Die Katek-Gruppe rangiert mit 15 Standorten weltweit und etwa 3700 Mitarbeitern unter den EMS-Top-Five Europas. Im Gespräch erklärt CEO Rainer Koppitz im Headquarter in der Münchener City, warum die Firmengröße entscheidend ist und die EMS-Branche mutiger werden muss.
Markt&Technik: Mit der Katek SE sind Sie 2019 angetreten, um einen europäischen EMS-Player zu entwickeln, der schnell eine kritische Größe erreicht hat und damit auf Augenhöhe mit den großen Kunden arbeiten kann. Ist das gelungen?
Rainer Koppitz: Mit diesem Ziel sind wir angetreten und ja, das ist uns bislang gut gelungen. Die Phase eins war davon bestimmt, durch Zukäufe schnell die kritische Größe zu erreichen, denn nur in der kritischen Größe gibt es die entsprechende Wahrnehmung bei den Kunden. Und vor allen Dingen hat man damit auch einen hohen Stellenwert bei den Lieferanten. In unserer Branche entfallen teils 80 Prozent eines Auftrags auf den Materialwert. Das heißt, wenn ich nicht die Einkaufsmacht habe, dann habe ich schon mal von vornherein verloren, weil ich nicht wettbewerbsfähig bin.
Dann sind wir in die zweite Phase getreten und haben uns selektiv mit Akquisitionen dort verstärkt, wo uns noch gewisse Fertigkeiten, Kenntnisse, auch Branchen-Orientierungen gefehlt haben, damit wir wirklich ein guter 360-Grad-Dienstleister sind.
Ihren Nukleus von Katek bilden ursprünglich zwei Firmen: die Steca-Gruppe und Katek, der einstige Elektronikdienstleister der Kathrein-Gruppe, der auch Namensgeber der neuen Katek wurde. Warum eigentlich Katek und nicht irgendein neuer Kunstname?
Wieso sollten wir einen Kunstnamen kreieren, wenn wir einen Firmennamen im Portfolio haben, der technisch klingt und auch eine gewisse Historie hat. Wir haben das Branding aber einem Refresh unterzogen in neuem Logo, neuer Farbe, Schriftbild etc.
Alle unsere Firmen, die klassisches EMS-Business betreiben, heißen somit Katek und die, die ganz spezielle Themen abdecken, haben ein extra Branding, aber mit dem Namenszusatz »A Katek Brand«.
Neben dem EMS-Geschäft ist Katek auch in einigen Bereichen mit eigener IP als OEM am Markt. Welche Firmen aus der Gruppe sind das genau?
Die eSystems mit Ladetechnologie für die Elektromobilität, Steca mit Leistungselektronik im Solarbereich sowie die TeleAlarm, die Geräte u. a. für den Hausnotruf und Nurse-Call entwickeln. Alle drei in ihrem Segment führend.
Wie gelingt es, das Spannungsfeld zwischen EMS und OEM zu managen?
Die meisten erfolgreichen EMS sind auch als OEM tätig. Manche vermarkten das, manche nicht.
Wir haben uns entschieden, die Challenge so zu meistern, indem wir in Bereiche reingehen, wo es keinen Verdrängungswettbewerb gibt, sondern wo der Markt per se aufgrund von Megatrends im Double-Digit-Bereich pro Jahr wächst, sodass es genug zu verteilen gibt.
Außerdem wollen wir das sehr offen spielen, nicht versteckt unter der Wasserlinie fahren. Wir haben uns jetzt sogar entschieden, unsere OEM-Aktivitäten offiziell als eigenes Segment auszuflaggen.
Und wie verteilt sich das Geschäft zwischen OEM und EMS?
Ungefähr 75 Prozent generieren wir im Segment Electronics. Das ist das klassische Dienstleistungsgeschäft im Kundenauftrag.
Und die anderen 25 Prozent nennen wir »Systems and Products«, also S&P. Hier sind wir OEM mit eigener IP, mit eigener Brand und mit eigenen Spezialvertrieben, mit denen wir aktiv in diese Märkte hineingehen. Anfang 2019 waren wir bei S&P bei unter 10 Prozent und es war nur der Solarbereich, in ein paar Jahren kann dieses Segment durchaus die Hälfte der Umsätze ausmachen.
Stört es Ihre Kunden nicht, dass Katek auch als OEM tätig ist?
Viele Kunden vermerken es positiv, dass wir mit dem Thema sehr transparent umgehen, und goutieren diese Strategie. Und wir haben trotzdem auch Kunden in den Feldern, in denen wir als OEM agieren. Denn diese Kunden sehen es eher als Vorteil, dass wir uns in der Materie sehr gut auskennen, also wissen, was es bedeutet, die volle unternehmerische Verantwortung für ein Produkt zu haben, von der Entwicklung bis hin zum After-Sales-Service.
Mit Tyde und Aisler hält Katek auch zwei Beteiligungen an jungen, spannenden Technik-Firmen. Was bringt das für Katek?
