In welchen Touchscreen-HMI-Anwendungen sind elektromechanische Bedienelemente sinnvoll, und in welchen Ausführungen und Funktionsweisen lassen sie sich dort integrieren?
Torsten Singer, Schlegel: Das hängt entscheidend vom Einsatzgebiet ab, dementsprechend kann ein Touchscreen auch mal komplett ohne zusätzliche elektromechanische Bedienelemente auskommen. Aber es gibt auch viele Fälle, in denen die reine Bedienung über den Touchscreen nicht praktikabel ist. Besonders problematisch kann dies werden, wenn es um einen schnellen Zugriff auf eine Funktion geht. Nehmen Sie das Beispiel „Sicherheit bei der Bedienung von Maschinen“: Spätestens dann ist ein physischer Not-Halt erforderlich, der schnell ausgelöst werden kann. Die zusätzliche haptische Wahrnehmung bestätigt, dass der Not-Halt auch tatsächlich betätigt wurde. Um dem Benutzer die Bedienung des Touchscreens zu vereinfachen, können elektromechanische Bedienelemente zum Einsatz kommen. Sie lassen sich auf unterschiedliche Weise einbinden – neben dem Display oder direkt auf die Oberfläche. Das gilt besonders bei eher untypischen oder für die Touch-Bedienung unüblichen Bewegungen wie etwa Drehen oder Feinjustieren. Dann können auf oder neben dem Display verbaute Bedienelemente wie Drehknopf oder Joystick sinnvoll sein.
Anette Riedl-Materna, Schurter: Ich sehe den Einsatz von Touchscreens besonders in Anwendungen, bei denen verschiedenste Auswahlkriterien und Steuerungsmöglichkeiten gewünscht sind, etwa in industriellen Produktionsanlagen. Geht es hingegen mehr darum, dass eine Funktionseingabe hochsicher ausgeführt werden muss, so werden auf absehbare Zeit meist noch mechanische Taster oder Schalter eingesetzt. Hierzu haben wir folgendes Beispiel einer Kundenanwendung:
Der Kunde baut medizinische OP-Roboter. Für sie liefern unsere Kollegen von Schurter Input Systems das Eingabesystem, über das die gesamte Planung, Auswertung und Steuerung läuft. Wir von Schurter Components liefern für das Kontrollmodul, das während der OP zum Zuge kommt, die Schalter. Denn hier muss im Notfall sekundenschnell mit hoher Zuverlässigkeit die Robotersteuerung übernommen werden können. Wir glauben, dass dies auch in naher Zukunft so bleiben wird.
Moritz Futterer, Rafi: Bei Touchscreens machen wir die Erfahrung, dass in den letzten Jahren immer öfter ein Touchscreen gefordert ist, weil wir alle daran gewöhnt sind, aber es fehlt eben die gewisse Haptik und das taktile Feedback. Rafi dagegen hat mit „Flexscape“ die Haptik zurück auf den Touchscreen gebracht. 3D-Elemente wie ein einfacher Button (Flexscape One), eine Fingerführung für ein Drehrad (Flexscape Wheel) oder ein echter Encoder mit taktilem Feedback (Flexscape Spin) sind jetzt auf einer geschlossenen Glasoberfläche möglich, ohne ein Loch durch das Glas und das Display zu bohren. Die Elemente sind nach Kundenwunsch frei platzierbar und mit der UX und Anwendungssoftware verschmolzen. Abseits vom Touchscreen ergänzen je nach Anwendung auch weiterhin Joysticks und Encoder sowie gelegentlich einzelne Tasten und ein Not-Halt die Bedienlandschaft moderner HMIs.
Markus Zemke, N&H Technology: In Industrie und Medizin sind elektromechanische Bedienelemente weiterhin sehr beliebt und sinnvoll. Vor allem in Geräten mit einer geringen Anzahl von Funktionen, die zugleich eine gute Sichtbarkeit erfordern und in einer konstanten Benutzerinteraktion sind, bleiben bewährte Eingabekomponenten, wie Folientastaturen, Silikonschaltmatten und Drucktaster, die bevorzugte Wahl - auch in Hinblick auf die Kosten. Denn der finanzielle Aufwand für die Programmierung einer grafischen HMI-Oberfläche ist ein nicht unerheblicher Faktor. Es gilt: Oft ist nicht alles, was technisch möglich ist, auch wirtschaftlich.
In Kombination mit Touchdisplays fördern Drucktaster, Folientastaturen oder Silikonschaltmatten als zusätzliches Eingabeelement eine benutzerfreundliche Menüführung. Wiederkehrende Eingabebefehle oder voreingestellte Parameter sind dank mechanischer Tasten schnell, einfach und übersichtlich abrufbar. Durch das haptische Feedback der mechanischen Befehlsgeber lassen sich benutzerbedingte Eingabefehler vermeiden, was die Sicherheit der Bedienung erhöht.
Dr. Roland Aubauer, Captron Electronic: Elektromechanische Elemente zur Interaktion dürften ausgedient haben, denn die Bediengewohnheiten haben sich im Laufe der letzten Jahre massiv geändert. Bei modernen Smartphones etwa fallen solche Elemente oft komplett weg. Speziell die jüngere Generation kennt keine Wähltasten an Telefonen mehr und erwartet einen Touchscreen. Wir verwenden daher Display-Taster, die eine übersichtliche Darstellung und zugleich eine nutzerfreundliche Interaktion bieten.
Oliver Kluj, Knitter-Switch: Überall, wo der Schaltzustand ohne Hilfsenergie angezeigt werden muss, etwa beim Not-Aus, oder wo eine geeignete Bedienung etwa per Touchscreen unpraktisch oder ungenau ist – dort eignen sich integrierte Encoder, Joysticks oder Trackballs. Integrieren lassen sich fast alle Arten von Schaltern.