Aus der Designperspektive bietet die Einführung von Industrie 4.0 für die Leiterplattenfertigung einige interessante Aspekte. Der erste ist die Verfügbarkeit umfangreicherer Informationen aus dem Shop-Floor. Mit Hilfe der Internet-of-Manufacturing-Technologie sammeln computerunterstützte Industrie-4.0-Lösungen in Echtzeit Informationen von allen Produktionsprozessen. Dazu gehören Surface-Mount-Technology- (SMT) und Automated-Optical-Inspection- (AOI) Maschinen, In-Circuit-Tests (ICT), Reflow-Öfen, Pastendrucker sowie unzählige andere automatisierte, halbautomatisierte und manuelle Prozesse.
Mit diesen Daten lassen sich Mess- und Fehler-Wiederholungen darauf hin analysieren, Risiken im Zusammenhang mit dem Leiterplattenlayout aufzudecken. Mit diesem Wissen kann der Anwender die Regeln für DFA (Design for Assembly) erweitern. Durch die Analyse lässt sich exakt bestimmen, ob es Probleme beim Produktionsprozess oder Material gibt oder ob ein generelles Problem mit den Designmerkmalen besteht.
Es gibt zwei Möglichkeiten: Eine ist, die DFA-Regeln anzupassen und zu gewährleisten, dass jedes Material auf jedem Prozess ohne Risiko verwendet werden kann. Die andere ist, das Wissen als Teil des Produktions-Engineering-Systems zu erfassen. Dadurch wird vermieden, dass Layouts speziellen Maschinen und dem Supply-Chain-System zugeteilt werden und sichergestellt, dass bestimmte Materialien nicht zugeordnet werden.
Die beiden letztgenannten Aktionen helfen im Rahmen der computerunterstützen Industrie-4.0-Fertigung, Probleme durch konstruktionsbedingte Einschränkungen zu verhindern. Weil sie die Produktion einschränken, sollten sie aber nur als Worst-Case-Szenario behandelt werden. Die bessere Lösung ist vor dem finalen Leiterplattenlayout das Layout des Designs in eine auf DFA-Regeln basierende Kalkulation zu ändern. Dies führt zum zweiten Effekt, den Industrie 4.0 für das Design hat.
Bisher war es durchaus üblich, dass ein Produkt nur einer Produktionsanlage zugeteilt wurde. Die Regeln, Risiken und Kompromisse wurden während der Datenvorbereitung im Werk festgelegt, so dass unkritische Probleme gemanagt und überwacht werden konnten. Mit Industrie 4.0 ist es jedoch viel wahrscheinlicher, dass Produkte verschiedenen Anlagenkonfigurationen zugeteilt werden. Jede dieser Konfigurationen muss viele Male eingerichtet und gestartet werden.
Dies verleiht dem Layout-Entwurf eine weit höhere Priorität, damit er universell für die Produktion geeignet ist. Bei größeren Unternehmen, die weltweit auf mehreren Standorten mit unterschiedlichen Anlagen und Materialien produzieren, besteht dieses Problem bereits heute. Nun benötigen auch die kleineren Unternehmen mit einem Standort eine gründlichere Anwendung des DFA. Nur so können sie gewährleisten, dass der Layout-Entwurf ohne Kompromisse beim Herstellungsprozess funktioniert.
Der dritte Effekt resultiert aus den sich ändernden Geschäftspraktiken durch Einführung von Industrie 4.0. Er entsteht aufgrund der erheblich kürzeren Zeit zwischen Designfertigstellung, Montage und dem Einsatz des Produktes im Markt. Durch die Erfassung der vollständig erstellten Daten während des Montageprozesses lassen sich Mängel effizienter qualifizieren, um deren Ursachen und Auswirkungen festzustellen.
Historisch gesehen, waren Marktdaten nur schwer qualifizierbar. Wenn zwischen Fertigung und Nutzung eines Produkts lange Zeit verstrichen ist und die Informationen über die Fertigung oft unvollständig sind und auf der anderen Seite des Planeten in einer anderen Sprache vorliegen, besteht kaum eine Chance für eine klare Analyse und Bewertung.
Industrie 4.0 reduziert die Durchlaufzeit zwischen Herstellung und Nutzung und gewährleistet die Datenintegrität. Wenn Industrie 4.0 die Fertigung wieder näher an den Markt zurückbringt, stehen die Informationen auch wieder vor Ort zur Verfügung. Durch den Anstieg bei Informationsqualität und -umfang, kann der Wert von Dingen wie die Leistungsfähigkeit der Bauteile von verschiedenen Anbietern und die Performance von Designmodulen abgleitet werden.
Die Leistung von Designmerkmalen und -Modulen lässt sich somit schnell feststellen. Ohne das „Rauschen“ der Fertigung und ohne die Material-Lieferant-bezogenen Defekte, liefert sie aus der Designperspektive ein viel genaueres Feedback der Produkt- und Qualitäts-Performance. Da die Vertriebskette effektiv verkürzt wurde, erfolgt dieses Feedback nun auch viel schneller. Das Ganze wird von der Flexibilität derjenigen Fabriken unterstützt, die Industrie 4.0 implementiert haben. Dies erhöht das Vertrauen in die Nutzung, Applikation und Qualität von standardmäßigen modularen Designmerkmalen.
Wie die Daten analysiert werden, die aus der Fertigung und dem Markt zurück zum Design gelangen, wird sich zeigen, sobald das „Internet of Manufacturing“ seinen festen Platz hat und mehr Unternehmen Industrie 4.0-Lösungen einsetzen. Die endgültige, vielleicht wichtigste Auswirkung von Industrie 4.0 auf das Design ist die Art und Weise, wie die Design- und Manufacturing-Flows enger zusammenrücken. Der Grund hierfür sind die beiden oben beschrieben Aspekte, die Daten in einer detaillierteren, genaueren und zeitgerechteren Weise zur Verfügung stellen und die Vorlaufzeit zwischen dem Design-Flow und dem Beginn der Fertigung aufgrund der erweiterten DFA-Funktionen zu verringern, die auf dem verbesserten Informations-Feedback von der Fertigung und Montage basieren.
Interessant zu verfolgen ist das Ausmaß, mit dem das geschieht. Es könnte beispielsweise eine Erweiterung der bestehenden, langjährigen Industrietrends in Richtung Einführung des Lean-NPI- (New Product Introduction) Flows sein, bei dem „intelligente“ und vollständige Formate für die Übertragung von Daten zwischen Design und Fertigung verwendet werden. Es könnte aber auch eine vermehrte Nutzung von modernen DFM- (Design for Manufacturing) und DFA-Werkzeugen sein. Dies wäre für die Unternehmen insgesamt nicht schlecht, da die Vorlaufzeit für die Einführung neuer Produkte und die Risiken weiter reduziert werden.
Sobald Industrie 4.0 fest etabliert ist und die Fertigung mit verkürzten Vorlaufzeiten, Designzyklen, schnellerer Produktplanung sowie reduzierten Kosten zu lokalen Märkten zurückkehrt, kann der Design-Flow mehrere signifikante Änderungen durchlaufen und zum Beispiel eine größere Anzahl von Produkten, Varianten und Optionen und sogar Produktanpassungen unterstützen. Wenn das Design näher zum Endverbraucher rückt, steigt der Einfluss von Verbrauchertrends – nicht nur die von direkten Konsumprodukten, sondern auch von Indirekten, wie in der Automobil-, Wearable-, oder Hausgerätetechnik. Dies gilt insbesondere in Verbindung mit dem natürlichen Wettbewerb solcher Unternehmen im Markt.