Elektronik: Der Trend zu Hybrid- und Elektroautos spielt Ihnen dank eines mehrfach höheren Halbleiteranteils in die Hände. Selbst China hat jedoch seine Prognosen bezüglich verkaufter E-Mobile drastisch nach unten korrigiert und die von Frau Merkel genannten Zahlen (1 Million E-Autos bis 2020) erscheinen ja auch sehr optimistisch. Verzweifeln Sie manchmal daran, dass diese Entwicklung so langsam vorangeht? Wie teuer müsste denn Benzin sein, damit ein E-Auto nicht nur ein teures Spielzeug für Freaks bleibt?
Ploss: Verzweifeln gehört nicht zu meinen typischen Reaktionsmustern. Aber im Ernst: Das elektrifizierte Auto wird seinen Platz erobern und die individuelle Mobilität bestimmen. Da bin ich mir ganz sicher. Und zwar in den nächsten zehn bis 20 Jahren. Deshalb wird auch der Verbrennungsmotor auf absehbare Zeit weiter gefragt sein.
Und es geht hier nicht um den Benzinpreis. Elektroautos werden billiger werden. Und wenn es dann noch ein gut ausgebautes Netz von Ladestationen gibt, wird die Nutzung automatisch attraktiv. Die Frage ist, wie die Politik diesen Prozess befördern kann. Durch den hohen Entwicklungsaufwand sind Batterien derzeit noch relativ teuer. Hier kann es helfen, wenn der Staat Anreize schafft: Für Hersteller durch Projektförderung und für Käufer durch klare Verkehrsvorteile, etwa gesonderte Parkplätze oder Fahrspuren. Hybrid-Fahrzeuge mit Reichweitenverlängerung sind eine Zwischenlösung, die schon heute verfügbar ist.
Elektronik: Was fahren Sie denn persönlich für ein Elektroauto?
Ploss: Noch keines. Aber Infineon hat vor wenigen Wochen den Pool des Car-Sharing-Programms um fünf Elek-troautos erweitert, darunter auch drei 1er-BMW, die bis vor kurzem noch bei den Olympischen Spielen in London im Einsatz waren. Ich freue mich schon darauf, sie auszuprobieren. Mir geht es aber nicht nur um mein eigenes Fahr-erlebnis: Es ist Infineon ein Anliegen, die Elektromobilität zu fördern. An unseren Standorten in Dresden, Warstein und Villach gibt es deshalb Ladesäulen für Elektro-Autos und -Fahrräder, die mehr und mehr genutzt werden.
Elektronik: Die Automobilindustrie ist ja im Management sehr maschinenbaugetrieben und mir scheint es so zu sein, dass die meisten Hersteller Ihre Chips für austauschbar halten - liefern Sie keine TriCores und CoolMOS, liefert ein anderer. Wieso schafft es Infineon nicht, mit diesen Irrtümern aufzuräumen und die Bedeutung Ihres Unternehmens für die Wertschöpfungskette Ihrer Kunden besser darzustellen?
Ploss: Der Eindruck täuscht. Die Kunden wissen, dass unsere Produkte nicht ohne Weiteres ersetzbar sind, sonst hätten wir keinen Weltmarktanteil von zehn Prozent bei der Automobilelektronik. Die Vernetzung von Infineon mit den Automobilherstellern ist hervorragend - auch auf Vorstands-ebene. Unsere Ingenieure entwickeln gemeinsam mit den Kunden passgenaue Lösungen.
Und selbstverständlich sind Mitarbeiter regelmäßig bei den Herstellern, um den Entscheidungsträgern die Leistungsfähigkeit der Chips zu demonstrieren und sich mit ihnen über Anforderungen auszutauschen. Dank des umfassenden Systemverständnisses wird Infineon als kompetenter Partner geschätzt.
Elektronik: Mit Ihren 300-mm-Dünnwafern für Leistungshalbleiter haben Sie sich einen Vorsprung von mindestens zwei Jahren gegenüber Ihren Mitbewerbern erarbeitet. Können Sie darstellen, wo die großen technischen Herausforderungen lagen und wie Sie diese gelöst haben?
Ploss: Es sind im Wesentlichen drei Herausforderungen. Zunächst einmal müssen wir aus 300-mm-CMOS-Scheiben Rohmaterial erzeugen, das für Leistungshalbleiter geeignet ist. Im Zuge dieser Bearbeitung setzen wir unsere Dünnscheibentechnik ein und schaffen damit die Grundlage für besonders verlustarme Chips. Um die bis zu 40 µm dünnen Wafer dann auch ohne Bruch verarbeiten zu können, müssen wir zudem die Fertigungstechnik weiterentwickeln. Hier kommen wir gut voran, haben aber noch die eine oder andere Hürde zu nehmen.
Und schließlich sind viele Prozessschritte nötig, die es in der CMOS-Welt nicht gibt und die wir daher erstmalig auf 300-mm-Scheiben anwenden - beispielsweise die Behandlung mit hohen Temperaturen. Wie Infineon das im Einzelnen gelöst hat, möchte ich aber nicht verraten. Dass es uns gelungen ist, ist jedoch ein eindrucksvoller Beleg unserer Innovationskraft. Wir sind stolz auf unsere Ingenieure und auf diesen technologischen Vorsprung.
Elektronik: Eine Ihrer größten persönlichen Leistungen liegt sicher im Aufbau und Ausbau der Chip-Fertigung in Asien. Was müsste passieren, damit auch Europa nochmal als Fertigungsstandort für Infineon attraktiv wird?
Ploss: Das muss es nicht werden, das ist es: Dresden, Warstein und Regensburg in Deutschland und Villach in Österreich. Nach Prüfung aller Optionen haben wir uns beispielsweise entschieden, nach der Pilotlinie in Villach auch die 300-mm-Hochvolumenproduktion in Europa anzusiedeln. Für den Standort Dresden sprechen unter anderem die gut ausgebildeten Fachkräfte in der Region, der hohe Automatisierungsgrad in der Fertigung sowie das Technologie-Umfeld Silicon Saxony. Außerdem war die Zusammenarbeit mit der Politik vorbildlich, das muss man an dieser Stelle auch betonen.
Europa und insbesondere Deutschland ist dank des vorhandenen Know-how gerade bei der Fertigung komplexer Produkte nach wie vor wettbewerbsfähig und auch in der Grundlagenforschung sehr stark. Die Aktivitäten von Infineon in Asien und Europa ergänzen einander. Das soll aber nicht heißen, dass die Investitionsbedingungen in Europa ideal sind. Es kommt nicht von ungefähr, dass unsere Industrie größtenteils außerhalb Europas investiert. Je kapitalintensiver die Fertigungen sind, desto größer ist der Unterschied zwischen den staatlichen Beihilfen. Asien und die USA sind hier deutlich besser aufgestellt. Die aktuellen Diskussionen in Brüssel zu diesem Thema stimmen mich skeptisch. Da werden wir noch viel Gesprächsbedarf haben.