Kommentar

Warnungen gab es genug

26. Januar 2018, 11:05 Uhr | Engelbert Hopf
Engelbert Hopf, Chefreporter, EHopf@markt-technik.de
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Die Not ist groß! Wer noch keine Probleme hat, der wird sie mit hoher Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft bekommen.

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Außer Sie gehören zu den ganz großen OEMs und können sich am besten auch noch auf einen funktionierenden Rolling Forecasts verlassen, welche die Versorgung auf ein Jahr oder noch mehr sicherstellen.

Sie meinen, das ist alter Kaffee – schließlich sei es ja schon seit Monaten bekannt, dass bei einzelnen DRAM-Herstellern Allocation herrscht? Das ist schon richtig, nur geht es mir nicht um DRAMs; ich meine passive Bauelemente und dabei im Speziellen Dünn- und Dickschicht-Widerstände, MLCCs, Induktivitäten. „Vogelfutter“, C-Bauteile also.

Dumm nur, dass sich auch bei diesen Bauelementen, die es nach Meinung vieler doch eigentlich wie Sand am Meer geben müsste, inzwischen massive Lieferengpässe abzeichnen. Nun könnte der eine oder andere ja noch mit steigenden Lieferzeiten leben, aber dass sich dann auch noch die Preise für eine Reihe von MLCCs innerhalb einiger Monate verdoppelt haben, schlägt dem Fass dann doch den Boden aus.

Wie konnte das passieren? Nun, man könnte es so erklären: »Das Bessere ist der Feind des Guten«. Zwar mögen die R&D-Ergebnisse im Bereich passiver Bauelemente für viele nicht so spektakulär sein wie die Zauberkunststücke im Bereich Halbleiter, doch sie haben über die Jahre zu beträchtlichen Verbesserungen geführt. Plakativ gesagt: Deutlich kleinere Baugrößen bieten heute die gleichen Datenblattwerte wie noch vor Jahren MLCCs der Baugrößen 0805 oder 0603.

Traditionell scheint die europäische Industrieelektronik aber die altbekannten, größeren Bauformen zu präferieren. Tenor: Wir haben doch genügend Platz, wir brauchen keine Baugröße 0402 oder kleiner. Doch es ist nicht so, dass vonseiten der Spezialisten nicht auf den sich anbahnenden Wandel hingewiesen worden wäre. Seit Jahren werden die fast ausschließlich asiatischen Hersteller passiver Bauelemente nicht müde zu betonen, dass der Trend zu kleineren Bauformen geht und dass dieser Trend unumkehrbar ist.

Nach der Devise „ich höre zwar die Worte, doch mir fehlt der Glaube an ihre Richtigkeit“ wurden diese Warnungen offenbar speziell in der europäischen Industrieelektronik nicht richtig ernst genommen. Es war eben einfacher, leichter und kostengünstiger, altbekannte Layouts immer wieder zu reproduzieren, um nicht zu sagen zu kopieren. Der Nachschub aus Asien lief ja, allen Hinweisen und Warnungen zum Trotz, über Jahre hinweg weiter. Irgendwann hatten die Global Player in Asien wirklich keine Lust mehr, beispielsweise MLCCs der Baugröße 0603 oder 0805 mit Kapazitätswerten unter 1 µF zu fertigen, wenn man in den gleichen Produktionshallen auf umgerüsteten Linien auch margenträchtige Bauteile der Baugröße 0402 und kleiner fertigen kann. Produktverbesserungen, Weiterentwicklungen und Versorgungssicherheit lassen sich nur durch Profitabilität sicherstellen, ein Aspekt, den viele Anwender passiver Bauelemente in den letzten Jahren aus den Augen verloren haben. Nun erfolgt so was Ähnliches wie der Rollback von Seiten der Hersteller.

Doch es ist nicht nur die fortschreitende Miniaturisierung, es ist auch die zunehmende Fokussierung der Global Players auf den Anwendermarkt Automotive. Allein im Bereich MLCCs hat sich dort der Bedarf in den letzten Jahren offenbar verfünffacht. Und da dort die Bestellungen für Highcaps in den Baugrößen 1210 und 1206 durch die Decke gehen, ist auch klar, wohin die Investitionen für den Ausbau der Fertigungskapazitäten bei den Global Players fließen und aus welch unprofitablen Geschäftsbereichen man sich stattdessen zurückzieht.

Fazit: Auch wenn es vielleicht aus Platzgründen nicht unbedingt nötig ist, führt am Einsatz kleinerer passiver Bauelemente auch im Industrieelektronikbereich in Zukunft kein Weg mehr vorbei. Wem Versorgungssicherheit lieb ist, der sollte, soweit es technisch irgendwie möglich ist, auch ein Redesign seiner Applikation bezogen auf passive Bauelemente ins Auge fassen. Denn eines ist absolut sicher: Ein Zurück zu den alten Gewohnheiten wird es nach dem Überstehen dieser Bauelementeverknappung nicht geben. Entweder geht man mit der Zeit oder man wird von ihr überrollt.


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