ADI ist eines der letzten Unternehmen, die noch dediziert DSPs anbieten und diese auch so nennen, hinzu kommen Prozessoren und MCUs. Der Umsatzanteil mit diesen Computing-Bausteinen liegt bei 8 Prozent. Die Margen in diesem Bereich liegen meist deutlich unter denen von Analogkomponenten. Selbst über TI wurde schon spekuliert, das Unternehmen würde sich aufgrund der schlechten Margen aus diesem Computing-Bereich komplett zurückziehen. Warum halten Sie trotzdem an diesem Bereich fest und entwickeln neue Produkte?
Ich kann natürlich nicht die Gerüchte über TI kommentieren, aber ADI unterscheidet sich in einem Punkt vollkommen von TI: Texas Instruments bietet ein breites Produktspektrum an Computing-Devices an. Wir sind kein MCU-Anbieter, und wir sind auch kein breit aufgestellter Hersteller von Computing-Devices. Wir entwickeln diese Komponenten ganz dediziert als Teil eines größeren Systems, in dem sie gebraucht werden. Zum Beispiel haben wir mithilfe unseres Systemverständnisses unsere neuen Controller speziell für Inverter und Motorsteuerungen optimiert und sie mit den entsprechenden Analogfunktionen versehen. Unsere Kunden sind sehr glücklich darüber, dass dank einiger Zusatzfunktionen dieser ICs die Entwicklung von Umrichtern deutlich vereinfacht wurde. Wenn hier nicht viel Analogfunktionalität gefordert wäre, hätten wir auch keinen Controller entwickelt. Und das gilt für die meisten Controller: Sie weisen alle einen sehr hohen Analoganteil auf. Außerdem glauben wir, dass Wissen über den Digitalbereich wichtig ist. Hätten wir es nicht, würde sich das negativ auf den Rest unseres Geschäfts auswirken. Die Digitaltechnik unterstützt also unsere Analogtechnik. Hinzu kommt noch, dass MCU-Hersteller viel über den integrierten Prozessorkern sprechen und den A/D-Wandler als Peripheral betrachten. Bei uns ist es umgekehrt: Der A/D-Wandler steht im Mittelpunkt, der Prozessorkern hat hingegen eine Support-Funktion.
Sind die unterschiedlichen Margen also gar kein Problem?
Nein, die Margen im Digitalbereich liegen zwar unter unseren öffentlich publizierten 65 Prozent für das Gesamtunternehmen, aber der Abstand liegt in einem vernünftigen Rahmen. Wenn eine unserer Technologien eine Marge generiert, die deutlich unter den 65 Prozent liegt, dann lässt sich mit ihr nicht der Mehrwert für den Kunden erzeugen, den wir erzeugen wollen, und dann würden wir uns davon trennen. Wir entwickeln also nur die Prozessoren, die einen Mehrwert für die Signalkette und für den Rest des Geschäfts ergeben. Außerdem haben wir uns dazu entschieden, in Zukunft die Umsatzanteile, die wir mit Wandlern, Prozessoren etc. erzielen, nicht mehr einzeln anzugeben, weil diese Umsätze alle miteinander verbunden sind.
ADI ist technologisch und auch im Umsatz das führende Unternehmen unter den Herstellern von Wandlern. Besteht hier überhaupt noch die Möglichkeit, diese Position zu verbessern?
Die Anforderungen im Markt nach Messen und Wandlung ist immer noch da, der Bedarf wächst sogar noch. Und auch wenn heute 8- oder 12-Bit-Wandler sowohl von uns als auch von anderen Unternehmen zunehmend in andere ICs oder Module integriert werden, ist diese Entwicklung gut für uns. Denn wenn eine Funktion nur als Building-Block existiert, läuft sie Gefahr, ein Commodity-Produkt zu werden. Das passierte den Wandlern in den 90er-Jahren. Das hat sich aber wieder geändert, weil die Wandler heute Teile eines größeren Systems sind. Hinzu kommt, dass die Anforderungen an Leistungsaufnahme und Performance im Wandlerbereich ebenfalls weiter steigen. Es gibt immer noch Nachfrage nach immer schnelleren Wandlern, das gilt vor allem für Tester für Mobilgeräte.
