Vereinfachte Produktion von Ersatzteilen

3D-Druck spielt bei Rosenberger eine transformative Rolle

19. Juni 2024, 10:42 Uhr | Von Gregory Zerbib, General Manager EMEA bei Formlabs
Die 3D-Drucker sind beim Traditionsunternehmen Rosenberger nahezu ununterbrochen im Einsatz für die Fertigung von Werkzeugen, Prototypen, Ersatzteilen und Fertigungshilfsmitteln.
© Formlabs

Die Herstellung von spezifischen Ersatzteilen und Hilfsmitteln kann sehr zeitaufwendig sein. Dank 3D-Druck geht das jetzt schneller und unkomplizierter. Rosenberger nutzt mittlerweile eine ganze Druckerflotte im Werkzeugbau.

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Die Rosenberger-Gruppe stellt Hochfrequenz-, Faseroptik- und Hochvolt-Verbindungstechnik her, von Steckverbindern über Komponenten und Zubehörteilen bis hin zu konfektionierten Kabeln. Das Unternehmen benötigt für seine Produktlinie zahlreiche Maschinen, deren Instandhaltung und Optimierung die Werkzeugbauer vor große Herausforderungen stellt. Denn die hochgradig spezifischen Ersatzteile können nur auf Anfrage produziert werden. Das Team muss jedoch schnellstmöglich die speziellen Ersatzteile bereitstellen, damit die Produktion reibungslos weiterläuft. Doch bisher war die aufwendige Herstellung dieser meist metallenen Ersatzteile mit langen Wartezeiten verbunden.

Um dieses Problem zu lösen und hochwertige Ersatzteile in kürzester Zeit herzustellen, setzte Rosenberger erstmalig 3D-Drucker ein. Das Werkzeugbau-Team war zunächst skeptisch und befürchtete, dass die Produktqualität darunter leiden könnte. Heute hilft eine ganze Druckerflotte dem Team bei der Herstellung von spezifischen Werkzeugen, Ersatzteilen und Fertigungs- oder Montagehilfsmitteln.

Vom Spielzeug zum unverzichtbaren Helfer im Werkzeugbau

Um die Herstellung von Ersatzteilen im Werkzeugbau zu beschleunigen und Fertigungsprozesse zu optimieren, zog 2017 erstmals ein 3D-Drucker in Rosenbergers Firmenzentrale im bayerischen Fridolfing ein. Die meisten Mitarbeitenden im Werkzeugbau kannten 3D-Druck bis dahin nur als Schmelzschichtungsverfahren (FDM), das für geringe Druckgenauigkeit und raue Oberflächen bekannt war. Anfangs wurde der 3D-Druck daher von vielen als Spielzeug belächelt, das gegen traditionelle Maschinen wie CNC-Fräsen nicht bestehen könne.

Und hier kommen Betriebsmittelkonstrukteur Manuel Kapsreiter und sein Team aus dem Werkzeugbau am Standort Fridolfing ins Spiel. Gemeinsam haben sie es geschafft, ihre Kollegen von den Vorteilen und der Qualität der 3D-Drucktechnologien SLA (Stereolithografie) und SLS (selektives Lasersintern) zu überzeugen. Dafür hat das Team zahlreiche Videos erstellt, die die Bedienung, Prozesse und Druckqualität rund um den SLA- und SLS-Druck anhand von Anwendungsbeispielen erklären und darstellen. Das hat intern mehr Bewusstsein für den 3D-Druck geschaffen. Wie erfolgreich die Aufklärungsarbeit war, zeigt sich heute auch an der stetig wachsenden Anzahl an Druckaufträgen, die der Werkzeugbau aus sämtlichen Unternehmens- und Fertigungsbereichen bei Rosenberger erhält. Immer mehr Mitarbeitende möchten ihre Ideen zu Produkten und Betriebsmitteln sowie zur Prozessoptimierung kostengünstig und schnell mit dem 3D-Druck umzusetzen.

Seit der Einführung des ersten 3D-Druckers hat Rosenberger ihre Druckerflotte in Fridolfing kontinuierlich erweitert und auf weitere Standorte übertragen. Heute laufen die 3D-Drucker bei Rosenberger im Dauerbetrieb zur Herstellung von Prototypen, Werkzeugen, Ersatzteilen und Fertigungs- oder Montagehilfsmitteln. Teure Metallteile wie Alu-Winkel werden durch kostengünstigere Kunststoffteile ersetzt, was die Herstellungskosten des Unternehmens senkt. Im Vergleich zum traditionellen Fräsen erhält das Team die benötigten Teile 80 Prozent schneller und kann direkt über Nacht auf Anforderungen reagieren. Das macht den 3D-Druck zu einem unverzichtbaren Helfer im Werkzeugbau.

