Ein neues Material für schnellere, energiesparende Halbleiterspeicher, effizientes 3D-Audio und ein neuer Ansatz zur Krebsfrüherkennung: Für ihre Doktorarbeiten in der angewandten Forschung erhielten drei Nachwuchsforschende aus Dresden, Erlangen und Leipzig den Hugo-Geiger-Preis.
Der Preis wird jährlich durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie (StMWi) und die Fraunhofer-Gesellschaft vergeben und würdigt hervorragende, anwendungsorientierte Promotionsarbeiten, die in enger Kooperation mit einem Fraunhofer-Institut entstanden.
Die feierliche Preisverleihung fand im Rahmen der größten Netzwerkveranstaltung der Fraunhofer-Gesellschaft, dem Symposium »Netzwert«, in München statt. Prof. Holger Hanselka, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, erklärt: »Die Entwicklung innovativer Lösungen für die Praxis ist die Kernaufgabe der Fraunhofer-Gesellschaft. Durch unsere Forschung und die vertrauensvolle, enge Zusammenarbeit mit unseren Partnern leisten wir einen zentralen Beitrag, um globalen Herausforderungen zu begegnen. Ich gratuliere Herrn Dr. Maximilian Lederer, Herrn Dr. Sascha Dick und Frau Dr. Susann Allelein zu ihren herausragenden Promotionen. Die hohe wissenschaftliche Qualität und Anwendungsorientierung ihrer Arbeiten ist ein beeindruckendes Beispiel für unseren Ansatz des zielgerichteten Transfers wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Anwendung.«
Hafniumoxid (HfO2) wird bisher in der Halbleitertechnologie für Transistoren und Kondensatoren verwendet. 2011 wurde eine neue Eigenschaft des kristallinen Stoffs entdeckt: seine Ferroelektrizität. Die Fähigkeit, eine spontane elektrische Polarisation zu erzeugen und damit wie ein Lichtschalter zwischen Speicherzuständen hin und her zu schalten, macht das Material interessant für nicht-flüchtige Halbleiterspeicher (FeRAM) und neuromorphe Bauelemente. Arbeits- oder USB-Speicher, aber auch neuronale Netze für Künstliche Intelligenz (KI) könnten damit künftig wesentlich schneller, energiesparender, kostengünstiger und sicherer werden – und branchenübergreifend neue Entwicklungen vorantreiben.
Weil lange nicht vollständig verstanden wurde, wie genau sich ferroelektrisches HfO2 unter welchen Bedingungen verhält, konnte es bislang nicht zuverlässig eingesetzt werden. Das änderte Dr. Maximilian Lederer mit seiner Doktorarbeit. Am Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme IPMS in Dresden untersuchte er die kristalline Mikrostruktur des Materials und entwickelte es weiter. Mit einem neuen Verfahren fand er etwa heraus, welche Auswirkungen kleinste physikalische Prozesse auf atomarer Ebene, aber auch Abscheide- und Prozessbedingungen auf das ferroelektrische Schaltverhalten von HfO2 haben – und damit auch auf die Zuverlässigkeit von Bauelementen.
Auf Grundlage seiner Erkenntnisse entwickelte er neue Herstellungsprozesse für ferroelektrisches HfO2, die zum Beispiel Wachstum oder Zusammensetzung des Materials optimieren. Besonders die von ihm erstmals gezeigte feldinduzierte Kristallisation durch elektrische Spannung stieß als neue praxisnahe Methode auf großes Interesse in der Industrie. Der Dresdner Chiphersteller GlobalFoundries testet derzeit ferroelektrische Speicherbauelemente in einer Forschungs- und Entwicklungslinie. Zudem hat Maximilian Lederer im Rahmen seiner Dissertation, die Festkörperphysik, Materialwissenschaft, Informatik sowie Elektrotechnik vereint, mehrere Patente angemeldet.