Analog Devices erzielt ein Viertel seines Umsatzes mit Produkten, die innerhalb der letzten fünf Jahre auf den Markt gebracht wurden, ein Drittel mit Produkten, die über zehn Jahre alt sind. Auch wenn ADI vorwiegend in Märkten aktiv ist, die sich durch langfristige Lebenszyklen auszeichnen, klingen diese Zahlen, als ob ADI mit überalterten Produkten erfolgreich sei, zumal heute ja wohl nicht mehr viel Geschäft mit einem 12-Bit-Wandler zu machen sein dürfte, denn diese Funktion steckt in fast jedem Controller.
Es stimmt zwar, dass heute Wandler auf Controllern zu finden sind, aber auch wenn sie eine hohe Auflösung haben, hinken sie in Genauigkeit, Linearität und Genauigkeit bei der Messung den diskreten Wandlern noch weit hinterher. Außerdem werden Wandler schon seit Ewigkeiten in Controller integriert, der Druck aus dieser Richtung hat also nicht zugenommen. Hinzu kommt, dass das Rauschen in vielen Anwendungen ein Problem ist. Wenn man einen Wandler mit einer CPU kombiniert, ist das immer ein Kompromiss, die passen nicht wirklich gut zusammen. Hier müssen also immer Tricks angewandt werden. Außerdem entfällt mit der Integration für den Kunden auch die Möglichkeit zu skalieren, denn dann ist die Auflösung fest vorgegeben. Setzt er auf eine diskrete Kombination, hat er viel mehr Möglichkeiten, und das ist für viele Kunden ebenfalls ein Argument, CPU und Wandler getrennt zu halten.
Und zur Frage des überalterten Produktspektrums: Für Kunden sind drei Punkte entscheidend: Einfaches Design, Planbarkeit für die Systementwicklung und drittens: niemals ein Redesign. Viele unserer Industriekunden halten sehr lange an ihren Plattformen fest. Sie wären alles andere als erfreut, wenn wir Produkte abkündigen würden. Das gilt natürlich für Militäranwendungen noch einmal im gesteigerten Maße. Ihre Frage hat natürlich ihre Berechtigung, und ich kann nur sagen, dass wir sehr genau darauf achten. Wir haben ein genau definiertes Wachstumsziel, und wir als ein Salesteam sind immer darauf fokussiert, was in der Entwicklungs-Pipeline steckt und ob das unser Wachstumsziel unterstützt. Wir schauen natürlich auch darauf, ob der Anteil des Umsatzes mit neuen Produkten unsere Wachstumsziele unterstützt. Das sind wichtige Fragen. Wenn wir hier Veränderungen in die falsche Richtung wahrnehmen, muss natürlich korrigierend eingegriffen werden. Das ist wie bei den Margen: Werden sie nicht erreicht, zeigt das, dass die Technologie nicht stimmt. Erzielen die Neuentwicklungen nicht die Umsätze, die wir erreichen wollen, sind die Neuentwicklungen falsch. Das messen wir die ganze Zeit. Die von Ihnen erwähnten Umsatzanteile sind meines Erachtens typisch für die Industrie und kein Phänomen, das nur ADI betrifft. Um hier wirklich große Veränderungen zu erreichen – sagen wir, dass der Umsatzanteil mit neueren Produkten von 25 auf 50 Prozent angehoben werden soll –, dann müssten wir die Strategie ändern, dann müssten wir uns auf anderen Marktsegmente fokussieren. Wir sind der Meinung, dass die 25 Prozent mit neuen Produkten ausreichen, um unsere Wachstumsziele zu erreichen. Genau diese konservatives Verhalten und die langfristige Strategie stellen für viele unserer Kunden einen wichtigen Pluspunkt von ADI dar, denn für sie ist die Abkündigung von Produkten ein echtes Problem. Wir verkaufen heute noch Produkte, die wir vor 25 Jahren auf den Markt gebracht haben und liefern sie an unsere Kunden aus – falls es wirtschaftlich sinnvoll ist. Wir haben aber auch schon Produkte abgekündigt, wo das eben nicht der Fall war.
Das Interview führten Heinz Arnold und Iris Stroh