Frankreich bestätigt

Geplante Obsoleszenz ist strafbar!

6. November 2014, 8:14 Uhr | Karin Zühlke
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Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Stellungnahme von "Murks Nein Danke" Teil 2

Wir brauchen ausdifferenzierte Gesetzesinitiativen

Der Vorstoß in Frankreich zeigt trotz aller begründeten Kritik in die richtige Richtung. Er bestätigt, geplante Obsoleszenz ist eine strafbare Handlung. Der französische Gesetzgeber setzt damit eine Messlatte für weitere dringend notwendige Aktivitäten im europäischen Raum, die nicht mehr unterschritten werden kann. Er zeigt ebenso nationale Handlungsfähigkeit und politischen Willen. Für ein entsprechendes Vorgehen in Deutschland stellt sich nun die Frage nach einer intelligenten und konsequenten Antwort in Anbetracht der Initiative seines europäischen Partners.

Betrachten wir die Dimensionen der geplanten Obsoleszenz (Produkt-/Prozessebene, Methodenebene, Ethische Ebene) so kommen wir mittlerweile auf insgesamt 216 unterschiedliche Ausformungen und Varianten der geplanten Obsoleszenz[i]. Ebenso differenziert muss ein rechtliches Handlungsprogramm gegen geplante Obsoleszenz aussehen, will man auf allen Ebenen erfolgreich intervenieren. Hierfür gibt es einen Fächer an gesetzlichen Anknüpfungspunkten der von aktuell zu verfolgenden Rechtsverstößen über notwendige Gesetzesanpassungen bis hin zu notwendigen neuen Gesetzen geht. Weitere Ansatzmöglichkeiten bestehen bspw. in Verordnungen, Normen, Zertifizierungen und Codizes.

Deutsches Regierungshandeln bleibt zaghaft und verschlimmbessert Gesetze.

Auf deutscher Regierungsebene beleuchtet man das Thema noch immer von allen Seiten und sucht Beweise, wo es längst Zeugen, Eingeständnisse[ii] und konkrete Belege gibt. Man bemüht sich um Vertagung und will bis 2015 die Ergebnisse einer Studie abwarten, während europäische Partner beherzt zur Tat schreiten.

Stattdessen wird gegenwärtig in Deutschland ein Referentenentwurf zum ElektroG vorgelegt, der statt der von mittlerweile vielen geforderten Verbesserung zur Tauschbarkeit von Akkumulatoren sogar neue Formen der geplanten Obsoleszenz unterstützt. Mit dem neuem Referentenentwurf des §4 ElektroG wird es künftig den Herstellern erlaubt, nicht nur Akkumulatoren sondern sogar Batterien fest einzubauen und deren Ausbau – wenn überhaupt - nur gegen zusätzlich Kosten zu ermöglichen.[iii]

Wir brauchen eine breite Initiative zur gesetzlichen Abwehr geplanter Obsoleszenz

Schon heute lassen sich erhebliche Verdachtsmomente für Verstöße gegen geltendes Recht durch geplante Obsoleszenz identifizieren. Hier seien nur einige beispielhaft benannt:

  • bedingter Vorsatz in der Produktentwicklung (z.B. fester Einbau von Kugellagern in Laugenbehälter)
  • fahrlässige Täuschung seitens Hersteller und Handel (z.B. fehlende Hinweise und Produktkennzeichnungen bei: Kurzzeitbetrieb, fehlender Ersatzteilverfügbarkeit in der Gewährleistungszeit, nicht oder erschwert reparierbare Konstruktionen)
  • After-Sales-Monopole bei Reparaturdienstleistungen (z.B. ausschließliche Reparaturmöglichkeit nur über den Hersteller oder von ihm festgelegte Werkstätten)
  • Ersatzteilwucher (beispielsweise bei Haushaltsgroßgeräten)

Hier können bereits heute rechtliche Maßnahmen ergriffen werden. Ebenso lassen sich bereits heute Kennzeichnungspflichten im Handel wegen dessen Aufklärungspflicht gegenüber seinen Kunden einfordern, da andernfalls von arglistiger Täuschung (siehe oben) seitens der Handelsunternehmen ausgegangen werden muss.

