Rainer Koppitz, CEO von Katek

»Die EMS-Branche muss selbstbewusster werden«

6. November 2023, 14:30 Uhr | Karin Zühlke
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»Wir sind weit über die reine Auftragsbestückung hinaus!«

Das heißt, Sie mussten Ihre Einkaufsstrategie anpassen. Wie ist das gelungen?

Preisverhandlungen waren erst einmal nicht mehr möglich. Auf Anraten unseres Chief Procurement Officers Christoph Antener haben wir aber unsere Einkaufsmacht dafür genutzt, Bauteile zu bekommen, die andere nicht bekommen haben. Und das ist uns gut gelungen. Das heißt, die Materialkrise hat sich zwar negativ auf die Rendite ausgewirkt, weil wir keine Einsparungen verhandeln konnten, aber wir haben massiv Marktanteile gewonnen, weil wir Lieferwege hatten, die anderen Firmen nicht zur Verfügung standen.

Inzwischen hat sich der Markt gedreht. Wie reagieren Sie darauf?

Wir geben jede Woche Benchmark-Anfragen an alle Lieferanten heraus, um die Preise zu eruieren, und wir sehen, dass wieder Bewegung im Markt ist.

Wie verteilt sich Ihr Einkaufsvolumen zwischen Herstellern und Distributoren?

Das Verhältnis hat sich deutlich verschoben. Wir waren im Jahr 2019 bei ungefähr 90 Prozent Volumen über die Distribution, mittlerweile sind es weit über 50 Prozent, die wir direkt beim Hersteller einkaufen.

Kaufen Sie auch direkt in Fernost?

Wir haben mittlerweile ein Einkaufsbüro in Singapur, und dadurch, dass wir eine eigene Fertigung in Malaysia haben, ist es für uns auch einfach, dort zu kaufen.

Wo liegen die größten Schmerzpunkte momentan?

Unsere Schmerzzone im Moment ist wie überall in der Branche, dass viel zu viel Geld von unserem Börsengang 2021 immer noch in den Lagern steckt. Es ist uns zwar gelungen, einiges abzubauen, aber dadurch, dass einige Märkte gerade etwas schwächeln, stagniert der Lagerabbau.

Welche Märkte schwächeln derzeit vor allem?

Alles, was mit der verkorksten Gesetzgebung zum Heizungsgesetz zu tun hat, weil viele Menschen sehr verunsichert sind, dass zum Beispiel keiner mehr in Wärmepumpen investieren will. Das wiederum hat zur Folge, dass auch die Solar-Speichersysteme zum Beispiel nicht mehr mit 50 Prozent, sondern nur noch 20 Prozent wachsen.

Die EMS-Industrie ist nicht gerade als renditestark bekannt. Was macht Katek anders – und besser?

Ein entscheidender Hebel ist die Größe. In Zeiten wie diesen muss man auch bei den Kunden die wirklich hohen Materialpreise durchsetzen. Die kleineren EMS stehen alle da wie das Kaninchen vor der Schlange und fürchten, dass sie von den Kunden aussortiert werden, wenn sie über Preiserhöhungen sprechen wollen.
Wir haben jetzt gerade bei unseren größten Kunden signifikante Preiserhöhungen durchgesetzt, um auch künftig in Innovationen und Technologie investieren zu können.

Wir nehmen dabei auch in Kauf, dass sich der Kunde nicht darauf einlässt, aber wir spielen das jetzt knallhart, uns bleibt nichts anderes übrig. Ein weiterer Hebel ist die Wertschöpfung. Serienproduktion alleine genügt nicht, dann ist man austauschbar und hat auch bei Preisverhandlungen eine schlechte Position. Und: Robotik und Automatisierung sind Key, um der fehlenden Verfügbarkeit von Arbeitnehmern und den notwendigen Produktivitätssteigerungen zu begegnen.

Ein massives Problem ist der Personalmangel in der produzierenden Industrie – wie auch in vielen anderen Bereichen. Wie begegnen Sie dem?

Wir behelfen uns teilweise mit Leiharbeitern. Wir haben zum Beispiel jetzt in Leipzig große Personalnot. Dort arbeiten wir jetzt mit einer ungarischen Leiharbeitsfirma zusammen, die ihre Arbeitskräfte in Ungarn akquiriert. Man muss wirklich richtig kreativ sein.

