Obwohl derzeit alles eher gegen einen Durchbruch der Elektromobilität spricht, ist Dr. Patrick Morgan, Corporate Vice President und General Manager für Automotive und Energy bei Analog Devices, überzeugt, dass er kommt.
Seit 2015 sind die jährlichen globalen Investitionen in erneuerbare Energien, Energieeffizienz und andere Technologien im Zusammenhang stetig gestiegen und spiegeln damit auch die zunehmende Anerkennung der Klimakrise wider«, betont Morgan.
Dennoch belegen Statistiken zumindest in Deutschland eindeutig, dass die Elektromobilität einen empfindlichen Dämpfer erlitten hat, und zwar genau in dem Moment, als die finanziellen Anreize seitens des Staates abrupt zurückgenommen wurden. Auch in den USA ist von vielen Seiten zu hören, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis selbst nur zehn bis 20 Prozent der Fahrzeuge auf den Straßen elektrisch sind. Betrachtet man noch die jüngsten Entwicklungen in den USA, scheinen sogar diese Erwartungen noch viel zu optimistisch zu sein.
»Dennoch bin ich mehr denn je davon überzeugt, dass der Trend zur Elektrifizierung weiterhin anhält, und das über die gesamte Welt betrachtet, nicht nur in den Vereinigten Staaten oder in Deutschland, sondern überall«, erklärt Morgan. Die derzeitige Abschwächung ist aus seiner Sicht im Grunde genommen nichts anderes als die typische Entwicklungskurve, die jede neue Technologien durchlaufen muss. »Denken Sie nur an den Hype, der anfänglich rund um das autonome Fahren herrschte. Jeder dachte, wir würden bald in schicken selbstfahrenden Autos herumgefahren werden. Und was ist tatsächlich passiert? Wenig: Die Erwartungen waren wie üblich so hoch, so dass die Technologien sie zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht erfüllen konnten. Dennoch wurde die Technologie weiterentwickelt mit der Folge, dass wir heute in Fahrzeugen über immer mehr Sensoren, Kameras, Radarsysteme und fortschrittliche Objekt- und Fußgängererkennung verfügen. Und genau diese Entwicklungskurve durchläuft die Elektromobilität. Anfänglich war jeder begeistert und dachte, dass in naher Zukunft nur noch Elektrofahrzeuge unterwegs sein werden, aber solche Entwicklungen brauchen ihre Zeit, das passiert nicht von heute auf morgen«, sagt Morgan.
Mittlerweile wurden seiner Meinung nach auch bei der Elektromobilität deutliche Fortschritte erzielt. In diesem Zusammenhang verweist er einerseits auf die Tatsache, dass die Verbraucher mittlerweile aus einer deutlich größeren Auswahl an Elektrofahrzeugen auswählen könnten. Andererseits stünden inzwischen auch Autos zur Verfügung, die bezahlbar sind. Morgan: »Das war vor fünf Jahren definitiv noch nicht der Fall.«
Dass eine neue Technologie die typische Entwicklungskurve durchlaufen muss, ist das eine; bei der Elektromobilität kommt ein weiteres Problem hinzu: die Ladeinfrastruktur. Und das ist nicht ganz ohne, denn die Verbreitung von Elektrofahrzeugen hat erhebliche Auswirkungen auf die Anforderungen an die Verwaltung des Stromnetzes. Ein Hauptaspekt ist die elektrische Last. Morgan erläutert: »Die maximale Last durch das erwartete Volumen an Elektroautos beträgt etwa 10 TWh. Diese Last ist zwar gering im Vergleich zum erwarteten Wachstum der weltweiten Stromerzeugung, aber sie ist extrem dynamisch, da sich Elektrofahrzeuge innerhalb der Infrastruktur des Stromnetzes zeitlich und räumlich bewegen. Das Netz muss die Kapazität haben, die EV-Last zu bewältigen, UND darüber hinaus die Fähigkeit besitzen, diese in Echtzeit zu verwalten. Dies ist notwendig, um den Strom nahtlos und ohne Unterbrechung an die Vielzahl der an das Netz angeschlossenen Geräte zu liefern.«
Morgan erklärt weiter: »Wenn wir überall die entsprechende Infrastruktur hätten, die einfach zu bedienen und kostenlos wäre, wäre die Elektromobilität schon viel weiter. Aber das ist natürlich unrealistisch.« Dementsprechend muss man sich ansehen, welche Weiterentwicklungen wirklich notwendig sind, um die Akzeptanz nach vorn zu bringen.«
Aus seiner Sicht steht in diesem Zusammenhang an erster Stelle die Reichweite der Fahrzeuge. Analog Devices als Technologieunternehmen entwickle seit Jahren Technologien, die es ermöglichen, die maximale Energie aus den Batterien herauszuholen. An zweiter Stelle stehen für ihn die Kosten für die Batterie selbst. »Bislang sind sie viel zu teuer, aber auch hier wird vieles besser. Und auch hier versuchen wir, das Problem zu entschärfen, beispielsweise, indem wir auch Lithium-Eisenphosphat-Batterien unterstützen. Wir waren einer der ersten, die sich dafür ausgesprochen haben, dass die Industrie auf diese Chemikalie umsteigen soll. Und zwar nicht nur aus Kosten-, sondern auch aus Sicherheitsgründen, denn bei ihnen ist die Gefahr viel geringer, dass sie Feuer fangen«, führt Morgan aus. Diese Batterie hat aber noch einen weiteren wichtigen Vorteil: Sie benötigt kein Kobalt, sprich kein Konfliktmineral.
