Frankreich bestätigt

Geplante Obsoleszenz ist strafbar!

6. November 2014, 8:14 Uhr | Karin Zühlke
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Stellungnahme von "Murks Nein Danke, Teil 1

Die Legislative in Frankreich bestätigt die geplante Obsoleszenz als strafwürdige Handlung und ergreift erste Gesetzesinitiativen. Insoweit ist dies zielführend. In der Wirksamkeit und aktuellen Umsetzung muss dies jedoch kritisch betrachtet werden. Die Maßnahmen könnten sich auch als Nebelkerze erweisen und keine Wirkung im Sinne der Gesellschaft und Umwelt entfalten. Der Gesetzgeber stellt ohne wirkliches Schadensrisiko für die Hersteller die geplante Obsoleszenz in einen rechtlichen Bezugsrahmen, der die tatsächliche Rechtsverfolgung vom Handeln einzelner Betroffener abhängig macht.

Kostenrisiko Gerichtsprozess

Der Nachweis des Betrugs muss vom betroffenen Kunden selbst eingeklagt und vollzogen werden. Ihm obliegt die Beweislast. Zwar lassen sich an einer Vielzahl konkreter Produktbeispiele Betrugsverdachtsmomente von arglister Täuschung über den bedingten Vorsatz bis hin zur Arglist belegen. Diese jedoch für jeden Einzelfall gerichtlich nachzuweisen, bedeutet für den Kläger ein schwer abzuschätzendes Kostenrisiko. Ihm steht die Rechtsabteilung des verklagten Konzerns gegenüber[i], der mit gezielten Manövern (z.B. Verzögerung, Gutachterschlachten, Anhebung des Streitwertes, Gegenklagen wegen Verleumdung, Aushandeln eines Vergleiches) das Kostenrisiko für den Kläger in die Höhe treiben kann. Daher werden viele Betroffene selbst bei bester Beweislage den Klageweg scheuen.

Warum nicht gleich die Techniken verbieten

Der französische Gesetzgeber stellt Handlungen unter Betrugsverdacht, die er zuvor als für die Interessen des Käufers schädlich identifiziert. Die Gesetzesinitiative beschreibt beispielhaft konkrete Techniken, mit denen der Hersteller bezwecken kann, durch die Konzeptionierung des Produkts, die Lebensdauer oder den möglichen Gebrauchswert des Produkts absichtlich zu verkürzen, um den Verkauf von neuen Produkten zu erhöhen.

So kann der Hersteller durch den Einbau

  • einer Schadhaftigkeit,
  • einer Sollbruchstelle[ii]
  • eines programmierten, vorzeitigen Funktionsstopps,
  • einer technischen Begrenzung,
  • oder durch die Verhinderung von Reparaturen oder
  • einer beabsichtigten Nicht-Kompatibilität

die Lebensdauer des Produktes gezielt gegenüber oft unter nahezu sonst gleichen Kosten möglichen Vorgehensweisen verkürzen.

Dies greift zu kurz. Grundsätzlich kann stets davon ausgegangen werden, dass Produktentwicklung im betrieblichen Geschehen ein willentlicher Entscheidungs- und Arbeitsprozess ist. Auch die willentliche Absicht stets neue Produkte in der Folge von sog. Produktgenerationen am Markt abzusetzen, dürfte für die Entscheidungsprozesse in Unternehmen unstrittig sein.

Man kann daher bei nahezu allen hier benannten die Lebensdauer begrenzenden Vorgehensweisen zumindest von „gewollter Unterlassung“ in der fehlenden Berücksichtigung von Haltbarkeit und Langlebigkeit ausgehen (bedingter Vorsatz). Unter sonst gleichen Kosten können Hersteller nach Einschätzung von erfahrenen Produktentwicklern eine wesentlich höhere Haltbarkeit und Lebensdauer der Produkte umsetzen.

Es läge daher nahe, die schädlichen Techniken von vornherein zu verbieten und deren Einsatz nur unter definierten Bedingungen zuzulassen, die dann entweder behördlich genehmigt werden oder deutlich auf dem Produkt zur Kennzeichnung kommen müssten. Der Katalog selbst ließe sich noch erweitern, z.B. Einsatz minderwertiger Werkstoffe an belasteten Stellen, konstruktive Mängel, Ersatzteilwucher, After-Sales-Monopole, Spezialschrauben.

Lebensdauerangaben alleine reichen nicht

Kennzeichnungspflichten für negative Produkteigenschaften, die für die Kaufentscheidung bedeutsam sind, sind sinnvoll und zielführend. Bei der Produktentwicklung wird laut Aussage führender Experten stets eine „geplante Gebrauchsdauer“ zugrunde gelegt[iii]. So hilfreich deren Ausweis ist (siehe Gutachten „Geplante Obsoleszenz“[iv]), so wundert hier zunächst die Begrenzung im Wert auf ungefähr 430 EUR. Eine erhebliche Anzahl von Produkten, die nahezu alle von geplanter Obsoleszenz betroffen sind, bleiben so von dieser wichtigen Kennzeichnungspflicht unberücksichtigt (z.B. Haushaltsgroßgeräte, -kleingeräte, Unterhaltungselektronik, ITK) ohne dass dies nachvollziehbar vom Gesetzgeber begründet wird.