3D-gedruckte Teile optimieren Produktionsanlagen

Mithilfe des 3D-Drucks entwickelt Rosenberger mittlerweile auch gänzlich neue Einzelstücke mit komplexen Geometrien, um bestehende Produktionsanlagen zu optimieren. So auch im Fall einer automatischen Waschstraße. Das Ziel war, die Reinigungsleistung zu verbessern, um die Effizienz der Produktion zu steigern. Um den Wasserfluss insgesamt gezielter zu leiten, sollten Waschkugeln entwickelt werden. Die Herstellung der Waschkugel wäre aufgrund der komplexen Geometrie mit traditionellen Verfahren kaum umsetzbar. Die Konstrukteure müssten auf komplexe Gussverfahren oder das Fräsen mehrerer Teile zurückgreifen, die in einem weiteren Schritt umständlich zusammengesetzt würden. Daher kam bei der Entwicklung der Waschkugeln der SLA-3D-Druck zum Einsatz. Im ersten Schritt wurden die komplexen Kugeln schnell und einfach in einem CAD-Programm designt und nach Bedarf flexibel angepasst. Die STL- oder OBJ-Datei wurde anschließend in die Software zur Druckvorbereitung importiert, damit der 3D-Drucker die Informationen verarbeiten kann. Im Anschluss konnte das Team den Prototypen der Waschkugel direkt vor Ort in wenigen Stunden oder gar Minuten drucken. In mehreren Iterationen optimierte das Team dann seinen Prototypen durch Variation von Bohrdurchmesser und Anstellwinkel. Heute ist die Kugel dank 3D-Druck serienreif und kann direkt in einem Stück gedruckt werden. Nur für die abschließenden Bohrungen setzte das Team CNC-Fräsen ein, was dank der hohen Zähigkeit, Steifigkeit und Festigkeit der 3D-gedruckten Waschkugeln problemlos möglich ist.

Materialvielfalt von dehnbar bis stabil

Als Querschnittsabteilung muss Rosenbergers Werkzeugbau Teile nicht nur schnell, sondern auch für eine Vielzahl verschiedener Bereiche mit unterschiedlichen Anforderungsprofilen produzieren. Die Anforderungen an Druckqualität, -präzision und Materialeigenschaften sind hoch, damit Drucke in der professionellen Produktion von Rosenberger eingesetzt werden können. Für die Arbeit des Teams ist es daher unbedingt notwendig, auf ein breites Portfolio an Materialien zurückgreifen zu können.
Die Entscheidung zwischen SLA- und SLS-Druck basiert das Werkzeugbau-Team auf dem notwendigen Fertigungsvolumen und den erforderlichen Materialeigenschaften der zu druckenden Teile. So nutzen sie den SLA-Druck vor allem, wenn glatte Oberflächen und ein hoher Detailgrad erforderlich sind. Bei größeren Bauteilen, großen Chargen oder wenn spritzgussähnliche Teile hergestellt werden sollen, bevorzugt das Team den großen Bauraum und die kostengünstigen, thermoplastischen Druckmaterialien eines SLS-Druckers.

Je nach Bauteil und Anforderung kommen dabei verschiedene 3D-Druck-Materialien zum Einsatz. So wird beispielsweise ein stabiles, bruchfestes Kunstharz für die Produktion von Gehäusemustern mit Rastnasen oder Montagehalter verwendet. Für wasserdichte Dichtungen für Steckungen, Gehäuse und Werkzeuge sowie Robotergreifeinheiten fällt die Wahl eher auf ein biegsames Kunstharz. Bei Waschkugeln und durchsichtigen Abdeckungen kommt wiederum ein transparentes und farbneutrales Kunstharz zum Einsatz.

Die 3D-Druck-Zukunft bei Rosenberger

Der 3D-Druck spielt eine transformative Rolle bei Rosenberger. Für die Betriebsmittelkonstrukteure ist er mittlerweile ein unverzichtbares Werkzeug, das die Entwicklung von kostengünstigen Betriebsmitteln und Halterungen in kurzer Zeit überhaupt erst ermöglicht hat. Durch die einfache Handhabung der 3D-Drucker kann das Team von Rosenberger aus seinen Entwürfen selbst Prototypen anfertigen, sie direkt testen und flexibel Änderungen vornehmen. Dank einer Druckerflotte kann das Team außerdem nun noch schneller und flexibler Ersatzteile entwickeln, um bestehende Fertigungsanlagen zu optimieren.
Um die wachsende Zahl an Druckaufträgen zu bewältigen, plant das Unternehmen, die internen Fertigungskapazitäten weiter auszubauen und die 3D-Druckproduktion mit Automatisierung wie Flottenmanagement zu optimieren. Denn dank der vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten, günstigen Herstellungskosten und schnellen Produktionszeiten stellt der 3D-Druck eine wertvolle Erweiterung industrieller Produktionsanlagen dar. Durch den gezielten Einsatz additiver Fertigung können Prozesse von traditionellen Anlagen substituiert werden; das optimiert die Auslastung des gesamten Maschinenparks durch Spezialisierung.


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