Doch selbstverständlich bringt diese Batterie auch Nachteile mit sich. Dazu gehören eine geringere Energiedichte, aber auch, dass sehr genaue Messungen notwendig sind, um die winzigen Schwankungen auf einer sehr flachen Entladungskurve erkennen zu können. »Es hat sich gezeigt, dass unsere Halbleiter bei diesem speziellen Problem die besten der Welt sind«, sagt Morgan. Dennoch ist dieser Batterietyp bislang noch nicht in Serienfahrzeugen zu finden, große Anbieter wie BYD und CATL haben jedoch entsprechende Aktivitäten bereits öffentlich angekündigt.
»Unsere Technologie ermöglicht es aber auch, verschiedene Batterien in einem Fahrzeug zu kombinieren«, lobt Morgan. Das hätte durchaus Vorteile, denn verschiedene Batteriechemikalien können in unterschiedlichen Fahrsituationen durchaus von Vorteil sein und Kostenvorteile bringen. Wird beispielsweise ein bestimmter Batterietyp für einen bestimmten Teil der Fahrt genutzt, zum Beispiel im Stau in der Stadt, und ein anderer für eine Autobahnfahrt, bei der die volle Energie zur Verfügung stehen soll, kann das durchaus vorteilhaft sein. Damit wird das Power-Management zwar deutlich komplexer, »die Gesamtkosten können aber dennoch sinken«, ist sich Morgan sicher.
Darüber hinaus gibt es natürlich noch diverse andere Batterietypen, zum Beispiel Festkörperbatterien. Allerdings siedelt Morgan diese derzeit noch im Forschungsstatus an. Dementsprechend ist er überzeugt, dass im nächsten Entwicklungsschritt vor allem LFP-, Nickel-Metallhybrid-Batterien und ähnliche Batteriechemien die größten Chancen für einen Serieneinsatz haben. Mit Blick auf Wasserstoff erklärt er: »Wasserstoff wird zwar vielfach diskutiert, aber bislang sieht es so aus, dass diese Technologie selbst in Lkws kein Selbstläufer ist. Auch wenn die Technologie ökologisch Vorteile hat: Bislang spricht die Wirtschaftlichkeit dagegen. Das mag sich langfristig ändern, aber jetzt spricht die Wirtschaftlichkeit auf alle Fälle für Batteriefahrzeuge.« Und das Argument, dass mit Wasserstoff weniger Ladeinfrastruktur notwendig ist, kommentiert Morgan lapidar folgendermaßen: »Das zeigt ebenfalls, dass die fehlende Infrastruktur für Batteriefahrzeuge ein Problem ist.« Aber an diesem Problem werde in vielerlei Hinsicht gearbeitet. »Wir werden immer mehr Ladestationen in den Städten und entlang der Autobahnen sehen. Auch große Öl- und Gasunternehmen arbeiten beim Aufbau der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge mit.«
Laut Morgan wird die BMS-Plattform von ADI derzeit bei 16 der 20 weltweit führenden EV-OEMs eingesetzt. Aufbauend auf dieser Plattform arbeite ADI heute mit vielen OEMs, Tier-1-Zulieferern, Batterieherstellern, Energieversorgern und anderen Interessengruppen zusammen, um ein Informationsökosystem aus EV-Batteriedaten zu entwickeln, das bisher nicht möglich war.
Morgan ist überzeugt, dass ADI dank seiner 58-jährigen Geschichte über besonders gute Fähigkeiten verfügt, wenn es um hochgenaue Messungen geht. Morgan: »Und mit Blick auf die Zukunft gehen wir noch weiter. Tatsächlich fassen wir das ADI-Recharge-Portfolio in drei Plattformbereichen zusammen, die wir als ‚Intelligent Edge for Electrification‘ bezeichnen. Jeder Plattformbereich entspricht der Art und Weise, wie wir mit Energie im Ökosystem interagieren können: Energiemanagement, Energieumwandlung und Energiespeicherung.« Die Daten beginnen mit einer präzisen Messung, ohne eine solche Messung gibt es keine Daten. »Es ist der Messprozess selbst, der die Daten erzeugt. In diesem analogen Bereich, den wir als ‚Edge of the Edge‘ bezeichnen, beginnen und enden typische analoge Systeme.« Im Anschluss daran folgt das »intelligente Edge«. Zu dieser Ebene gehören Funktionen wie Datenverarbeitung, Zellenüberwachung, Echtzeit-Sicherheitsschleifen und Batterieinformationen. Morgan: »Die Interaktion mit dem Intelligent-Edge-System erfolgt über die BMS-API von ADI mit dem zentralen Controller, der entweder kabelgebundenes oder kabelloses BMS unterstützt.« Morgan erklärt abschließend, dass der globale Trend zur Dekarbonisierung nicht nur gut für den Planeten ist, sondern auch gut für die Geschäfte der Halbleiterhersteller.