Welchen Einfluss hat die „Merger-Mania“ auf Herstellerseite auf Ihr Geschäft bzw. das Wachstum?
Joachim Kaiser: Wir haben zuletzt bei bestehenden Lieferanten durch Übernahmen indirekt einige neue Lieferanten hinzugewonnen, wie z.B. im Fall von Spansion und Fujitsu. Später hat dann sogar Cypress Spansion übernommen. Dadurch haben wir zwei vollwertige neue Lieferanten mit an Board bekommen; und Renesas mit Intersil wird vermutlich ebenso eine positive Gelegenheit für uns sein.
Thomas Gerhardt: Derzeit tut sich in der Tat viel auf der Herstellerseite. Die Übernahmen können Risiken bringen oder – wie bei uns bisher – große Chancen, wie Herr Kaiser bereits erläutert hat, und selbstverständlich auch Herausforderungen: Jede Übernahme erfordert natürlich auch einiges an Anpassungsarbeit.
Kommen wir noch mal zurück zur Eingangsfrage bzw. Ihrer Antwort, in der Sie darauf hinweisen, dass das Wachstum “organisiert” werden muss. Was genau meinen Sie damit?
Joachim Kaiser: In den letzten Jahren ist Glyn mehr und mehr in den Großkundenbereich vorgedrungen. Durch die verteilte Marktstruktur kommen wir auch immer mehr mit großen EMS in Kontakt. Wir merken, dass wir neben der Design-In-Arbeit in der Entwicklung auch intensiver mit dem Einkauf besprechen, welche Lösungen wir bieten können. Im mittleren Industriekundenbereich hat das Wort des Entwicklers noch sehr viel Gewicht. In größeren Unternehmen hingegen ist es arbeitsteiliger, und hier bekommt der Einkäufer nicht immer mit, wie gut der Support vom Distributor war. Deshalb macht es Sinn, auch frühzeitig mit dem Einkaufsentscheider in Kontakt zu treten, ihn umfassend zu informieren und die spätere Belieferung bestmöglich gemeinsam mit ihm zu organisieren.
Thomas Gerhardt: Je größer die Kunden werden, umso anspruchsvoller wird natürlich auch die Vertragsgestaltung. Wir haben früher eher versucht, die Einkäufer zu überzeugen, dass wir keine Verträge brauchen, bzw. es waren Verträge auch gar nicht gefordert. Das hat sich geändert und auch unsere Einstellung dazu. Um diese Aufgaben zu bewältigen, ist entsprechende Expertise erforderlich, in die wir investiert haben. Deshalb sind wir dafür jetzt besser gerüstet – sowohl bei den Mitarbeitern als auch bei den Systemvoraussetzungen für eine gut funktionierende sichere Supply Chain.
Mit Joachim Kaiser haben Sie ja seit einem Jahr einen ausgewiesenen Logistik- und Supply-Chain-Experten an Bord …
Joachim Kaiser: Das ist richtig – aber auch nur ein Teil meiner Aufgaben. Der Schwerpunkt liegt auf der Vertriebsleitung. Logistik ist jedoch ein wichtiger Teil des Vertriebes, deshalb passt das ganz hervorragend zusammen.
Sie haben flankierend dazu auch Ihre Programmierressourcen aufgestockt – das heißt, Glyn geht logistisch nun den Weg der Digitalisierung?
Thomas Gerhardt: Digitalisierung gab es bei uns schon lange, aber Vorgänge, die vorher „halb manuell“ gelaufen sind, werden jetzt mehr “durchautomatisiert”. Wir haben sehr viele Artikel mit hohem ASP, und die meisten unserer Kunden kaufen wenige Line-Items. Dadurch war der Bedarf nach einem hohen Automatisierungsgrad lange Zeit nicht gegeben. Aber durch unser Wachstum steigt nun auch das Volumen, und das zieht die Notwendigkeit systemunterstützter Prozesse nach sich. Daher treiben wir die Digitalisierung intern mit erweiterten eigenen Programmierressourcen voran.
Wenn Sie von Automatisierungsgrad in der Supply Chain sprechen, geht es dabei vorwiegend um EDI? Das ist doch inzwischen schon Standard, oder?
Joachim Kaiser: Einen EDI-Konverter zu haben, heißt noch nicht, dass man im Warenwirtschaftssystem schon einen kundenindividuellen Prozess abgebildet hat. Auch wir „können“ natürlich EDI in der Supply-Chain. Wichtig ist aber, dass man die ganzen Prozesse mit dem Kunden bespricht, vereinbart und vertraglich festlegt. Die gemeinsame Arbeit an einer optimalen Belieferung ist das Entscheidende.
Der Kontakt zum Kunden wird also „technokratischer“ – liegt das an der allgemeinen Entwicklung der Generation „Smartphone“?
Joachim Kaiser: Das kann man so nicht sagen. Die entscheidenden Menschen, die heute in unserem Geschäft überwiegen, sind noch nicht in der anonymen Smartphone-Generation angekommen. Unsere Kunden mögen den persönlichen Kontakt und die technische Stärke. In der Vergangenheit sind wir auf die einkaufsrelevanten Themen wie EDI und Supply-Chain-Lösungen vielleicht einmal im Monat angesprochen worden. Jetzt werden wir einmal die Woche gefragt. Wir sind erfolgreich und ziehen deshalb in den einkaufsrelevanten Dingen nach. Die Anforderungen wachsen, also muss auch die Professionalität weiter wachsen.
Abschließend noch die inzwischen essenzielle Frage: Hatte die Konsolidierung in der Distribution unmittelbare Auswirkungen auf Glyn?
Thomas Gerhardt: Davon hat Glyn bisher eher profitiert, denn dadurch werden wir immer mehr zur gesuchten Alternative für Lieferanten und Kunden.
Glyn wird also weiter eigenständig bleiben?
Thomas Gerhardt: Ja – Glyn wird es weiterhin geben, und Glyn wird auch eigenständig bleiben. Die Firma ist gesund, und unser Gründer Glyn Jones fühlt sich dem Standort und den Mitarbeitern und ihren Familien verpflichtet. Diese Langfristigkeit macht uns für die Menschen, die bei uns arbeiten möchten, und für alle unsere Geschäftspartner sehr attraktiv.