Littelfuse wurde bereits 1927 gegründet. Wie der Name schon vermuten lässt, konzentrierte sich das Unternehmen auf den Schaltkreisschutz. Aber das hat sich in den letzten Jahren massiv geändert. Die DESIGN&ELEKTRONIK traf CEO Dave Heinzmann auf der electronica und fragte ihn nach den Gründen.
DESIGN&ELEKTRONIK: Seit einigen Jahren fertigt Littelfuse auch Halbleiter, insbesondere Leistungshalbleiter, sowie Sensoren. Können Sie uns bitte ein wenig darüber verraten, warum sich die Strategie geändert hat?
David Heinzmann: Alles begann im Jahr 2012. Damals war ich für die Konzernstrategie verantwortlich, und unser Verwaltungsrat bat mich, ein Team zusammenzustellen, das eine langfristige Strategie für das Unternehmen ausarbeiten sollte. Nicht für die nächsten paar Jahre, sondern für die nächsten zehn bis zwanzig Jahre.
Also machten wir eine Bestandsaufnahme und stellten fest, dass wir beim Stromkreisschutz mit Abstand Marktführer sind. Dies ist ein tolles Geschäft mit einem erfreulichen Wachstum, aber uns ging langsam der Spielraum aus. Aufgrund der Größe des Marktes waren die Möglichkeiten, weiter zu wachsen, begrenzt.
Daher ermittelten wir einige langfristige Markttrends. Danach suchten wir nach angrenzenden Einzeltechnologien, die unseren Kernkompetenzen und unserem Kundenstamm sehr ähnlich wären, um die Vorteile unserer hervorragenden Kundenbeziehungen zu nutzen. Fündig wurden wir sowohl bei der Sensorik als auch bei der Leistungsregelung und -umwandlung, in denen wir sowohl organisch als auch durch Akquisitionen wachsen könnten.
Welche langfristigen Markttrends meinen Sie?
Einer davon ist das Thema Safety. Unser Kerngeschäft ist der Stromkreisschutz, sodass viele unserer Produkte sicherheitsorientiert sind und die Systeme unserer Kunden sicherer und zuverlässiger machen. Und wenn man an autonome Fahrzeuge denkt, braucht man viel mehr sicherheitsrelevante Komponenten, zum Beispiel Sensoren.
Ein weiterer wichtiger Trend, den wir gefunden haben, ist die Elektrifizierung bei Fahrzeugen, sei es hybrid-elektrisch oder vollelektrisch. Diese benötigen viele Sicherheitskomponenten für die Hochspannungsbatterie und viele Leistungshalbleiter für das Ladegerät und den Hauptantriebsumrichter.
Wenn ich mir Littelfuse ansehe, fällt mir sofort ein anderes Unternehmen ein: Vishay. Inwiefern ähneln sich die Strategien von Littelfuse und Vishay, und inwiefern unterscheiden sie sich?
Vishay ist ein tolles Unternehmen. Felix Zandman und seine Familie haben zusammen mit dem aktuellen Management ein erstklassiges Unternehmen aufgebaut. Natürlich kann ich Ihnen nicht sagen, was deren Strategie ist. Aber ich denke, ihr Ansatz besteht darin, ein Komplettanbieter sein zu wollen. Sie möchten das breiteste Angebot in allen Anwendungen haben.
Wir bei Littelfuse agieren etwas fokussierter. Ohne Zweifel gibt es Ähnlichkeiten. Beide Unternehmen fertigen sowohl passive Komponenten als auch Halbleiter. Aber wir konzentrieren uns auf bestimmte Märkte und Bereiche. Nehmen wir als Beispiel Leistungshalbleiter; dort konzentrieren wir uns auf den mittleren und höheren Leistungsbereich, nicht aber auf das untere Segment.
Im Bereich Leistungshalbleiter hat Littelfuse zwei Unternehmen übernommen: Monolith Semiconductors und IXYS. Das erste ist ein junges Unternehmen, das andere ein traditionsreiches. Warum haben Sie sich für diese beiden entschieden?
Wie bereits erwähnt, haben wir den mittleren und höheren Leistungsbereich als interessantes Segment identifiziert, weil wir glauben, unserem Kundenstamm dort einen größeren Mehrwert bieten zu können. Und so gab es eigene organische Anstrengungen, um Wissen und Produkte in diesem Bereich aufzubauen. Aber dann kam die Möglichkeit, IXYS zu erwerben. Dieses Unternehmen verfügt über ein sehr breites Produkt- und Technologieportfolio in eben jenem mittleren und höheren Leistungsbereich. Sowohl unsere eigenen als auch deren Kerntechnologien passten sehr gut zusammen, fast ohne Überlappungen. Dies hat uns wirklich sehr geholfen, eine sehr umfassende Palette von Technologien für unseren Zielmarkt zu entwickeln.
