IC-Entwickler und Halbleiterhersteller stehen auch 2022 vor weiter wachsenden Herausforderungen. Ihre EDA-Werkzeuge – und die EDA-Anbieter – sind also mehrfach gefordert, wie Joseph Sawicki, Executive Vice President, Siemens Digital Industries Software, im Interview erklärt.
? Welche neuen Funktionen oder Tools können IC-/SoC-Entwickler und Halbleiterhersteller in diesem Jahr erwarten?
! Joseph Sawicki: Produktion Diagnostics und Yield Learning sind zwei Teile eines neu entstehenden Satzes von Funktionen, das einen wesentlichen Einfluss auf den Ertrag hat – sowohl in der Anfangsphase als auch bei ausgereiften Produkten. Wir bei Siemens EDA kombinieren die Produktionsfehlerprotokolle mit physikalischen Analysen und maschinellem Lernen, um bestimmte Hotspots in der Produktion zu ermitteln. Die können dann optimiert werden, um einen besseren Ertrag zu erzielen. Wir hatten eine Reihe von Kunden, die dies standardmäßig für ihren Herstellungsprozesses verwenden. Aufgrund der Lieferkettenprobleme, die die Industrie in diesem Jahr erlebt, ist das Interesse stark gestiegen. 2021 konnten wir ein beeindruckendes Wachstum in unserer Tessent Silicon Lifecycle/Embedded Analytics Linie verzeichnen. Wir gehen davon aus, dass sich dieses Wachstum 2022 noch steigern wird.
Embedded Analytics ist ein Bereich, in dem wir vor einigen Jahren mit MissionMode Pionierarbeit geleistet und unsere Führungsposition mit UltraSoC gefestigt haben. Tessent Embedded Analytics ermöglicht es Unternehmen, IP-Überwachung in einen IC einzubetten und eine wachsende Zahl von Attributen wie Stromaufnahme, Leistung, Sicherheit und Schutz eines ICs über dessen gesamte Lebensdauer zu verfolgen und zu analysieren. Aus der Systemperspektive ermöglicht es den Unternehmen, Dinge wie die vorbeugende Wartung durchzuführen. Aus der Perspektive der Halbleitertechnik bietet es eine Feedback-Schleife, die dazu beiträgt, bessere Produkte der nächsten Generation zu entwickeln. Für bestimmte Anwendungen, zum Beispiel im Automobilbau, in der Luft- und Raumfahrt, in Rechenzentren und in der Kommunikationstechnik, ist diese Fähigkeit ziemlich cool.
? Wird »More than Moore« in diesem Jahr zum Standard?
! Sawicki: Ich denke, dass wir definitiv mehr 2,5D- und 3D-IC-Designs sehen werden, aber ich glaube, es ist noch ein weiter Weg, bis es, wie Sie sagen, »zum Standard« wird. Wir müssen auch die aktuelle Chipknappheit und den Kapazitätsrückstand berücksichtigen. Tatsächlich werden mehr Chips benötigt, um ein 3D-IC herzustellen, und dann wird Kapazität benötigt, um diese 3D-ICs in ein fortschrittliches Gehäuse einzubauen.
Für Anwendungen, bei denen Unternehmen nicht gleich auf den modernsten Technikknoten umsteigen wollen oder eine heterogene Integration benötigen, ist die Infrastruktur nun vorhanden, um dies als echte Option zu ermöglichen. Siemens EDA ist mit seiner 3D-IC-Lösung führend bei Entwicklungserfolgen im Bereich Design.
? Wie wichtig wird KI für EDA-Tools?
! Sawicki: KI/ML wird zu einem Standardbestandteil der EDA-Tools, gleichrangig mit linearen Solvern und Scan-Leitungen. Sie wird überall in Tools eingesetzt, und zwar deshalb, weil die EDA mit sehr großen Datensätzen arbeitet und viele Möglichkeiten bietet, Algorithmen zu nutzen, um die Beziehungen innerhalb dieser Daten erkennen und so die Produktivität oder die Leistung des Chips verbessern können.
? SoCs für KI- und ML-Anwendungen haben spezielle Anforderungen. Welche neuen Fähigkeiten müssen EDA-Tools künftig bieten?
! Sawicki: KI/ML-Architekturen erfordern Innovationen in zwei Bereichen der EDA.
? Wo sehen Sie die größten Wachstumschancen für die EDA-Branche?
! Sawicki: Das Wachstum wird sich auf Bereiche konzentrieren, die die drei größten Probleme lösen, mit denen sich die Entwicklergemeinschaft bei der Weiterentwicklung der Halbleitertechnik auseinandersetzen muss.
? Welche neuen Probleme oder Hindernisse können auftreten?
! Sawicki: Das Problem der Lieferkette und die damit verbundenen Marktverzerrungen sind schwer in den Griff zu bekommen. Natürlich sorgen auch die gegenwärtigen Handelskonflikte für Gegenwind.
Joseph Sawicki
ist ein führender Experte für Entwicklungs- und Fertigungsherausforderungen bei Nanometerstrukturen. Er war für die Design-to-Silicon-Produkte von Mentor verantwortlich, darunter die physikalische Verifikations- und DFM-Plattform Calibre und die Design-for-Test-Produktlinie Tessent, und leitet nun alle Geschäftsbereiche des IC-Segments von Siemens EDA.
Sawicki kam 1990 zu Mentor Graphics und war zuvor in den Bereichen Anwendungstechnik, Vertrieb, Marketing und Management tätig. Er hat Elektrotechnik (BSEE) an der University of Rochester studiert und Betriebswirtschaft (MBA) im High Technology Program an der Northeastern University. Anschließend hat Sawicki das Harvard Business School Advanced Management Program absolviert.