Interview mit Ralf Bühler, Conrad

»Zur Plattformökonomie gehört auch der Faktor Mensch«

19. März 2020, 13:41 Uhr | Karin Zühlke
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Nicht Masse um jeden Preis...

Ursprüngliches Ziel zur Gründung des Marktplatzes waren zehn Millionen Artikel – ist diese Zahl obsolet?

Wir werden dahin kommen, aber wir haben unseren Ansatz etwas nachgeschärft: Wir wollen nicht unlimitierte SKUs (Anmerkung der Red.: SKU = Stock Keeping Unit, entspricht der Artikelnummer) zur Verfügung stellen, sondern das, was die Kunden kaufen wollen. Wir kuratieren unseren eigenen Produktbestand, und wir möchten in gleicher Manier auch unseren Marktplatz kuratieren. Das heißt, wir möchten auch dort nur Produkte anbieten, die zu unseren Kunden passen. Wir werden 2020 wohl etwa die acht Millionen erreichen, vielleicht auch mehr, aber alles mit Maß und Verstand.

Also nicht Masse um jeden Preis?

Nein. Wir möchten nicht einfach jeden auf dem Marktplatz haben, sondern nur jeden, der passt. Wir haben heute rund 250 Seller auf dem Marktplatz. Der Marktplatz wächst schön und vernünftig etwa 20 Prozent von Monat zu Monat. Er wird von den Kunden gut angenommen und die Berührungsängste sind weitgehend verschwunden.

Können auch B2C-Kunden auf dem Marktplatz kaufen?

Unser Marktplatz ist ausschließlich B2B-Kunden vorbehalten. B2C-Kunden können bei uns keine Marktplatzartikel kaufen, aber sämtliche Produkte, die Conrad direkt anbietet.

Der Bundesgerichtshof hat im Februar geurteilt, dass Händler nicht für den Inhalt von Kundenbewertungen haftbar sind. Sind Bewertungen bei Conrad möglich und was halten Sie speziell im B2B-Umfeld davon?

Bewertungen sind bei uns möglich für Artikel, die Conrad selbst im Programm anbietet, jedoch nicht für Marktplatzartikel. Aber wir denken natürlich auch in diese Richtung, weil auch im B2B-Umfeld Bewertungen ein Faktor sind, der zur Kaufentscheidung beiträgt.

Was sind nun die nächsten Schritte für Conrad im B2B-Geschäft?

Im nächsten großen Schritt möchten wir mehr große klassische Komponenten-Hersteller auf den Marktplatz bekommen. Diese Firmen tun sich nach wie vor etwas schwer, das Marktplatz-Konzept als weiteren Vertriebskanal anzunehmen, wie wir uns das wünschen würden; wobei es auch schöne Beispiele gibt, wie die Firma Bosch, die ein neues Sensor-Produkt zuerst bei uns auf dem Marktplatz zur Verfügung gestellt hat.

Bühler_Ralf
»Der Faktor Mensch spielt eine extrem wichtige Rolle.«
© Conrad

Womit wollen Sie die großen Komponentenhersteller locken?

Die Zahlen sprechen für sich. Wir sind eine der zehn reichweitenstärksten Webseiten in Deutschland. Und auch wenn es Berührungsängste mit Amazon gibt, muss es die mit Conrad nicht geben. Denn wir sind ein deutlich anderes Unternehmen, auch was den Umgang mit Daten betrifft, die uns zur Verfügung stehen. Das wollen wir in diesem Jahr verstärkt ins Bewusstsein der Komponentenhersteller bringen.
Die Berührungsängste auf der Händlerseite sind hingegen deutlich geringer, daher sind auch viele Distributoren auf dem Marktplatz vertreten, weil sie diesen als zusätzlichen Vertriebskanal bespielen.

Ermöglicht der Marktplatz auch Echtzeit-Quoting?

Nein, das bieten wir zum aktuellen Zeitpunkt nicht. Wir sind aus der Historie heraus kein reines Komponenten-Unternehmen, wenngleich Conrad von jeher Materialien für Bastler und Maker zur Verfügung gestellt hat. Von daher bieten wir Quoting zwar an, aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Echtzeit auf Knopfdruck. Aber die Plattform hat eine Entwicklungsreise vor sich, die in Zukunft die eine oder andere neue Funktion zur Verfügung stellen wird.
Wenn wir dem Leistungsanspruch gerecht werden wollen, den ich eingangs dargestellt habe, dann sind die Preistransparenz und auch Preisvergleich ein wichtiges Thema. Denn ansonsten können Sie nicht von sich behaupten, dass Sie die Gleichung aus Convenience, Qualität und Preis lösen können.

Was verstehen Sie unter Preistransparenz?

Eine Sourcing Platform muss dem Kunden ermöglichen, die für ihn wichtigsten Parameter abzubilden. Und die können bei dem Kunden unterschiedlich sein: Wenn die Verfügbarkeit heute mit Lieferung morgen das für den Kunden Entscheidende ist, dann ist der Kunde bereit, etwas mehr zu bezahlen. Wenn der Kunde aber sagt, ich kann warten, dann ist vielleicht Preis das entscheidende Kriterium. Preistransparenz bedeutet, den besten Preis in einer Kombination aus den vorher drei genannten Dimensionen heraus darzustellen.

Wie wichtig ist vor diesem Hintergrund M2M in Zukunft für die Distribution?

Das ist definitiv ein wichtiges Thema, aber für die richtigen Prozesse.


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  3. Conrad - Conrad Connect
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