Ebenso deutlich ist der Handlungsbedarf bei bisher unzureichenden Gesetzen. Neben der bereits oben angesprochenen Verlängerung der Gewährleistungszeit brauchen wir eine klare Abgrenzung von Mangel und Verschleiß im Gewährleistungsrecht sowie die Einführung des „konstruktiven Mangels“ als Erweiterung im Gewährleistungsrecht.

Wir brauchen eine Neuanpassung des Mangelbegriffs durch Heraufsetzung der marktüblichen Produkteigenschaften im Zuge der Debatte um Haltbarkeit und Ressourcen. Wartungsfähigkeit, Reparierbarkeit und Ersatzteilverfügbarkeit müssen als wesentliche Produkteigenschaften anerkannt werden. Reparaturanleitungen und Schaltpläne sind produktbezogene Informationen, die dem Eigentümer des Produktes zustehen und vom Hersteller überlassen werden müssen, zumindest in ihrer öffentlichen Verfügbarkeit nicht verhindert werden dürfen. Hierfür fehlt jedoch die rechtliche Klarheit.

Konkret geht es hier darum, dass man das Verwenden bestimmter Komponenten, Konstruktionen, Verarbeitungstechniken, etc. selbst als mangelhaft wertet – z.B. wenn dies nicht dem entspricht, was man generell erwarten müsste. Was kann man heute allgemein erwarten, wenn man etwas kauft? Ist eine kürzere Produktlebensdauer, so sie tatsächlich vorliegt und auf die Komponentenwahl/etc. zurückzuführen ist, als allgemein zu erwarten zu werten oder darf man weiterhin von längeren Haltbarkeitszeiten ausgehen?

Dürfen wir zulassen, dass die schleichende Herabsetzung von Produktstandards und Lebensdauern durch geplante Obsoleszenz zum allgemeingültigen Maßstab wird? Müssen wir nicht verdeutlichen, dass die breite öffentliche Debatte zeigt, dass die marktüblich erwarteten Produkteigenschaften einer werdenden Kreislaufgesellschaft höher liegen? Das breite politische und gesellschaftliche Engagement für Ressourcenschutz, Abfallvermeidung und Klimawandel ist ein deutliches Indiz dafür, dass sich Hersteller einem deutlich erhöhten Produktstandard stellen und dafür die Produktverantwortung übernehmen müssen.

Folgende Rechtsquellen sind für ein rechtliches Vorgehen geplante Obsoleszenz maßgeblich:

  • Völkerrecht,
  • Europarecht,
  • Zivilrecht,
  • Öffentliches Recht und
  • (mehr unspezifisch) Strafrecht und
  • Ordnungswidrigkeitenrecht
  • Kreislaufwirtschaftsgesetz
  • Produktverantwortungsgesetz (fehlt)

Man sollte sich dabei vor Augen halten, dass es heute kaum direkte spezifische Vorschriften gibt, aber eine ganze Reihe von Vorschriften, die auf das Phänomen der geplante Obsoleszenz angewendet werden könnten, wie bspw. die richterrechtlich zu § 823 BGB entwickelte Produzentenhaftung.

[i] Stefan Schridde, ebenda, S. 95 ff

[ii] „Geheimniskrämerei bei Verschleiß-Produkten – Hersteller geben Handlungsbedarf zu“; Stiftung für Konsumentenschutz, 24.03.2014

http://www.konsumentenschutz.ch/medienmitteilungen/2014/03/geheimniskraemerei-bei-verschleiss-produkten-hersteller-geben-handlungsbedarf-zu/

[iii] Stefan Schridde, ebenda, S. 128 ff


  1. Geplante Obsoleszenz ist strafbar!
  2. Stellungnahme von "Murks Nein Danke, Teil 1
  3. Stellungnahme von "Murks Nein Danke" Teil 2
  4. Begriffsdefinition "Geplante Obsoleszenz"

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