Kommt ein Produkt zu Schaden, so kann dieser Schaden dann aufgrund geplanter Obsoleszenz durch reparaturunfreundliche Konstruktion und Ersatzteilwucher oder gar fehlende Reparierbarkeit zu einem wirtschaftlichen Totalschaden führen. Angaben zur Lebensdauer alleine sind daher eine unzureichende Information.

Notwendig sind erweiterte Angaben zur generellen Reparierbarkeit sowie deren Einschränkungen, zum durchschnittlichen Zeitpunkt des ersten Schadeneintritts (MTBF; mean time between failure) sowie zu den durchschnittlichen Reparaturkosten der fünf häufigsten Schäden. Diese sind oft durch Produktentwicklungsmethoden bekannt und sollten ebenfalls von den Unternehmen veröffentlicht werden. Soweit Daten statistisch während der Nutzungszeit erst zu erheben sind, sollte deren Veröffentlichung spätestens drei Jahre nach Markteinführung erfolgen.

Verlängerung der Garantiezeit alleine ist nicht zielführend[v]

Eine Verlängerung der Gewährleistungszeit sollte selbst für Hersteller und den Handel kein Problem sein. Hersteller rühmen ihre Produkte ja bereits heute, dass diese auch in Märkte mit fünf Jahren Gewährleistungszeit geliefert würden. Eine Verlängerung der Gewährleistungszeit alleine ist jedoch nicht zielführend. Die Verlängerung der Gewährleistung von sechs Monaten auf 24 Monate mit der Schuldrechtsreform in den frühen 1990ern hat nicht zu einer Anhebung der durchschnittlichen Produktlebensdauer sondern vielmehr zu einer Verbesserung im „Kundenbeschwerdemanagement“ geführt.

Als Kunden kennen wir heute eine Vielzahl an Vorgehensweisen der Unternehmen, mit denen der Kunde zu einem Verzicht auf eine konsequente Durchsetzung seiner Gewährleistungsansprüche geführt werden soll (z.B. Hotlines, langatmige Schriftverkehre, lange Reparaturzeiten, Schuldzuweisungen, Feuchtesensoren, Ausnutzen der Rechtsunkenntnis, Verweis auf Herstellergarantien).

Wir brauchen daher eine deutliche Anhebung der Zeit, in der die Beweislast beim Kaufvertragspartner des betroffenen Kunden verbleibt (z.B. zwei Jahre bei fünf Jahre Gewährleistungszeit) sowie inhaltlich verbesserte Regelungen, um hier Wirkung zu erreichen.

Ersatzteile sollten für jeden frei verfügbar und leicht zu finden sein

Die Verpflichtung zur Lieferung oder Bereitstellung von Ersatzteilen muss ausgeweitet werden. Die Ausweitung der Verfügbarkeitsdauer alleine reicht nicht. Ersatzteile müssen für jeden Kunden frei verfügbar und leicht auffindbar sein. Es muss dem Kunden als Eigentümer überlassen sein, ob er sich dafür entscheidet, das Produkt selbst oder mit Hilfe Dritter zu reparieren. Viele Eigentümer sind aus beruflichen Gründen oder privat entsprechend fachkundig oder kennen jemanden, z.B. über ein ReparaturCafe, der ihm helfen kann.

Ebenso müssen Ersatzteile für jeden Reparaturbetrieb verfügbar sein, damit ein freier Wettbewerb für Reparaturdienstleistungen nicht durch begrenzende Handlungen durch Unternehmen eingeschränkt wird (z.B. Lizenz- oder Vertragswerkstätten, Preisvorgaben). Oft sind Ersatzteile baugleich markenneutral am Markt kostengünstiger verfügbar. Hier muss eine ausreichende Transparenz und Vergleichbarkeit von den Herstellern ermöglicht werden. Ersatzteilwucher muss konsequent geahndet und unterbunden werden.

[i] In Frankreich ist das Unternehmensstrafrecht wesentlich entwickelter als bei uns. Sanktionen können unmittelbar gegen das Unternehmen als Organisation erfolgen, nicht nur gegen Personen.

[ii] Dieser Begriff verwundert, da „Sollbruchstelle“ stets positive, die Kundeninteressen schützende Schwachstellen im Produkt meinen. Schwachstelle ist hier ein besser geeigneter Begriff.

[iii]http://www.murks-nein-danke.de/blog/murks-wissenschaftler-bestatigt-geplante-obsoleszenz-und-liefert-neusprech/

[iv] ebenda

[v] Hier ist wahrscheinlich die Gewährleistungszeit gemeint.


  1. Geplante Obsoleszenz ist strafbar!
  2. Stellungnahme von "Murks Nein Danke, Teil 1
  3. Stellungnahme von "Murks Nein Danke" Teil 2
  4. Begriffsdefinition "Geplante Obsoleszenz"

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