Der Einsatz von Bonded-Pair-Ethernet-Kabeln im industriellen Umfeld kann entscheidende Vorteile bieten, insbesondere im Kontext von Industrie-4.0-Applikationen, bei denen eine zuverlässige Datenübertragung unerlässlich ist.
Im Zuge von Industrie 4.0 steigen die Anforderungen an eine schnelle und zuverlässige Datenübertragung. Industrielle Netzwerke müssen sowohl Echtzeitleistung als auch einen hohen Durchsatz bieten, weil z. B. bildverarbeitende Systeme und der Zugriff auf Sensoren im Fertigungsprozess immer wichtiger werden. Während Netzwerktechnologien wie TSN sicherstellen, die Anforderungen an eine deterministische Ethernet-Performance zu erfüllen, werden 10-Gbit/s-Ethernet-Netzwerke zum Standard.
Die Netzwerkzuverlässigkeit und -Performance in der industriellen Umgebung stets zu gewährleisten bleibt aber wegen der Beschaffenheit der typischen elektrischen und physikalischen Umgebung einer Fabrik eine Herausforderung. In dieser Umgebung verbinden sich maschinell erzeugtes elektrisches Rauschen und Leistungsstörungen mit verschiedenen Quellen elektromagnetischer Interferenz (EMI) und Hochfrequenzinterferenz (RFI).
Beim Aufbau von industriellen Kommunikationsnetzen verlassen sich Entwickler auf Kabel, die oberflächlich Ähnlichkeiten mit Kabeln aufweisen, die für die Installation in Geschäftsgebäuden vorgesehen sind.
Wie in gewerblichen Gebäuden dient ein CMR-Kabel (Communications-Multipurpose-Riser-Cable) für die Kabelführung durch Steigleitungen oder vertikale Schächte in Industrieanlagen. Ähnlich verhält es sich mit einem CMP-Kabel (Communications-Multipurpose-Plenum-Cable), welches benötigt wird, um die Ausbreitung von Flammen und Rauch in horizontalen Kabelführungen durch Räume unter Böden oder Decken einzuschränken.
Im Gegensatz zu den meisten Gebäudeinstallationen sind Kabelverläufe in der Industrie jedoch besonders anfällig für mechanische Beanspruchung durch ständige Vibrationen, Biegungen, Abrieb und Quetschungen. In der Industrie haben sich verschiedene Isoliermaterialien für Kabelmäntel etabliert, wobei je nach Material eine Abwägung zwischen Kosten und Performance erfolgt.
Obwohl die Isoliermaterialien für Kabel je nach Anforderung variieren, kommen fluoriertes Ethylenpolymer (FEP) und Polyvinylchlorid (PVC) häufig in industriellen Kabelummantelungen zum Einatz. In CMP-zertifizierten Kabeln wird oft FEP verwendet, da es rauch- und flammhemmend ist. Die Verwendung von FEP in Ummantelungen von Kommunikationskabeln reduziert nicht nur die Flammen, sondern begrenzt auch die Ausbreitung von starkem Brandrauch durch Luftkanäle. Neben der hohen chemischen Beständigkeit vertragen FEP-Kabel in der Regel einen weiten Umgebungstemperaturbereich. Das CMP-zertifizierte, vierpaarige, FEP-ummantelte Ethernet-Kabel »DataTuff 7931A« von Belden beispielsweise ist für Betriebstemperaturen von –70 bis +150 °C spezifiziert.
CMR-zertifizierte Kabel sind dagegen in der Regel mit PVC isoliert, weil das Material kostengünstiger ist und gleichzeitig eine angemessene Haltbarkeit und Beständigkeit gegenüber Chemikalien, Hitze und Wasser aufweist. Der Nachteil ist ein geringerer Betriebstemperaturbereich, welcher allerdings der typischen Verwendung in Steigleitungen entspricht. Das CMR-zertifizierte, vierpaarige, PVC-ummantelte Ethernet-Kabel »DataTuff 7953A« von Belden beispielsweise ist für einen Betriebstemperaturbereich von –40 bis +75 °C ausgelegt.
Neben FEP und PVC werden häufig noch andere Materialien einzeln oder zusammen verwendet, um bestimmte Anforderungen zu erfüllen. Für das zweipaariges Ethernet-Kabel »DataTuff 7962A« kombiniert Belden einen Außenmantel aus thermoplastischem Elastomer (TPE), einen Innenmantel aus Polyethylen (PE) und eine Aderisolierung aus Polyolefin (PO), um ein robustes, flammwidriges und ölbeständiges Kabel bereitzustellen, das für gefährliche Umgebungen geeignet ist.
