Mit dem Fokus auf Speicher-IC- und Modul-Anwender aus der Industrie, mit dem Speicherspezialisten Memphis, einer eigenen Modulfertigung über Intelligent Memory sowie einer Testsystem-Sparte mit revolutionärer Technologie sieht Marco Mezger von Neumonda optimistisch in die Zukunft...
... trotz der derzeitigen Situation im Speichermarkt.
Markt&Technik: Das Jahr 2023 war für die Hersteller von Speicher-ICs im Grunde ein Desaster. Wie hat die Neumonda Group und besonders Memphis das vergangene Jahr überstanden?
Marco Mezger, Executive Vice President und COO der Neumonda Group: 2023 war tatsächlich nicht prickelnd. Aber mit unserem Fokus auf Industriespeicher sind wir recht gut durch das Jahr gekommen. Den Consumer-Markt hat es viel schlimmer getroffen. Wie schlimm, zeigen die Zahlen: In den zwölf Monaten des vergangenen Jahres haben die Hersteller einen Verlust von 30 Mrd. Dollar verkraften müssen. Kein Wunder, dass die führenden Hersteller die Fertigungskapazitäten heruntergefahren haben.
Wie ist Memphis damit zurechtgekommen, dass die Kunden von ihren ursprünglichen Bestellmengen plötzlich nichts mehr wissen wollten?
Die Industriekunden haben ihre Bestellungen bei uns eingehalten – Industriekunden können ja auch den tatsächlichen Bedarf meist besser planen, als das im Consumer-Sektor möglich ist. Umgekehrt können wir die Zyklen für unsere Kunden etwas abfangen. Insgesamt hat Corona dazu geführt, dass das Verhältnis zwischen den Beteiligten noch partnerschaftlicher und offener wurde.
Wie hat sich die Neumonda Group insgesamt entwickelt?
Das Unternehmen entwickelt sich wie geplant, die drei Säulen – Memphis, Intelligent Memory und Neumonda Technology ergänzen sich sehr gut. Memphis als Memory-Competence-Center kennt den Markt wie kein anderer durch unsere vielen Kunden. Intelligent Memory fertigt Speicherprodukte für die Industrie sowie Nischenmärkte und bietet Second-Source-Produkte mit langfristiger Verfügbarkeit an. Neumonda Technology ist für den Test von Speichern zuständig. Was sich getan hat, zeigt allein schon ein Blick auf die Mitarbeiterzahl: 2021 waren wir rund 100, jetzt beschäftigen wir schon 150 Mitarbeiter.
Was verbirgt sich genau hinter dem Memory-Competence-Center?
Bei Memphis stehen die Beratung und die Technik im Vordergrund. Wir sind enger mit den Herstellern und Kunden verbunden als manche Distributoren, auch zu den Speicher-IC-Herstellern, die nicht auf unserer Line-Card stehen. Zudem können wir für unsere Kunden auf System- und Applikationsebene die Chips und Speichermodule ausgiebig testen. Als Memory-Competence-Center können wir die Kunden auch dazu beraten, wo es technisch in Zukunft hingehen wird. Unsere guten Beziehungen zu den Herstellern helfen uns dabei, neue, für unsere Kunden interessante Technologien zu entdecken und ihnen zu erklären, was sie ihnen an Vorteilen bringen könnten. Denn wir wissen sehr genau, wie ihre Anforderungen aussehen. So können wir ihnen die richtigen Produkte vorschlagen und wissen auch, wo sie am Markt verfügbar sind.
Werden Sie auf der embedded world auf dem Stand von Neumonda einen Technologieausblick dazu geben?
Ja, wir werden beispielsweise die neusten nvSRAMs auf einem Die präsentieren sowie grüne, also bleifreie DDR1-, 2- und 3-Legacy-Memory-Module. Sie herzustellen ist ja gar nicht so einfach! DDR4- und DDR5-Module werden ebenfalls dabei sein. Die MRAMs kommen jetzt verstärkt in den Markt, wir werden Spin-Torque-MRAMs auf unserem Stand zeigen. Außerdem natürlich auch die Testsysteme von Neumonda Technology.
Die Anzeichen für 2024 lassen befürchten, dass es auf dem Konsumgüter-Markt nicht gerade steil bergauf gehen wird, und der Industriesektor scheint nun auch zu schwächeln. Wie sehen Ihre Prognosen für dieses Speicher-IC-Jahr aus?
