Die aktuell in der AdvancedTCA-Spezifikation definierten »ZD«- beziehungsweise »ZDplus«-Steckverbinder sind für die bisherigen Datenübertragungsraten von 40 Gbit/s absolut ausreichend. Für die hohen Frequenzen der 100-Gbit/s-Übertragung sind sie jedoch nicht ausgelegt. Aus diesem Grund haben zwei Steckverbinderhersteller unabhängig voneinander eine neue »ZD-kompatible« Steckverbindervariante für 100 Gbit/s entwickelt. Betrachtet man beispielsweise die Impedanzverläufe im ZD- und ZDplus-Steckerpaar sowie einem der beiden neuen »ZD100G«-Steckverbinder (Bild 3), so ist deutlich zu erkennen, dass die Impedanzsprünge innerhalb der Stecker bei jeder Weiterentwicklung des Steckers reduziert wurden. Das führt zu weniger Reflexionen und somit zu einer besseren Signalübertragung.
Bild 3 zeigt den isolierten Impedanzverlauf des gesteckten Steckerpaares, das heißt ohne Durchkontaktierungen der Leiterplatte, also den Verlauf zwischen Backplane-LP-Oberfläche und Board-LP-Oberfläche in der Backplane. Die Durchmesser der Durchkontaktierungen wurden bei jeder Weiterentwicklung des Steckers ebenfalls verringert, um unter anderem einen homogeneren Impedanzverlauf zu erreichen. Würde man hier die Durchkontaktierungen mit berücksichtigen, würde der Unterschied noch deutlicher ausfallen.
Damit die Abwärtskompatibilität gewährleistet bleibt, sind die neuen Steckverbindertypen der beiden Hersteller steckkompatibel zu den ZD- beziehungsweise ZDplus-Steckverbindern. Die beiden ZD100G-Steckverbinder lassen sich auch untereinander kombinieren. Leider haben die beiden Hersteller unterschiedliche Footprints auf der Leiterplatte verwendet, was den Einsatz von einem dieser Steckverbinder als Second-Source für einen Backplane- oder Boardhersteller unmöglich macht.
Der Backplane- beziehungsweise Boardhersteller muss sich in seinem Design für einen Steckertyp entscheiden und ist dadurch an diesen Hersteller gebunden. Ein Umstieg auf den anderen Steckertyp bedeutet ein Redesign der Backplane oder des Boards. Zudem wurden bei der Entwicklung der beiden neuen 100-Gbit/s-Steckerverbinder offensichtlich verschiedene Strategien verfolgt. Das zeigt sich in etwas unterschiedlichen mechanischen Eigenschaften der Steckverbinder, was zu leicht abweichenden High-Speed-Eigenschaften geführt hat. Welchen der beiden Steckertypen der Anwender letztendlich verwendet, hängt also unter anderem von diesen Faktoren ab. Seitens der PICMG sind derzeit keine Einschränkungen für 100-Gbit/s-AdvancedTCA für einen der beiden Steckertypen geplant.
Leiterplattendesign
Auch für das Leiterplattenmaterial der 100-Gbit/s-AdvancedTCA-Backplanes und -Boards gibt es von der PICMG keine Festlegung. Jeder Hersteller kann selbst entscheiden, welches Material er verwendet. Mittlerweile wird eine große Auswahl an Leiterplattenmaterialien als High-Speed-Material am Markt angeboten. Die Unterschiede können jedoch sehr groß sein. Bei der Auswahl kommt es nicht nur darauf an, welchen Verlustfaktor das Leiterplattenmaterial hat, sondern man muss alle Materialeigenschaften berücksichtigen, um eine optimale Auswahl treffen zu können. Auch das Preis-Leistungs-Verhältnis variiert sehr stark.
Auch das beste Leiterplattenmaterial garantiert leider keine funktionierende 100-Gbit/s-Übertragung. Das Design der Übertragungsleitungen spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Pentair konnte es bei seinen bisherigen AdvancedTCA-Backplanes immer vermeiden, teure High-Speed-Materialien zu verwenden und dennoch Übertragungsraten von 40 Gbit/s zu erreichen. Dies ist vor allem einem optimierten Design der Übertragungsleitungen zu verdanken.
Nicht alle differenziellen Paare weisen dieselben Eigenschaften auf. Vergleicht man beispielsweise zwei differenzielle Paare miteinander, die beide eine Impedanz von 100 Ω, jedoch unterschiedliche Leiterbahnbreiten und somit einen unterschiedlichen Lagenaufbau aufweisen, so zeigt sich, dass sie sich im Hinblick auf Verluste und Übersprechen (Emission und Immission) unterschiedlich verhalten. Hier ist es die Aufgabe des Backplane- beziehungsweise Board-Entwicklers, einen optimalen Weg zu finden. Ohne eine aufwendige 3D-Simulation der Leiterbahnstrukturen ist dies kaum mehr möglich (Bild 4). Es ist geradezu zwingend notwendig, vor der Fertigstellung des Designs den gesamten Übertragungskanal zu simulieren, um dadurch eventuelle Schwachstellen finden und optimieren zu können und damit eine funktionierende 100-Gbit/s-Übertragung sicherzustellen. Pentair verwendet seit Jahren hierfür die 3D-Solver-Simulationssoftware »HFSS« und »ADS«.