Um Automatisierungsgeräte mit Connectivity auszustatten, bieten sich FPGAs, ASICs und Kommunikationsprozessoren an. Multiprotokoll-Prozessoren wie die der Serie »Sitara« von TI haben gegenüber den anderen Arten einige Vorteile, wie Elizabete de Freitas, Industrial Solutions Marketing Manager EMEA bei TI, erläutert.
Markt&Technik: Welche Vor- und Nachteile haben Multiprotokoll-Prozessoren als Träger-Plattform für die Protokoll-Software in Automatisierungsgeräten gegenüber FPGAs und ASICs?
Elizabete de Freitas: Die meisten ASICs, die sich derzeit in Produktion befinden, sind von der Prozesstechnologie her nicht mehr auf dem neuesten Stand: Sie lassen in puncto Performance zu wünschen übrig und verbrauchen viel Strom. Standard-FPGAs haben den Nachteil, dass sie einen zusätzlichen Prozessor erfordern, um Industrial-Ethernet-Systeme oder Feldbusse integrieren zu können. Ohne Extra-Prozessor kommen nur neue, spezielle FPGAs aus. Zudem erfordern FPGAs generell mehr Programmierkenntnisse als Multiprotokoll-Prozessoren.
Die Multiprotokoll-Prozessoren der Serie »Sitara« brauchen von vornherein keinen zusätzlichen externen Prozessor: Sie haben einen ARM-Cortex-A8-Prozessorkern für die Applikation und ein PRU-ICSS (Programmable Realtime Unit – Industrial Communication SubSystem) für die Kommunikation integriert. Ihr entscheidender Vorteil ist aber, dass sie innerhalb der Baureihe auf allen Ebenen skalierbar sind. So gibt es Versionen mit unterschiedlicher Taktfrequenz, unterschiedlichen Ausbaustufen und mit oder ohne 3D-Grafikbeschleuniger für HMI-Applikationen. Alle Varianten sind hundertprozentig Pin-kompatibel, was eine hohe Anwendungs-Flexibilität mit sich bringt. Anwender benötigen nur eine Prozessorfamilie für verschiedene Applikationen wie Steuerung, Motion Control und HMI.
Für die genannten Anwendungen haben die »Sitara«-Bausteine eigentlich keine Nachteile.
Beschränkt sich die Skalierbarkeit auf die Hardware-Seite oder ist sie auch auf der Software-Seite gegeben?
Die Skalierbarkeit betrifft nicht nur die Hardware-, sondern auch die Software-Seite. Als Zubehör zum »Sitara« gibt es diverse Software- und Hardware-Development-Kits, mit denen Anwender ihre eigenen Systeme evaluieren können. Für Benutzer, die Anpassungen an ihren Systemen vornehmen wollen, stehen Industrial-Software-Development-Kits (SDKs) zum Download bereit. Kombinieren lassen sich die SDKs entweder mit einem Echtzeitbetriebssystem, wie zum Beispiel dem TI-eigenen SysBios, oder mit Linux, Android bzw. Windows Embedded Compact.
Anwender haben obendrein die Wahl zwischen verschiedenen Starterkits, wobei alle einen »Sitara«-Prozessor mit PRU-ICSS sowie Expansion Pins für selbst definierte Funktionserweiterungen integriert haben. Erhältlich ist beispielsweise ein Starterkit mit 3D-Grafikbeschleuniger für HMI-Anwendungen und einer mit Motion-Control-Kit für die Bewegungssteuerung.
Lassen sich die Starterkits direkt in Automatisierungsgeräte einbauen?
Generell sind die Starterkits für die Entwicklung und Evaluierung gedacht. Es gibt jedoch inzwischen zahlreiche Dritthersteller, die einbaufertige Kommunikationsmodule auf Basis des »Sitara« anbieten.
Kann ein und derselbe »Sitara«-Baustein mehrere verschiedene Feldbus- oder Industrial-Ethernet-Schnittstellen zugleich implementiert haben bzw. mehrere verschiedene Protokoll-Stacks gleichzeitig abarbeiten?
Bisher nicht. Jeder »Sitara«-Baustein hat ein PRU-ICSS integriert, so dass er ein industrielles Protokoll, also üblicherweise ein Feldbus- oder Industrial-Ethernet-Protokoll, abzuarbeiten vermag. Um verschiedene Protokolle gleichzeitig ablaufen zu lassen, bräuchte er entsprechend mehrere komplette PRU-ICSS. Diese Regel kennt einige Ausnahmen: Weil die Bausteine außerhalb des PRU-ICSS separate CAN- und 10/100/1000-MBit/s-Ethernet-Schnittstellen haben, sind Kombinationen aus CAN bzw. Standard-Ethernet-TCP/IP und dem im PRU-ICSS verankerten Protokoll möglich.
Technisch ist es allerdings durchaus machbar, unterschiedlich leistungsfähige ARM-Cores mit mehreren PRU-ICSS zu kombinieren, um entsprechend viele industrielle Protokolle in einem einzigen Chip zu beherbergen.
Wodurch werden die »Sitara«-Bausteine dann zu Multiprotokoll-Prozessoren?
Momentan sind von TI für den »Sitara« die Protokolle Profibus, Profinet, EtherCAT, Sercos III, Powerlink, EtherNet/IP und EnDat verfügbar oder zumindest im Entwicklungsprozess. Auch proprietäre Protokolle lassen sich einprogrammieren – Anwender haben hier alle Freiheiten. Prinzipiell kann der »Sitara« alle denkbaren Protokolle beherbergen – weder die Technik noch TIs Unternehmensstrategie setzt dem Grenzen. Entscheidend ist dabei, dass Kunden auch nachträglich per Mausklick entscheiden können, welches Protokoll im PRU-ICSS laufen soll. Sie müssen in das PRU-ICSS nur eine Firmware laden, die das Subsystem für ein bestimmtes Protokoll konfiguriert und das Protokoll implementiert, um beispielsweise EtherCAT Slave durch Powerlink zu ersetzen. Der ARM-Cortex-A8-Prozessorkern lädt dabei die Firmware und spielt sie in das PRU-ICSS hinein. Auf diese Weise können Anwender auch alle Topologien, ob Linien-, Stern- oder Ringtopologie, in das PRU-ICSS implementieren. Die Firmware wird von TI bereitgestellt und lässt sich von der TI-Website herunterladen.
Nochmal in Kürze: Wenn Anwender eine Applikation erstellen, etwa EtherCAT Slave, gehen sie auf die TI-Website und laden von dort das Industrial Software Development Kit herunter. Dieses umfasst die EtherCAT-Slave Firmware und den Stack sowie ein Applikationsbeispiel. Der ARM-Kern überträgt hierbei den EtherCAT-Slave-Stack in das PRU-ICSS.
Welche technischen Kenntnisse brauchen Anwender überhaupt noch, wenn sie den »Sitara« in Automatisierungsgeräte implementieren wollen?
Mit dem Industrial Development Kit bekommen unsere Kunden ein einfach zu nutzendes Tool an die Hand, mit dem sie Entwicklungszeit und -ressourcen optimieren können. Dadurch können sie sich ganz auf ihre eigene Anwendung konzentrieren.