50 Jahre Rutronik

»Wir wollen auch in Zukunft unabhängig sein«

12. Juni 2023, 12:30 Uhr | Karin Zühlke
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Fortsetzung des Artikels von Teil 2

»Deep-Tech-Ansatz«

Wo sehen Sie neue Technik-Trends, die Sie mit Rutronik aufgreifen wollen oder jüngst aufgegriffen haben?

Wir sind ein Distributor mit vielen Mehrwerten, aber wir bieten und verfolgen ganz speziell einen »Deep-Tech-Ansatz«. Zudem wissen wir, dass man bei Grundlagenforschungen und Basis-Untersuchungen ein extrem hohes Risiko hat. Wir möchten an der Stelle auch das technische Risiko für den Kunden minimieren, indem wir geprüfte und funktionierende Lösungen anbieten, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen aufbauen. Und wir stellen bei unseren Marktforschungsaktivitäten und in der Zusammenarbeit mit den Hochschulen sowie Universitäten immer wieder fest, dass es Ansätze gibt, die das Potenzial haben, komplette Geschäftsmodelle infrage zu stellen wie etwa bei der gedruckten Sensorik, die künftig ein Game-Changer sein könnte.

Wie adaptieren Sie den Deep-Tech-Ansatz in der Automotive Business Unit?

Rutronik Asia entwickelt in Kooperation mit Elmos Semiconductor ein Entwicklungsboard für Automotive-Kunden und arbeitet damit an weiteren Innovationen im Bereich Rutronik System Solutions. Bei der Zusammenarbeit handelt es sich um die gemeinsame Entwicklung eines integrierten Entwicklungsboards für Wärmemanagementsysteme, um Kunden bei der Bewältigung komplexer Herausforderungen des Wärmemanagements in Anwendungen wie Elektrofahrzeugen zu unterstützen. Ziel ist es, dass Kunden mit dem Board an konfigurierbaren, flexibel integrierbaren Wärmemanagementsystemen arbeiten können.

Und in dem Zusammenhang: Was sagen Sie persönlich zum EU-Aus für Verbrennermotoren im Jahr 2035?

Nach meiner persönlichen Meinung ist das derzeit noch eine etwas illusorische Diskussion, weil konkrete Pläne zur Umsetzung der Lade-Infrastruktur fehlen. Schauen Sie nur mal nach München, wie viele Hochhäuser es gibt, und da hat nicht jeder einen Garagenplatz. Alleine in China gab es immer wieder die Situation, dass in Kleinstädten der Strom ausfiel, weil zu viele Einwohner gleichzeitig ihr Fahrzeug geladen haben.

Aus meiner Sicht ist ein Elektro-Auto derzeit ein schickes Fahrzeug für eine gut situierte Klientel, aber noch nicht für die breite Masse. Das wird noch sehr spannend, wie sich das entwickelt. Denn in welchen Ländern der EU kann sich ein Großteil der Bürger ein Auto für Vierzig- oder Fünfzigtausend Euro leisten? Weder in den süd- noch in den osteuropäischen Ländern verfügt die breite Masse über derartige Mittel. Das mag in Österreich, der Schweiz und vielleicht auch noch in Deutschland funktionieren. Aber aus meiner Sicht nicht flächendeckend in der EU. Und auch was die Strom-Infrastruktur anbelangt, wird das noch sehr herausfordernd werden.

Hat sich denn wenigstens unsere Automotive-(Zuliefer-)Industrie gut darauf vorbereitet bzw. wie kann Rutronik die Zulieferer unterstützen?

Automobilzulieferer stehen vor enormen Veränderungen und ganze Sparten teils vor dem Aus, etwa die Herstellung von Getrieben. Damit einhergehende Veränderungen der Geschäftsmodelle zeichnen sich bei den Zulieferern bereits ab – siehe Schaeffler, Bosch und Co. Es entstehen damit aber auch ganz neue Geschäftsfelder, und für uns als Distributor ist entscheidend, genau jene Produkte im Portfolio zu haben, die dann für die Zulieferer wichtig sind. Außerdem bieten wir Systemlösungen an, die für die Forschung und Entwicklung der Zulieferer eine Rolle spielen, z. B. das Hybrid Energy Storage System von Rutronik System Solutions.

Sehen Sie die Distribution insgesamt gut gerüstet für die Zukunft?

Gegenfrage: War die Distribution je schon schlecht gerüstet? Ich denke, nicht. Die Distribution wurde immer den Bedürfnissen gerecht, die der Markt gebraucht hat. Natürlich haben wir heute aber auch die Problematik, dass die Distribution in der Hand von großen Firmen ist und die kleineren sich zunehmend schwertun, weil die Administration, wie ich vorher bereits geschildert habe, bedingt durch diverse EU-Regularien so umfassend geworden ist. Jetzt kommt noch das Lieferkettengesetz dazu. Und die kleineren Firmen unter den Distributoren müssen sehen, wie sie all dem gerecht werden. Es sind für unsere Industrie immer Kraftakte, den Anforderungen der Gesetzgeber von heute auf morgen nachzukommen. Darüber hinaus besteht eine weitere Herausforderung durch die gestiegenen Zinsen und die Nachfolgeregelung in den Firmen. Aber: Wir befinden uns in einer spannenden Branche, und die Applikationen werden nicht ausgehen. Insofern ist mir um die Zukunft der Distribution nicht bang.

Und wie sieht Ihr Ausblick für Rutronik aus?

Wir möchten weiterhin vernünftig wachsen. Und so haben wir unsere Weichen auch gestellt: Wir bauen unsere F&E-Tätigkeiten kontinuierlich aus und entwickeln unsere Distributoren-Kompetenzen weiter in Richtung Systemanbieter. Außerdem sind wir ein großer Ausbildungsbetrieb in der Region Pforzheim und bilden qualifizierte, junge Menschen aus, z. B. durch ein duales Studium der Elektrotechnik, um auch in Sachen Bildung gesellschaftlich Verantwortung zu übernehmen und qualifiziertem Nachwuchs den Weg in die Elektronik zu ermöglichen.


  1. »Wir wollen auch in Zukunft unabhängig sein«
  2. Regionalität fördern
  3. »Deep-Tech-Ansatz«

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