Bert Schukat, Schukat electronic

»Fühlen uns mehr als Krisen­manager denn als Distributor«

2. August 2022, 10:30 Uhr | Karin Zühlke
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Auswirkungen

Welche Auswirkungen hatten die Lieferengpässe der letzten zwölf Monate auf Ihr Angebot?

Die anziehenden Lieferzeiten und steigende Preise haben unser Verhalten massiv beeinflusst bzw. gesteuert. Wenn wir von unseren Lieferanten von steigenden Lieferzeiten und Preisen erfahren, werden wir natürlich sofort hellhörig und bauen das Lager entsprechend auf.

Wenn man Industriekunden hat, die auf die Ware angewiesen sind, dann ist die Kette schon sehr sensibel, da wollen wir nicht zurückfallen.

Ich veranschauliche meinen Lieferanten in Asien auch gerne die Notwendigkeit ihrer Lieferung an konkreten Einsatzbeispielen in ihrem eigenen Land: Was passiert beispielsweise, wenn in Taiwan keine neuen Züge von Firma XY mehr ausgeliefert werden können, weil die Elektronik aufgrund fehlender Bauteile nicht produziert werden kann? Dann ist es auch meistens so, dass die Bereitschaft besteht, alle Hebel in Bewegung zu setzen. Auch von den Kunden gibt es immer wieder Eskalations-Calls.

Grundsätzlich vertrete ich die Meinung, Schukat soll nicht derjenige sein, der dafür verantwortlich ist, dass es beim Kunden einen Bandstillstand gibt. Wir fangen z. B. auch im Vorfeld des Chinese New Year schon im September und Oktober an, für den Februar zu ordern; dadurch konnten wir immer von gewissen Puffern profitieren. Bisher hatten wir zwar einige Engpässe, aber keinen harten Ausfall im Sinne von längeren Produktionsstillständen.

Haben Sie Ihren Lagerwert aufgrund der Situation seit zwei Jahren erhöht?

Das Lager ist zum Teil leerer, als es sein sollte. Wir versuchen kontinuierlich, Lager aufzubauen, aber die Ware wird uns auch wieder schnell aus den Händen gerissen. Das führt zum Teil auch zu Preissteigerungen.

Wie zufrieden sind Sie mit der Belieferung durch die Komponenten-Hersteller und mit der Kommunikation der Hersteller in Bezug auf Lieferzeiten, Preiserhöhungen etc.?

Wir haben von unseren Lieferanten aus Asien erfahren, dass die Erzeugerpreise bereits letztes Jahr um 11 bis 15 Prozent bei den Zuliefermaterialien angestiegen sind, das muss auch irgendwann in den Markt hineinkommen.

Natürlich versuchen wir, diese Erhöhungen bei den Kunden durchzusetzen. Bestehende Aufträge werden weitestgehend preis- und termingerecht beliefert, aber bei Folgeanpassungen mussten wir vereinzelt reagieren. Das war für unsere Kunden zum Teil auch nachvollziehbar, etwa bei den Transportkosten, wo wir uns zum Teil z. B. auf eine Kostenteilung der Transportkosten einigen konnten.

Vonseiten der Lieferanten erhielten wir öfter neue Preislisten, zum Teil leider sehr uneinheitlich, da jeder von ihnen in dieser Hinsicht etwas anders fokussiert ist. Der eine hat die Vorstellung, er möchte Preisführer sein, und will seine Preise daher nicht so stark erhöhen, streicht dadurch aber andere Vorteile, die für Großkunden wichtig sind – was auch keine glückliche Lösung darstellt. Dennoch ist es unsere Aufgabe im Markt, diese Kommunikation so zu übersetzen, dass der Kunde sie versteht.

Unser Lagerwert steigt durch das Marktgeschehen; das hilft uns wiederum, unser Ergebnis zu schützen. Wenn der Markt sich dreht und die Preise sinken, stehen wir natürlich vor der Herausforderung, uns anzupassen.

Was raten Sie Ihren Kunden in Bezug auf ihre Forecasts für 2023?

Bis Mitte 2023 ist schon sehr viel gebucht. Die Preise scheinen auf hohem Niveau zu bleiben. Allerdings ist das Umfeld sehr volatil. Von Corona über die Kriegsauswirkungen bis hin zur Logistik gibt es viele Unwägbarkeiten. Wichtig ist, das aktuelle Marktgeschehen genau zu beobachten.

Viele unserer Kunden produzieren Produkte für die Weiterverarbeitung bzw. den Weiterverbrauch, das sind sichtbare Indikatoren, d. h. wir müssen sehr genau hinsehen in Bezug auf das Abnahmeverhalten. Weil viele Kunden auf sehr hohen Bestellvorläufen sitzen, ist also ein großer Backlog vorhanden. Und in einem Jahr kann viel passieren.

