In einer Analyse des Umweltbundesamts vom April dieses Jahres heißt es, dass die CO2-Emissionen im Straßengüterverkehr zwischen 1995 und 2020 um 17 Prozent gestiegen sind – und das trotz besserer Motoren, Abgastechnik und Kraftstoffqualität.
Das Umweltbundesamt bestätigt, dass Pkw und Lkw heute im Durchschnitt weniger Treibhausgase und Luftschadstoffe emittieren als noch 1995. So sanken die verkehrsleistungsbezogenen bzw. spezifischen Emissionen des Treibhausgases CO₂ bei Pkw um knapp fünf Prozent, bei Lkw sogar um mehr als 32 Prozent. Dennoch erhöhten sich die absoluten CO2-Emissionen im Betrieb des Straßengüterverkehrs zwischen 1995 und 2020 von 39,3 auf 45,9 Mio. Tonnen (17 Prozent), einfach weil mehr Lkw unterwegs sind.
Die Vorgabe lautet: Der CO2-Ausstoß muss bei neuen Lkw bis 2030 um 30 Prozent gesenkt werden. Im Pkw-Bereich ist die Batterietechnik derzeit die bevorzugte Alternative zum Verbrennungsmotor. Im Lkw-Bereich werden hingegen diverse Ansätze verfolgt, um die CO2-Emissionen zu senken. Dazu gehören Wasserstoff/Brennstoffzelle, LNG (Liquified Natural Gas, Flüssiggas) aber auch Oberleitungs-Lkw sowie batterieelektrische Lkw.
Nicht zu viele Alternativen? Jörg Starr, Vorsitzender der CEP (Clean Energy Partnership), kontert: »Das oberste Ziel aller Anstrengungen sollte es sein, unmittelbar und schnell CO2-Emissionen einzusparen.« Deshalb ist er überzeugt, dass unterschiedliche Technologien auf der Straße zu sehen sein werden, je nachdem, für welchen Einsatzzweck das Fahrzeug vorgesehen ist.
Übergangsphase
Ob sich eine Technologie durchsetzen wird, ist seiner Meinung nach weniger vom Reifegrad der Technik abhängig, sondern vielmehr von den für die Technologietransformation notwendigen Infrastrukturen. Starr: »So sind Batterie-Lkw zwar heute weitestgehend marktreif, jedoch fehlen die Netze, die in der Lage sind, die erwarteten 500.000 Lkw im Jahr 2030 in Europa mit ausreichend Strom zu versorgen – der Bedarf läge bei ungefähr einem Drittel des Gesamtladestroms. Die notwendige Anschlussleistung für Ladestationen an Tankstellen kann dann zudem schnell die Größenordnung von Kleinstädten annehmen.«
LNG hat gegenüber Lkws, die mit Wasserstoff oder batterieelektrisch angetrieben werden, zwar den Vorteil, dass das Flüssiggas unmittelbar genutzt werden kann, denn in diesem Fall sind Infrastruktur, Anbieter und Abnehmer bereits vorhanden, aber: »Diese Technologie hat den entscheidenden Nachteil, dass beim Verbrauch weiterhin bereits gebundenes CO2 lokal emittiert wird«, so Starr weiter. Das verhält sich mit Wasserstoff anders: wird er als grüner Wasserstoff produziert, fällt kein CO2 an und beim Verbrauch ebenfalls nicht. Starr weiter: »Gegenüber elektrischem Strom hat Wasserstoff zudem den Vorteil, als Energiespeicher jederzeit zur Verfügung zu stehen.«
Deshalb ist Starr der Überzeugung, dass es im Zuge der notwendigen Dekarbonisierung eine Phase geben wird, in der LNG noch eine Rolle spielt. Er ist aber auch überzeugt, dass die Parallelität der Alternativen in den 2040er-Jahren verringert werden muss, denn nur dann könne das Ziel der CO2-neutralen Gesellschaft erreicht werden. Starr weiter: »Die elektrische Mobilität mit grünem Wasserstoff und Brennstoffzelle und batterieelektrische Mobilität werden aufgrund der Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien koexistieren und sich gegenseitig befruchten.«
Betankungsstandards für Wasserstoff
Das Betanken gasförmigen Wasserstoffs bei 700 bar hat sich laut Starr für Pkw weltweit als Standard durchgesetzt – auch wenn es einzelne Hersteller gebe, die bei entsprechenden Reichweitenbegrenzungen auf die 350-bar-Technologie setzen. Anders sieht die Situation im Schwerlastbereich aus. »Abhängig von den Reichweitenbedarfen, ob also der Verteilverkehr oder die Langstrecke betrachtet wird, werden unterschiedliche Betankungsansätze verfolgt«, so Starr. Laut seiner Aussage werden derzeit folgende Betankungsformen entwickelt:
Er sieht diese Ansätze nicht in Konkurrenz zueinander, sondern betont die Synergien: »Denn vom Flüssigwasserstoff als Quelle kommend, können auch alle anderen Betankungsformen umgesetzt werden«, so Starr weiter. Zudem sei es für die Brennstoffzelle nicht relevant, in welchem Aggregatszustand der Wasserstoff vorliegt.
Für ihn stellt sich damit weniger die Frage, welche Betankungstechnologie sich durchsetzen wird, sondern vielmehr, wie die Wasserstoffdistribution der Zukunft aussehen wird. Wird der Wasserstoff flüssig mithilfe von Schiffen oder gasförmig über Pipelines importiert, oder wird er lokal produziert? Starr: »Dies sind politische, geostrategische und marktspezifische Fragen, auf deren Antworten die Betankungstechnologien werden reagieren können – dafür aber benötigen wir heute diese Vielfalt in den Betankungsansätzen.« Wie der Infrastrukturausbau für die Wasserstoffproduktion und -distribution in den nächsten Jahren und Jahrzehnten auch umgesetzt wird, Starr ist überzeugt: »Tankstellen, Lkw und Pkw werden darauf vorbereitet sein!«
Standards sind wichtig
Standards sind Vereinbarungen, um Teilnehmern mit ihren Produkten einen diskriminierungsfreien Zugang zu Märkten zu ermöglichen. Laut Starr verständigt sich die Industrie im Wasserstoffbereich zum Beispiel darüber, wie die Geometrien für die Betankungskupplung und ihr Gegenstück sein sollen, damit alle Kupplungs- und Tankhersteller ihre Produkte zueinander kompatibel entwickeln können. Starr weiter: »Dem gegenüber stehen proprietäre Lösungen, die den Ausschluss von Marktteilnehmern beinhalten. Vor diesem Hintergrund dienen Betankungsstandards also dazu, dass an jeder Wasserstoff-Tankstelle die Tanksysteme aller Tankhersteller betankt werden können. Für den Infrastrukturausbau sind solche Standards eminent, da hierüber überhaupt erst ein Markt mit unterschiedlichen Technologieanbietern entstehen kann.«