Die Industrie gibt tatsächlich Warnzeichen; der Bedarf im vierten Quartal 2023 war schwächer als vermutet, jetzt verstärkt sich das. Im Consumer-Sektor geht es allerdings wieder aufwärts, wenn auch zugegebenermaßen von einem niedrigen Niveau aus. Lieferengpässe treten derzeit nur durch das reduzierte Angebot der Hersteller in Erscheinung. Es sind derzeit jedoch noch geringe Lagerbestände bei den Distributoren und den OEMs vorhanden.
Die Anwender können sich also freuen: Die Preise bleiben für sie weiterhin sehr günstig?
Der Markt ist derzeit angebotsgetrieben, nicht durch den Bedarf. Allerdings werden die Preise in diesem Jahr eher steigen, weil die Hersteller ihre Kapazitäten weiter begrenzen. Auch die Analysten von TrendForce, Yole, Omdia oder Gartner prognostizieren, dass die Preise steigen werden – falls die Hersteller diszipliniert bei ihrer derzeitigen Strategie bleiben. Im NAND- und DRAM-Bereich sind die Preise ab dem dritten Quartal 2023 nicht mehr gefallen, im Oktober zogen sie schon deutlich an, und der Trend setzt sich auch im ersten Quartal 2024 fort. DDR4-Speicher stehen weiter unter Druck, aber HBM-Preise steigen.
Die Hersteller haben ihre Investitionen in weitere Kapazitäten und neue Maschinen reduziert und die Auslieferung von bestelltem Equipment nach hinten verschoben. Schlägt das jetzt schon durch?
Die verzögerte Auslieferung der offenen Equipment-Bestellungen wird auf dem Speicher-IC-Markt für die Anwender in einem Jahr spürbar, die Reduzierung des Capex erst in zwei bis drei Jahren. Immerhin haben die Hersteller zwei Jahre in Folge reduziert, das erste Mal seit zehn Jahren. Wir werden in diesem Jahr also eine kontrollierte Knappheit erleben und im nächsten Jahr vermutlich auch eine Knappheit wegen erhöhter Nachfrage sehen. Die nächsten zwei Jahre werden die Hersteller die Oberhand haben! Wenn 2025 der Bedarf wieder anziehen sollte, und dafür spricht einiges, dann könnte es richtig eng werden für die Einkäufer. Ich würde dazu raten, jetzt wieder langfristige Bestellungen aufzugeben.
Der Umsatz könnte also wachsen, aber eben weil die Preise aufgrund der reduzierten Kapazitäten steigen, nicht weil die Zahl der ausgelieferten Bits steigt.
Das bezweifle ich, auch die ausgelieferten Bits werden in die Höhe gehen. Denn in diesem Sommer wird der Umstieg von DDR4 auf DDR5 stattfinden, ein Meilenstein. Weil die neuen Chipsets von AMD und Intel die neue DRAM-Generation bereits unterstützen.
Das kommt dem Geschäftsmodell von Memphis eher entgegen.
Ja, weil wir uns auf die Legacy-Speicher-ICs für die Industrie fokussieren. Jetzt die DDR4-Speicher zu shrinken ist zu einem Zeitpunkt, an dem die Zahl der ausgelieferten Bits auf DDR5-Speichern die der DDR4-Typen überholt, nicht mehr sinnvoll. Diejenigen, die die hohen Speicherkapazitäten nicht benötigen, werden die DDR4-Speicher weiterhin einsetzen wollen – die zu Legacy-Produkten werden. Auch DDR3 wird in der Industrie noch benötigt, und da sind wir sehr gut aufgestellt.
Herrscht derzeit nicht ein starker Preisdruck im Bereich der älteren Generationen und der Standardprodukte?
Im Legacy-Bereich wird es derzeit nicht einfacher. Aber perspektivisch sieht es interessant aus. Denn weil die führenden Hersteller, die sich die neuen Prozessknoten noch leisten können, sich auf diesen Sektor werfen, könnte es im Bereich der älteren Generationen und der Generationen mit weniger Speicherkapazität durchaus eng werden. Die Großen werden den für sie nicht mehr so lukrativen Bereich aus dem Fokus nehmen. Also müssen die Anwender – allen voran die Industrie – bei den kleineren Herstellern einkaufen. Da sehen wir uns als Memphis sehr gut aufgestellt, denn wir haben 18 verschiedene, große sowie kleine Hersteller und Nischenanbieter auf unserer Linecard.