Aisler bietet eine breite Palette an Elektronikfertigungsdienstleistungen an, die von der Herstellung reiner Prototyping-Leiterplatten und Schablonen bis hin zu vollwertigen Bestückungsdienstleistungen für kleine und große Chargen reichen. Das Hauptaugenmerk liegt darauf, die Elektronikfertigung für jedermann zugänglich zu machen. Über eine einfache Web-Plattform lassen sich Projekte, Fertigungsdaten und entsprechenden Aufträge speichern, abrufen und verwalten. Ein Auftrag kann innerhalb von Sekunden und nicht erst Stunden nach dem Hochladen eines Designs erteilt werden. Also voll automatisiert und powered durch Artificial Intelligence. Wir haben damit die Möglichkeit, jetzt schon die Zukunft der Elektronikbranche zu studieren und dabei zu lernen.
Tyde hat in Zusammenarbeit mit BMW ein innovatives Wasserfahrzeug namens »The Icon« entwickelt. Dabei konnten die beiden Unternehmen die langjährige Erfahrung der Marke BMW i auf dem Gebiet der Elektromobilität mit der Expertise des Bootsherstellers Tyde verbinden. Das Design des Wasserfahrzeugs ist im Studio der BMW-Group-Tochter Designworks entstanden.
Katek hält 10 Prozent der Anteile von Tyde und ist exklusiver Partner für die Elektronik von The Icon sowie aller zukünftigen Produkte von Tyde. Das Investment ist Teil unserer Strategie, bei der Elektromobilität eine führende Rolle in der Entwicklung und Produktion der dafür notwendigen High-Value-Electronics zu spielen. Und wir sind sicher, dass die Innovationen von Tyde die Elektromobilität noch mal auf ein ganz neues Level bringen wird. Die Tyde-Boote haben das Potenzial, für Elektroboote das zu werden, was das Tesla Model S für den Start der Elektroautos bedeutet hat. Luxus, CO2-Neutralität, Geschwindigkeit, Reichweite, Statussymbol, einzigartiges Design.
Wenn Sie sich jetzt so ungefähr größenmäßig einordnen müssten, an welcher Stelle des Rankings würden Sie die Katek-Gruppe ansiedeln?
Laut Zahlen sind wir in Deutschland die klare Nummer zwei – hinter Zollner und vor TQ Systems - und in Europa unter den Top fünf.
Soll es im Ranking noch weiter nach vorne gehen?
Es geht uns nicht darum, die Nummer eins, zwei oder drei in Europa zu werden, sondern wir sind überzeugt davon, dass es in Europa mindestens eine Handvoll Firmen braucht, die größer 1 Milliarde Euro Umsatz machen, um als Europa wettbewerbsfähig zu sein. Und dazu wollen wir unseren Beitrag leisten. Wir gehen davon aus, dass wir in diesem Jahr etwa bei einer 3/4 Milliarde Euro Umsatz herauskommen werden; je nachdem, wie sich die Märkte entwickeln, kann es vielleicht auch ein bisschen mehr werden.
Das wäre noch mal eine ordentliche Steigerung gegenüber letztem Jahr. Aber wie aussagekräftig ist der Umsatz angesichts der hohen Bauteile-Kosten?
Das ist auf jeden Fall im letzten Jahr ein großer Effekt gewesen, weil wir EMS alle massive Extrakosten hatten, da man teilweise beim Broker völlig überteuert einkaufen musste.
Im Idealfall hat man es geschafft, die Preisaufschläge an den Kunden weiterzuverrechnen, was wir auch größtenteils getan haben. Und das hat natürlich den Umsatz aufgebläht. Das fehlt aber im Wesentlichen dieses Jahr; die Extrakosten, die wir letztes Jahr hatten, sind aus meiner Sicht um 95 Prozent zurückgegangen.
Ist es für ein börsennotiertes Unternehmen nicht schwierig zu verargumentieren, wenn der Umsatz sinkt – egal aus welchem Grund?
Wenn ich die Extrakosten aus dem letzten Jahr rausrechnen würde, dann wären wir jetzt dieses Jahr sogar schon um die 40 Prozent gewachsen. Glücklicherweise wachsen wir im Moment sehr stark organisch, also werden wir in die von Ihnen angesprochene Erklärungsnot erst gar nicht kommen, dass ich einen sinkenden Umsatz rechtfertigen müsste.
Die Verfügbarkeit ist wie angedeutet inzwischen wieder besser. Können Sie das auch so bestätigen?
Ja, das sehen wir auch so.
Sie hatten eingangs die kritische Größe als Vorteil beim Einkauf erwähnt. Hat die Größe in der Beschaffungskrise geholfen?
Ja, aber es hat uns anders geholfen, als wir ursprünglich dachten. Wir haben wie gesagt versucht, schnell eine kritische Größe zu erreichen. Aufgrund dessen ist es uns gelungen, tatsächlich noch 2019 und auch 2020 signifikant Einkaufskosten einsparen zu können. Viele Lieferanten haben unsere Wachstumsstrategie unterstützt, weil sie gesehen haben, dass wir der am schnellsten wachsende Europäer im Elektronik-Bereich sind.
Sie wollten mit dabei sein und waren bestrebt, bei uns als Lieferant gelistet zu sein und haben mit uns sogar eine nachträgliche Rückvergütung vereinbart, wenn wir bestimmte Volumina erreichen. Das war natürlich super für uns.
Und dann kam bekanntlich die Materialkrise mit happigen Preissteigerungen, und kein Lieferant hat mit einem auch nur gesprochen.