nicht alle Anwendungen bedienen, daher werden wir uns auf vier oder fünf Anwendungen konzentrieren, die wir mit unserem speziellen Know-how besser bedienen können als andere IP-Anbieter.

Dementsprechend ist auch die Personalstruktur von MIPS: Wir haben IP-Spezialisten, die wissen wie CPUs entwickelt werden. Darüber hinaus haben wir Leute ins Unternehmen geholt, die sich mit SoCs auskennen, die also wissen wie ein SoC aufgebaut sein muss und dafür müssen sie auch das Gesamtsystem verstehen. Dementsprechend haben wir auch Leute angeheuert, die von Systemhäusern kommen, und über das entsprechende Applikationswissen verfügen – alles zusammengenommen ermöglicht es uns, applikationsspezifische Cores zu entwickeln.

Bislang bietet MIPS zwei verschiedene IP-Prozessorfamilien an, wo liegen Ihrer Meinung nach die Differenzierungsmerkmale?

Wie bereits erwähnt: MIPS ist Spezialist für die Datenverarbeitung und Datenbewegung. Das heißt, dass zum Beispiel unsere Multi-Threading-Architektur mit Hardware-Virtualisierung und mit Cache-Kohärenz sowie der Fähigkeit, heterogene Elemente zu integrieren, sehr grundlegende Differenzierungsmerkmale sind, auf denen wir aufbauen.

Gibt es schon Pläne für eine neue Familie?

Allzu konkret möchte ich nicht werden, aber ein Punkt ist klar: Wir werden ganz klar weiterhin applikationsorientierte Entwicklungen vorantreiben und ich erwarte, dass wir in diesem Jahr noch eine entsprechende Ankündigung tätigen werden.

Wenn Sie etwas weiter in die Zukunft blicken, was erwarten Sie für MIPS?

Unser Ziel ist es, MIPS zu einem führenden Unternehmen im Bereich Application Specific Compute zu machen, wobei der Schwerpunkt auf der Datenverarbeitung liegt. Ich bin davon überzeugt, dass wir in naher Zukunft über DPUs, d. h. Dataflow Processing Units, sprechen werden. DPUs werden neben CPUs und GPUs die wichtigste Komponente werden, weil sie das Problem der Datenbewegung lösen.

Das hat einen einfachen finanziellen Hintergrund: Je mehr Kapazitäten an GPUs/CPUs ein Hyperscaler hat, desto mehr virtuelle Maschinen können ausgeführt und desto mehr Kapazitäten an Kunden verkauft werden. Für diese Unternehmen geht es also in erster Linie darum, möglichst viele Aufgaben von den GPUs/CPUs an andere Einheiten zu verlagern und ein wichtiger Weg dafür sind DPUs.


Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu MIPS Technologies

Weitere Artikel zu Mikroprozessoren