Bei Monolith Semiconductors war die Situation ganz anders. Schon vor IXYS waren wir mit diesem Unternehmen verbunden. Im Grunde genommen haben wir es als Start-up finanziert und schließlich alle deren Anteile gekauft. Ihr Schwerpunkt sind ausschließlich Wide-Bandgap-Halbleiter. IXYS hatte keine Aktivitäten in diesem Bereich. Somit ist die Monolith-Technologie auch sehr komplementär zu unserer.
Ist mit weiteren Akquisitionen zu rechnen? Welche Arten von Komponenten möchten Sie dem Portfolio von Littelfuse hinzufügen?
Klar, das ist Teil unserer Konzernstrategie. Wir haben uns für die nächsten fünf Jahre das Ziel gesetzt, organisch um fünf bis sieben Prozent jährlich zu wachsen. Wir glauben jedoch, dass es die Chance gibt, durch Übernahmen weitere fünf bis sieben Prozent pro Jahr zu wachsen. Typischerweise zielen unsere Akquisitionen darauf ab, uns in ein Umfeld mit schnellerem organischem Wachstum zu bewegen.
Littelfuse basiert auf drei Säulen: Stromkreisschutz, Leistungselektronik und Sensoren. Sehen Sie in all diesen drei Segmenten Übernahmechancen?
Das Großartige an unserer Strategie ist, dass wir eine große Flexibilität haben. In unserem angestammten Segment, dem Stromkreisschutz, kennen wir unsere Wettbewerber sehr gut, und vielleicht gibt es eine Möglichkeit zur Marktkonsolidierung. Aber in unseren neueren Segmenten Leistungselektronik und Sensorik sehe ich viele Chancen für weiteres Wachstum.
Kommt die Integration von IXYS gut voran? Und wann wird IXYS vollständig in Littelfuse integriert sein?
Die Integration schreitet sehr gut voran. Mit rund 750 Millionen US-Dollar ist dies die größte Akquisition in unserer 90-jährigen Geschichte, und IXYS hat ein komplexes Geschäftsmodell. Daher denke ich, dass die Integration etwas länger dauern wird als bei unseren anderen Akquisitionen.
Aber noch viel wichtiger als die Integration ihrer Produkte ist die Integration ihres Kundenstamms. Dort haben wir gute Fortschritte erzielt, und ich denke, dass wir diese Aufgabe bis Ende 2018 abschließen können. Aber den Rest zu integrieren wird uns vielleicht noch ein weiteres Jahr beschäftigen.
Auf der PCIM Europe im Juni 2019 sprach ich mit Sujit Banerjee, dem CEO von Monolith Semiconductor. Er sagte mir, dass der Markenname Monolith verschwinden wird, während der Markenname IXYS erhalten bleibt. Ist das immer noch Ihr Plan?
In der nächsten Zeit stimme ich dem zu. Monolith ist ein Start-up-Unternehmen und hat bisher kaum Bekanntheit erlangt. Bei IXYS ist das natürlich ganz anders. Das ist ein äußerst bekannter Markenname. Deshalb hat dieser Name für uns einen hohen Wert. IXYS wird also noch eine Weile als Markenname erhalten bleiben.
Wir sind ja hier auf der electronica Welche neuen Entwicklungen bei Produkten und Technologien zeigen Sie hier?
Natürlich gibt es ein paar davon. Wir haben einige neue Produkte aus unserem Kerngeschäft Automotive-Sicherungen, die kompakter sind und sowohl höhere Leistungen als auch höhere Spannungen bewältigen können. Aber wir zeigen auch neue Power-Stacks und IGBT-Module sowie natürlich neue Siliziumkarbid-Bauelemente – sowohl Mosfets als auch Dioden.
Wenn Sie fünf Jahre vorausblicken, wie wird Littelfuse dann aussehen?
Ehrlich, darüber denke ich die ganze Zeit nach. Betrachten Sie unsere Reise seit dem Jahr 2012. Damals hatten wir weniger als 800 Millionen Dollar Umsatz, heute haben wir rund 1,7 Milliarden. Ich würde also in fünf Jahren etwa drei Milliarden Dollar Umsatz erwarten. Aber noch wichtiger ist, dass wir uns auf unsere drei Säulen konzentrieren: Schaltungsschutz, Leistungselektronik und Sensoren. In diesen und benachbarten Bereichen gibt es noch viele Wachstumsmöglichkeiten.
Unsere Übernahmen im Bereich Leistungshalbleiter haben uns den industriellen Markt erschlossen. Vor rund 15 Jahren steuerte der Automobilmarkt rund 40 bis 50 Prozent zu unserem Umsatz bei. Heute ist unser Portfolio viel ausgewogener. Die Automobilindustrie erbringt etwa ein Drittel unseres Umsatzes, die Elektronik ein weiteres Drittel und die Industrie ein weiteres Drittel. Und wir werden unser Geschäft in dieser ausgewogenen Weise weiter ausbauen.
Herr Heinzmann, herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben.
Das Interview führte Ralf Higgelke.