Im Heimkino spielt das Hörerlebnis eine wichtige Rolle. Realistisch und einhüllend soll der Klang sein, als wäre man mitten im Geschehen. Doch 3D-Surround-Sound braucht Einiges an Bandbreite oder Speicherkapazität, denn bei Kinofilmen werden Tonspuren aus bis zu 128 Klangquellen wiedergegeben. Dr. Sascha Dick vom Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS in Erlangen fand in seiner Dissertation eine Lösung, um dieses Klangerlebnis per Internetstreaming ohne Abstriche ins Heimkino zu holen.
Er fragte sich: Was hören wir eigentlich räumlich und wie lässt sich dies für die Übertragung und Verarbeitung von 3D-Audio nutzen? Nach zahlreichen Hörtest-Experimenten fand der Forscher bei der Auswertung heraus, dass sich die Genauigkeit, mit der Menschen räumlich verteilte Schallquellen lokalisieren, auch datenanalytisch durch eine hochauflösende Schallmessung bestimmen lässt. Auf dieser Basis erstellte er ein psychoakustisches Modell, das unter anderem die wahrgenommene räumliche Verteilung der Lautstärke von verschiedenen Schallquellen beschreibt und zeigt, welche Quellen man nicht unterscheiden kann. Fasst man diese zusammen, gelingt es, die Schallquellen um den Faktor zehn zu reduzieren – bei weiterhin exzellenter Klangqualität.
Dieses »perzeptuelle Koordinatensystem« erlaubt es in der Praxis, effiziente Algorithmen zur 3D-Audiocodierung für vielfältige Anwendungen zu entwickeln. Nicht nur die qualitative Konvertierung von Kinofilmen für das Heimkino wird damit möglich, sondern dank deutlich reduzierter Datenraten auch Echtzeitanwendungen für Virtual Reality und Gaming. Durch ein intelligentes Zusammenfassen der Schallquellen lässt sich zudem die Sprachverständlichkeit und damit die akustische Barrierefreiheit verbessern.
Jede zweite Person wird statistisch im Laufe ihres Lebens an Krebs erkranken. Werden die Tumore früh genug aufgespürt, stehen die Chancen auf Heilung gut. Doch gängige Erkennungsverfahren wie Bildgebung oder invasive Gewebebiopsien sind häufig zeitaufwändig, ungenau und setzen eine gewisse Tumorgröße voraus. Zudem bergen Biopsien Infektionsrisiken. Effizienter sind Untersuchungen von Blut oder Urin zur Bestimmung von Tumormarkern – die Liquid Biopsy (Flüssigbiopsie).
Weitgehend unerforscht waren in diesem Zusammenhang bislang noch sogenannte extrazelluläre Vesikel. Über diese nur wenige Nano- bis Mikrometer kleinen Informationspakete in den Körperflüssigkeiten kommunizieren alle Zellen miteinander. Sie spiegeln in ihren Bestandteilen die Zusammensetzung der Zellen wider und bieten daher großes Potenzial, um Krebserkrankungen früher und unkomplizierter zu erkennen. Doch die Zellpost der Krebszellen aus der Fülle der Vesikel aller gesunden Zellen zu isolieren und zu charakterisieren, ist schwer. Dr. Susann Allelein vom Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie IZI in Leipzig hat in ihrer Dissertation Lösungen dafür gefunden.
Ziel ihrer Arbeit war es herauszufinden, ob sich extrazelluläre Vesikel für die Früherkennung speziell von Prostatakrebs nutzen lassen. Dafür entwickelte sie eine spezifische Anreicherungsmethode, mit der die relevanten Vesikel magnetisch von den nicht relevanten aus Urin- oder Blutproben separiert werden können. Um die dafür notwendigen Oberflächenproteine auf den Vesikeln zu analysieren, erarbeitete die Forscherin zudem ein Antikörper-Mikroarray. Damit können wesentlich mehr Proben und Marker je Probe analysiert werden als mit herkömmlichen Verfahren. Obwohl das untersuchte Prostatamembran-spezifische Antigen kein geeigneter Marker war, schuf Dr. Allelein mit ihrer Arbeit wichtige Voraussetzungen für die weitere Forschung mit extrazellulären Vesikeln. Neben einer einfacheren Krebsdiagnostik bieten sie auch Potenzial für eine bessere Therapieüberwachung und für die Herstellung von Impfstoffen.