Die Wahl des Mantelmaterials ist jedoch nur einer von mehreren wichtigen Entscheidungspunkten bei der Auswahl von Kabeln für industrielle Ethernet-Netzwerke.
Besonders zu beachten sind mechanische Belastungen, die bei herkömmlichen Twisted-Pair-Kabeln zu einem erhöhten Signalrauschen führen können. Bei diesem Kabeltyp beruht die Verringerung des Übersprechens und der Störanfälligkeit auf einer Verdrillung des Adernpaares. In der Praxis können jedoch die Beanspruchung bei der Installation und die Belastung während des Betriebs zu einer Trennung der gepaarten Drähte führen.
Wenn der Abstand zwischen den Leitern oder die Zentrizität durch fortgesetztes Biegen, Knicken oder Ziehen zunimmt, wird die Rauschunterdrückung des verdrillten Paares erheblich beeinträchtigt. Mit der Zeit führt das zur einer Beeinträchtigung der Signalintegrität, was sich auf die Zuverlässigkeit der Übertragungen im Netz auswirkt.
Beldens Alternative zu herkömmlichen Twisted-Pair-Kommunikationskabeln ist so konzipiert, dass die Signalintegrität trotz der harten Installationsbedingungen und der ständigen Nutzung erhalten bleibt.
Die von Belden patentierte Bonded-Pair-Technologie schafft eine tatsächliche Verbindung zwischen den Drähten in jedem Paar, um eine optimale Zentrizität für alle verdrillten Paare in einem Kommunikationskabel aufrechtzuerhalten und Lücken zu vermeiden, welche sich negativ auf die Signalintegrität auswirken.
Dank der Bonded-Pair-Technologie lassen sich Kabel mit einer Zugfestigkeit realisieren, die in der Regel um 40 Prozent höher liegt als bei herkömmlichen Ethernet-Kabeln. Gleichzeitig kann ein Bonded-Pair-Kabel von Belden sicher in einem Biegeradius gebogen werden, der das Vierfache des Außendurchmessers des Kabels beträgt. Im Gegensatz dazu ist der Biegeradius eines normalen Ethernet-Kabels in der Regel auf mindestens das Zehnfache des Außendurchmessers begrenzt.
Die zusätzliche Festigkeit, die durch die Bonded-Pair-Technologie erreicht wird, führt dazu, dass die Zuverlässigkeit trotz anhaltender Belastung durch Biegung während der Installation sowie des normalen Betriebs erhalten bleibt. Obwohl es in der Branche keinen Standard für die Messung der Biegefestigkeit gibt, hat Belden einen hausinternen Biegetest entwickelt, der die üblichen industriellen Betriebsbedingungen simuliert. Die Ingenieure von Belden haben zunächst ein ca. 4, 6 m langes Bonded-Pair-Kabel auf eine enge Biegung von 0,9 m gebracht, bevor sie es einer mehrachsigen Bewegung von 3 m/s für 28.800 Zyklen pro Tag aussetzten. Das Entwicklungsteam überwachte das zu prüfende Kabel kontinuierlich auf Kurzschlüsse, Spannungsabfälle und andere Probleme an insgesamt acht Punkten entlang der Länge. Nach über 10 Mio. Biegezyklen hat Belden den Versuch abgebrochen, ohne bis dahin physikalische oder elektrische Fehler festgestellt zu haben.
Die Robustheit des Bonded-Pair-Kabels wird deutlich, wenn man seine elektrische Performance mit der eines herkömmlichen Kabels vergleicht: Unter Verwendung der Verbindungs-Performance als Maßstab zeigen die Tests von Belden, dass Bonded-Pair-Kabel ihre Performance vor und nach der Installation beibehalten. Im Gegensatz dazu können herkömmliche Twisted-Pair-Kabel, welche die Tests zwar auf der Trommel bestehen, nach der Installation wegen der Trennung der Paare versagen, nachdem das Kabel den normalen Beanspruchungen bei der Installation ausgesetzt war.
Bei normalem Betrieb können nicht abgeschirmte Bonded-Pair-Kabel den Schutz gegen Rauschen aufrechterhalten, oft zu geringeren Kosten als herkömmliche geschirmte Kabel. Die Richtlinien der ODVA empfehlen beispielsweise, herkömmliche geschirmte Kabel mit einem Abstand von mindestens 1,5 m zu elektromagnetischen Quellen zu verlegen, um Störungen zu vermeiden. Im Gegensatz dazu ermöglicht der Rauschschutz des nicht abgeschirmten Bonded-Pair-Kabels, die Leitung innerhalb von 0,2 m oder weniger von einer Quelle zu verlegen, ohne dass dabei die Signalintegrität beeinträchtigt wird.