Wie hat sich das vor drei Jahren neu eingerichtete Shuttle-System inzwischen eingespielt?

Das läuft seit seiner Einführung sehr zuverlässig. Zwar mussten wir bei der Planung des Systems an der einen oder anderen Stelle noch etwas nachjustieren, aber dank vorgenommener Optimierungen können wir sich abzeichnende Flaschenhälse schnell aufhalten. Insgesamt ist die Steigerung der Effizienz der Lagerprozesse beachtlich. Heute schaffen wir es damit, Aufträge deutlich schneller und ebenso deutlich früher versandbereit zu stellen. Sehr zum Vorteil für den Kunden, weil die am frühen Nachmittag entgegengenommenen Aufträge noch tagesaktuell in den Versand gehen. Wir haben also eine sehr gute Effizienzsteigerung realisiert, die Prozesse sind sicherer geworden, und wir können mit dem gleichen Personal wesentlich mehr Aufträge bewerkstelligen. Tatsächlich hätten wir unsere Umsatzsteigerung für 2021 mit dem alten System nie realisieren können. Mit dem neuen System haben wir das geschafft, und – im System ist auch noch weitere Luft nach oben.

Wie hat sich die Kundenansprache und das Kundenverhalten in den letzten beiden Jahren verändert?

Unser philosophischer Ansatz lautet, dass wir unsere Kunden mitnehmen und Empfehlungen herausgeben. Die Kunden haben – auch durch die Popularität des Themas – sehr schnell gelernt, dass die Chipkrise ernst ist, und folgen unseren Empfehlungen. Sie mussten lernen, ihre Bedarfe viel vorausschauender zu platzieren; dabei haben wir sie unterstützt und im Vorfeld auch das kommuniziert, was wir sehen. Dadurch konnten wir sie, wie bereits erwähnt, gut durch die Engpässe manövrieren.

Wie muss sich die Distribution im Allgemeinen verändern, um wettbewerbsfähig zu bleiben?

Ich bin der festen Überzeugung, dass viele Hersteller auch in Zukunft einen Teil ihrer Geschäfte nicht selber machen, sondern sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren wollen.

Auch im Hinblick auf die jeweils kulturellen Besonderheiten stößt man als Hersteller relativ schnell an Grenzen. Die Sicht auf die Distribution hängt davon ab, welchen Stellenwert man als Distributor bei seinem Partner einnimmt. Die letzten zwei Jahre hat das klassische Modell des Stocking-Distributors sich als mehr als erfolgreich erwiesen, denn indem wir die vorgelagerte Lieferkette für unsere Kunden puffern, konnten wir die Verfügbarkeit von Ware gewährleisten.

Die Schonungslosigkeit, die teils in der Lieferkette steckt, wird durch die Distribution abgedämpft. Wir sorgen einerseits für ständigen Durchfluss und helfen dabei, Spitzen zu glätten, die sich im Markt ergeben haben. Das ist auch in der jetzigen Zeit eine gute Begründung für die Existenzberechtigung der Distribution.

Auf der anderen Seite sehe ich auch die Notwendigkeit, dass man das Angebot ständig weiterentwickeln muss. Die Distribution wird immer stärker von Digitalisierung geprägt. Daran geht kein Weg vorbei, und wer sich nicht darauf einlässt, wird wahrscheinlich nicht bestehen können. Digitale Prozesse, eCommerce-Lösungen, Schnittstellen zum Kunden per EDI, APIs und Marketplaces: Ohne diese Vernetzungen wird die Distribution künftig kaum noch Geschäfte generieren können.

Zugleich dürfen wir unsere ursprüngliche Bestimmung nicht aus den Augen verlieren. Wir kommen vom bedarfsgerechten Umpacken der Produkte, bieten unseren Kunden z. T. auch Baugruppenmontage an. Vom Grundsatz sind wir Logistiker und Großhändler. Für uns heißt das: Wir müssen die Kundennachfrage mit unseren Leistungen und den Erwartungen der Hersteller in Einklang bringen. Wenn wir mit dem Wandel gehen, wird auch die Distribution weiter bestehen.

Und wie lautet Ihr Ausblick 2022 – auf Ihr Geschäft bezogen?

Für uns war der Auftakt von 2022 ein nahtloser Anschluss daran, was wir in 2021 erwirtschaftet haben. Natürlich wissen auch wir nicht, wie das Jahr enden wird, ob die Nachwirkungen aus den Shanghai-Lockdowns oder Nachwirkungen der Blockbildungen und der Ukraine-Krieges die Geschäfte stärker wandeln werden. Die Inflation wird sich ebenfalls auswirken. Ich befürchte zudem eine Lohn-Preis-Spirale, die dazu führen könnte, dass wir nicht mehr so auf die Wirtschaft achten wie die letzten 20 Jahre.


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