Überraschung

Infineons CEO Peter Bauer tritt zurück

13. Mai 2012, 20:42 Uhr | Frank Riemenschneider

Er wird die Früchte seiner Arbeit nicht mehr ernten können: Vorstandschef Peter Bauer wird Infineon zum Ablauf des aktuellen Geschäftsjahres Ende September aus gesundheitichen Gründen verlassen. Das 51-Jährige Infineon-Urgestein rettete den Chip-Hersteller nicht nur vor der Pleite, sondern strukturierte ihn so um, dass er nunmehr schwarze Zahlen schreibt und unabhängiger vom konjunkturabhängigen Konsumer-Geschäft ist.

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Die letzte Hauptversammlung von Infineon war eine denkwürdige Veranstaltung: Peter Bauer hielt seine wohl beste Rede überhaupt und verkündete eine Dividendenzahlung an die Aktionäre. Nach dramatischen Jahren, die geprägt waren von der Schmiergeldaffäre um Ex-Vorstand von Zietzewitz, dem Absturz des Aktienkurses auf unter 40 Cent und der Fast-Pleite nach der Insolvenz der Speichertochter Qimonda, schaffte Bauer von vielen fast für nicht mehr möglich gehalten die erfolgreiche Restrukturierung und Refinanzierung. Er machte das Unternehmen profitabel und konzentrierte es auf drei Bereiche, die weniger schwankungsanfällig als das Konsumergeschäft sind - letzter Schritt in diese Richtung war der Verkauf des Wirelss-Geschäftes an Intel, der zudem die Kassen weiter füllte.

Bei der Sanierung hatte er von Beginn an einen harten Stand. Im Sommer 2008 übernahm der passionierte Bergsportler und Marathonläufer die Führung des Chipherstellers am Rand des Kollaps: Die Anleihenschulden drohten die Firma zu erdrücken. So griff Bauer zu drastischen Maßnahmen: Er verkaufte die Sparte für Festnetz-Breitbandchips in höchster Not an den US-Finzaninvestor Golden Gate, baute Personal ab und trat aus dem Arbeitgeber-Verband aus, um tarifliche Lohnsteigerungen zu vermeiden.

Wie der "Phönix aus der Asche" habe der Chipkonzern jetzt die Wende geschafft und sei ein "Musterbeispiel geglückter Restrukturierung", sagte Fondsmanager Ingo Speich von Union Investment seinerzeit auf der Hauptversammlung, Infineon sei "2011 einen ganz großen Schritt weitergekommen", erklärte Daniela Bergdolt von der Aktionärsvereinigung DSW, die sich in den vorangegangenen Jahren mit Kritik insbesondere am Aufsichtsrat um dessen Ex-Vorsitzenden Max-Dietrich Kley nicht zurückgehalten hatte.

Jetzt hat es Bauers Erkrankung an Osteoporose, einem Knochenschwund, der insbesondere zu Wirbelkörper-Einbrüchen führt, erzwungen, dass er zum Ende des Geschäftsjahres, also zum 30. September 2012, seinen Posten abgibt. In den vergangenen Jahren hatte sich Marathonläufer Bauer, dessen Vertrag noch bis 2016 gelaufen wäre, bereits mehrere Brüche der Rückenwirbel zugezogen. "Wegen des jüngst deutlich verschlechterten Krankheitsbildes" musste er jetzt die Notbremse ziehen.

Nachfolger von Bauer wird dessen alter Weggefährte Reinhard Ploss, der im Vorstand für Produktion, Entwicklung und Technik sowie Personal verantwortlich zeichnet. Offen ist, ob für Ploss' Aufgaben ein Nachfolger in den Vorstand aufrückt.

"Diese Entscheidung fällt mir sehr schwer", sagte Bauer. "Wegen des ungewissen Verlaufes meiner Krankheit habe ich mich jedoch aus Verantwortung gegenüber meiner Gesundheit, meiner Familie und gegenüber dem Unternehmen zu diesem Schritt durchgerungen." Sein Anspruch, Infineon "mit uneingeschränktem Einsatz jederzeit zu leiten", sei auf Dauer mit der Krankheit nicht vereinbar.

Der studierte Elektrotechnik-Ingenieur begann 1986 bei Siemens als Entwicklungsingenieur für Mikrocontroller. Nach diversen Positionen im Marketing übernahm er 1993 die Leitung von Chipcard und ID System ICs in der Siemens Halbleitersparte. 1996 wurde Bauer Vice President und General Manager des Siemens Halbleiterbereichs Microcontroller ICs, ab 1997 verantwortete er den weltweiten Vertrieb und das Application Engineering des Halbleiterbereichs und wurde 1998 zusätzlich zum President und CEO von Siemens Microelectronics, Inc. im amerikanischen Cupertino berufen.

Der 56-jährige promovierte Ingenieur Reinhard Ploss sitzt seit 2007 im Vorstand. Auch er kam 1986 zu Siemens und arbeitete zunächst als Prozessingenieur für die Ionenimplantation in der Wafer-Fertigung München, wo er für die Prozessentwicklung und Optimierung von Fertigungseffizienz und Qualität zuständig war. Nach etwa einem Jahr übernahm er die Leitung der Prozesstechnologie für die Ionenimplantation und später auch für den Bereich Epitaxie.

1992 folgte der Umzug nach Villach, wo er zunächst für den Transfer des Epitaxie-Prozesses und später für die Koordination des Produkttransfers verantwortlich zeichnete. Im Jahr 1996 kam er zurück nach München und übernahm den Geschäftsbereich Leistungshalbleiter mit Fokus auf Entwicklung und Fertigung. Darüber hinaus wurde er 1999 President der eupec GmbH Co. KG, die ja von Infineon später gekauft wurde.

Seit dem Jahr 2000 leitete Ploss die Automotive & Industrial Business Group von Infineon, die anfangs die Bereiche Leistungshalbleiter, elektrische Antriebe, Automobilapplikationen und den Geschäftsbereich Mikrocontroller umfasste. 2005 übernahm er die Verantwortung für die Entwicklung und Fertigung sowie das operative Management des Segments Automotive, Industrial & Multimarket.

Letztes Highlight in der Prozessentwicklung unter Ploss war die 300-mm-Dünnschicht-Wafer-Fertigung für Leistungsmodule, mit der sich Infineon einen deutlichen Kostenvorteil vor der Konkurrenz sichern konnte.

Nichtsdestotrotz gilt Ploss angesichts des Kronprinzen Arunjai Mittal vielen Brancheninsidern als Übergangskandidat. Der 42-jährige Inder wurde erst zu Jahresbeginn in den Vorstand berufen und leitete zuvor den Geschäftsbereich Leistungshalbleiter, dem angesichts der Energiewende besondere Bedeutung zukommt.

 


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