Auch wenn der Speicher-IC-Markt weiter unter Druck steht – es gibt einen Lichtblick: Speichern, die im KI-Umfeld Einsatz finden, also den High-End-Produkten wie DDR5 und HBM, werden hohe Wachstumszahlen vorhergesagt; laut der neusten Marktanalyse von Yole soll dieser Sektor 2024 um 147 Prozent in die Höhe springen.
Ja, in diesem Marktsektor erwarten wir auf jeden Fall ein zweistelliges Wachstum. Darauf stürzen sich nun die wenigen verbliebenen großen Hersteller. Besonders SK hynix ist im HBM-Markt sehr erfolgreich gewesen und konnte sogar bei HBM3E an dem bisherigen Marktführer Samsung vorbeiziehen. Im vierten Quartal konnte SK hynix wegen der KI-Speicher sogar ein kleines Plus erzielen. Gerade hat SK hynix bekannt gegeben, dass die HBM-Speicher für dieses Jahr bereits ausverkauft sind.
Auf diesen Markt drängen jetzt auch die chinesischen Hersteller. Wird das nicht zu zusätzlichem Preisdruck für die etablierten Hersteller führen?
Die chinesischen Hersteller könnten es durchaus schaffen, auf dem Markt eine Rolle zu spielen, YMCT im Flash-Sektor und CXMT im DRAM-Sektor. Beide haben erhebliche Kapazitäten aufgebaut, die bei jeweils 150.000 Wafer-Starts pro Monat liegen. Das ist zweimal soviel wie Nanya hat. Außerdem betreiben auch große Hersteller von außerhalb Fabs in China, beispielsweise SK hynix in Dalian und Wuxi sowie Samsung in Xian. Sie haben sogar eine Ausnahmegenehmigung erhalten, um Maschinen einführen zu dürfen, die eigentlich unter den US-Bann fallen.
Gibt es bereits ein Produkt von Neumonda Technology?
»Rhinoe«, der Prototyp des ersten DRAM-Testsystems, ist fertig. Worüber wir uns besonders freuen: Er wurde Ende November letzten Jahres mit dem »Elektra Award« in der Kategorie »Test Product of the Year« ausgezeichnet. Derzeit arbeitet das System auf Basis von FPGAs. Ein System auf Basis eines ASIC wird folgen. Unsere Kompetenz auf der Chipebene ist einzigartig. Über Neumonda Technology kommen wir in direkten Kontakt mit dem gesamten Ökosystem einschließlich der OSATs. Mit dem Testsystem können sie ihren Kunden in der Industrie einen echten Mehrwert bieten. Mit unseren Test-Motherboards können beispielsweise Hersteller von kritischen Applikationen die Produkte auf frühe Fehler auf System- und/oder Applikationsebene prüfen. Das wurde bisher nicht oder nur eingeschränkt gemacht, weil es zu zeitintensiv gewesen wäre, denn die derzeit großen Testsysteme sind sehr stark auf große Mengen ausgelegt und sind von daher entsprechend teuer. Mit den neuen Testern lassen sich Tests unabhängig vom Hersteller und in Hinblick auf die jeweiligen Einsatzbedingungen durchführen, unter denen die DRAMs arbeiten sollen. So lassen sich potenzielle Fehler präziser vorhersagen sowie herausfiltern, und das zu einem Bruchteil der bisherigen Kosten auf herkömmlichen Testgeräten – eine Revolution! Niemand sonst auf der Welt kann das auf dem Niveau anbieten. Damit versetzen wir aber auch Intelligent Memory in die Lage, ihre Produkte auf höchste Qualität zu testen, eine Qualität, auf die sich die Kunden in der Industrie mit ihren besonderen Ansprüchen verlassen können. So greift eins ins andere.
Haben Sie den Endruck, dass dies im Speicher-Umfeld bereits wahrgenommen wird?
Vor zwei Jahren hat es uns in der Form noch nicht gegeben, jetzt wurden wir bereits mit Preisen ausgezeichnet, in Kategorien, in denen wir gegen Größen wie Rohde & Schwarz und Keysight antraten. Das Schöne ist, dass wir so in Kontakt mit den Lieferanten kommen und mit ihnen kooperieren, damit sie ihre Kunden unterstützen können. Dass ich in Taiwan wohne, ist ebenfalls vorteilhaft, weil ich dort nahe am Markt bin und Informationen zur Marktentwicklung im Halbleiterbereich aus erster Hand bekomme.