Darüber hinaus haben wir uns inzwischen in sogenannten Strings organisiert, die im Prinzip die unterschiedlichen vertikalen Märkte abbilden und jeweils aus einem Leitwerk und einem Tandemwerk bestehen, sodass wir das personell entsprechend aufstellen und auch kalkulieren können. Das heißt, wir haben zum Beispiel einen String, der sich rein um Solar-Themen kümmert. Das ist der String Memmingen mit dem Werk in Bulgarien. Beim String Automotive ist das Leitwerk Leipzig und das Pendant unsere Werke in Düsseldorf und Litauen. Ein weiterer String fertigt komplexe Embedded-Technologie: Das ist Mauerstetten mit dem Werk in Tschechien. Der String Grassau mit Ungarn fertigt alles rund um weiße Ware und Lifestyle-Produkte. Die Industrie-Themen muss übergreifend jeder String bewerkstelligen können.

Wie ist die globale Strategie von Katek?

Wir wollen unseren europäischen Kunden ein globaler Partner sein. Wir sind hauptsächlich deshalb in Amerika, Nordamerika und in Asien, nicht um lokale Kunden zu gewinnen, sondern die europäischen Kunden dort betreuen zu können.

In China ist Katek nicht mit einer Fertigung vertreten. Soll sich das ändern?

Nein, wir haben uns dagegen entschieden, weil unsere wesentlichen Kunden alle das Feedback geben, es ist ausreichend, wenn wir in Malaysia produzieren. Dort fertigen wir zum Beispiel im Kundenauftrag auch Wallboxen für den chinesischen Markt.
Selbst chinesische Firmen investieren teils mittlerweile nicht mehr in China, sondern anderswo in Asien wie etwa in Malaysia oder Thailand.

Ein Ausblick zur EMS-Industrie insgesamt: Wo sehen Sie die Herausforderungen?

Die größte Herausforderung wird jetzt erst einmal die abschwächende Konjunktur in einigen Wirtschaftszweigen. Im Moment arbeiten alle noch diverse Backlogs ab, aber da kommt nicht viel Neues nach, gerade bei den europäischen Automobilkonzernen. Die Zinsen sind gestiegen, und wenn jetzt der nächste ökonomische Downturn in einigen Branchen kommt, dann wird es nach meiner festen Überzeugung vielen das Genick brechen: hohe Lagerbestände, hohe Zinsen und sinkende Auftragslage. Das ist ein absolut teuflischer Cocktail.

Das zweite große Risiko, das ich sehe: Im Moment sind die Materialien auch deshalb wieder verfügbar, weil in China die Wirtschaft schwächelt. Wenn das dort wieder anzieht und die chinesischen Massenabnehmer wieder bevorzugt beliefert werden, dann sind wir sofort wieder in der Verfügbarkeitsmisere.

Die EMS-Branche selber könnte aber meines Erachtens auch mehr dazu beitragen, um ihr Licht etwas mehr unter dem sprichwörtlichen Scheffel hervorzuholen.

Die EMS-Branche ist in der Tat zum Großteil sehr verstaubt. Es ist zum Beispiel sehr schwierig, in unserer Branche gute Vertriebsmitarbeiter zu finden. Proaktiver Vertrieb und sich ins Spiel bringen gibt es fast nicht in dieser Branche.

Insofern, es steckt noch viel Potenzial in dieser Industrie. Aber die EMS-Branche muss mutiger werden – oder?

Viel mutiger! Und auch selbstbewusster. Wir sind der Elektronik-Partner für das wichtigste wertschöpfende Teil, das in einer Anwendung drinsteckt. Wir dürfen uns als Branche nicht immer so klein machen. Und könnten zum Beispiel damit anfangen, uns nicht mehr EMS zu nennen. Das verengt den Fokus auf reine Auftragsbestückung, da sind wir weit drüber hinaus mittlerweile.

Aber wenn wir es richtig machen, steht unserer Branche eine gute Zukunft bevor. Wer sich jetzt richtig positioniert, wird profitieren, weil uns alles in die Hände spielt, weil es immer mehr Elektronik braucht und der Anteil an Elektronik in den Applikationen immer weiter ansteigt.


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