Grund der steigenden Lieferzeiten ist in den meisten Fällen die schlechte Verfügbarkeit der SMD-Keramikgehäuse. Denn jetzt wird wieder einmal offenbar: Die größte Herausforderung für die Quarz-Hersteller ist die Beschaffung des Gehäuses – und es gibt nicht viele Package-Hersteller, wie Dunger weiß: »Im Sektor der 3,2 mm × 1,5 mm großen Keramikgehäuse hat Kyocera einen Marktanteil von 85 Prozent weltweit. Da kann man nicht so einfach mal schnell ausweichen.« Und da alle Quarzhersteller die gleichen standardisierten Gehäuse bei den gleichen Lieferanten beziehen, ist das Problem perfekt. Ein Wechsel des Quarzlieferanten macht dann – außer bei Lagerverfügbarkeiten – eben für den Verwender auch keinen Sinn, weil die Verknappung ja den globalen Markt betrifft und nicht einzelne Anbieter.
Bleihaltige Plastik-SMD-Gehäuse nicht mehr ROHS-konform!
Was viele in der gegenwärtigen Situation nur allzu gerne verdrängen: Am 21. Juli 2021 läuft die ROHS-Exemption 7a aus, die es bisher noch ermöglichte, SMD-Quarze mit Bleianteilen zu verwenden. Eine bekannte und beliebte Bauform, die dies betrifft, sind SMD-Kunststoffgehäuse, die heute immer noch sehr verbreitet sind und gerne eingesetzt werden. Das Problem dabei: Im Inneren der Plastikgehäuse sitzen bedrahtete Metallgehäuse-Quarze in Zylinderröhrchen, die im Bereich der aus dem Röhrchen geführten Anschlusspins mit Glas, das einen Bleianteil enthält, verschlossen werden. Durch diese „antike“ Konstruktion sind sie dann nicht mehr ROHS-konform, sobald die Exemption 7a im Juli aufgehoben werden sollte.
»Jeder, die die alten Plastikgehäuse einsetzt, steht damit vor einem potenziellen Problem. Ausweichen können die Anwender auf SMD-Keramikgehäuse, aber dies erfordert in allen Fällen ein Redesign der Platine, da sich Pad-Geometrie als auch die Größe der Komponenten deutlich unterscheiden«, warnt Dunger.
Selbst ist er wenig glücklich über die gegenwärtige Situation, die weder für die Distributoren noch für die Kunden angenehm sei: »Die teilweise hohen Auftragseingänge nutzen uns nichts, wir leben ja davon, dass wir Waren bewegen. Leider gibt es derzeit nicht genug zu bewegen.« Sogar den Quarzherstellern schadet es, wenn sie zwar Aufträge in großer Zahl reinbekommen, sie selber aber nicht an die Vormaterialien, wie z.B. die benötigten Gehäuse, herankommen. Und überdies sehr unangenehm in der gegenwärtigen Situation: »Wer am meisten bereit ist zu zahlen, bekommt die Ware – das ist für uns ebenso ein Problem wie für unsere Kunden. Derzeit verwalten wir den Mangel.« Derzeit spreche leider vieles dafür, dass sich die Situation noch weiter verschärft.
Bleibt noch eine Frage: Wenn die klassischen Oszillatoren knapp sind, können davon die MEMS-basierten Timing Devices profitieren? »Zunächst muss ich auf ein immer wiederkehrendes Missverständnis hinweisen: Bei auf MEMS basierenden frequenzgebenden Produkten handelt es sich immer um Oszillatoren. Quarze durch MEMS-Oszillatoren breitflächig ersetzen zu können ist also Quatsch«, antwortet Christian Dunger. Es könne also immer nur darum gehen, auf Quarzen basierende Oszillatoren, sog. Quarzoszillatoren, zu ersetzen.
Hierzulande überwiegt aber bei Weitem die Verwendung von Schwingquarzen. Sie kaufen die Anwender aus Kostengründen bevorzugt ein, um dann jeweils ihre eigene Oszillatorschaltung aufzubauen – liegt doch der Preisunterschied von Quarz zu Oszillator bei mindestens Faktor 2. »Das sind Milliarden von Quarzen, deren Ersatz durch MEMS-Oszillatoren schon aus notwendigen Neu-Designs der Schaltung sowohl aus kommerziellen Gründen kaum möglich sein dürfte. Wofür die Zahlen der verkauften MEMS-Komponenten ja auch sprechen«, ist Dunger überzeugt. Sie hätten zwar in Nischen durchaus ihre Berechtigung – deshalb aber davon zu sprechen, dass sie in spürbarem Ausmaß die quarzbasierten Technologien ersetzen könnten, sei zwar der verständliche Wunschtraum der zwei weltweit führenden MEMS-Protagonisten (SiTime und Microchip, vormals Discera), der wäre aber von der Realität sehr weit entfernt.