Beziehen sich die Low-Code-Fähigkeiten von Mendix auch auf die Feld- und die Steuerungsebene in Automatisierungssystemen oder gibt es da Überschneidungen mit dem TIA-Portal (TIA: Totally Integrated Automation) von Siemens?
Es gibt Synergien, nicht Überschneidungen; Synergien, weil das TIA-Portal faktisch eine Engineering-Umgebung ist und Kollaboration von unterschiedlichen Abteilungen erfordert wie beispielsweise auch Teamcenter. Insofern eröffnet Mendix die Chance, TIA in ähnlicher Weise um zusätzliche Funktionen, Integrationen oder bessere UX anzureichern. Zudem lässt sich mit Mendix die installierte Basis von Kunden, die bis dahin nicht mit Systemen und Produkten von Siemens gearbeitet haben, nahtlos in die Siemens-Technologie einbinden. Das ist ein großer Mehrwert von Mendix innerhalb des Siemens-Portfolios: Mendix schafft Erweiterungsmöglichkeiten von Siemens-Produkten gegenüber externen Systemen, welche die Kunden entweder von anderen Anbietern bezogen oder selbst entwickelt haben.
Low Code eröffnet diesen Kunden die Chance, ihre installierte Basis bei den nächsten Digitalisierungsschritten mitzunehmen. Denn die Unternehmen verfolgen eine »Keep-the-Core-clean-Strategie«, wollen also ihr Kerngeschäft sauber halten, sprich: das aufrechterhalten, was sie aufgebaut haben, bevor Low Code ins Spiel gekommen ist. Mit Low Code können sie einfach einen Layer, also eine Oberfläche darüber anlegen, die Komplexität extrahieren und somit alle Systeme, die sie einsetzen, miteinander verknüpfen.
Wie können Kunden Automatisierungsgeräte und Steuerungen von Drittherstellern in Anwendungen mit hinzukommenden Simatic-Produkten konkret kooperieren lassen?
Das TIA-Portal war natürlich zunächst darauf ausgerichtet, alles Nötige und Mögliche perfekt für die Simatic-Produkte und -Lösungen zu bieten. Dies wird immer so bleiben, aber zusätzlich gibt es in der Cloud jetzt die Möglichkeit, über Mendix in auf Simatic abgestimmten Applikationen auch Daten von Steuerungen anderer Hersteller zu integrieren, und zwar in einer offenen Art und Weise. Dafür investieren wir gerne, wenn Kunden dies wünschen, auch in Konnektoren, die Daten von Steuerungen anderer Hersteller mitnehmen. Sprich: wir investieren in vorgefertigte Komponenten, die den Kunden ermöglichen, ihre eigenen Applikationen zusammenzustellen, wie sie möchten. Und wir wollen weg von dem Gedanken, ich brauche nur ein Tool für die Erledigung meiner Engineering-Aufgaben, hin zu dem Gedanken, ich brauche eine horizontale Ebene, auf der ich mehrere Domänen integrieren kann, um Applikationen noch effizienter zu entwickeln.
Inwieweit ist es möglich, Programmierergebnisse beispielsweise aus Teamcenter zu extrahieren und in Mendix im Low-Code-Modus bereitzustellen?
Es ist durchaus möglich, in Teamcenter erstellte Entwicklungen mitsamt ihrer Datenkomplexität zu extrahieren und in Mendix zur Verfügung zu stellen, sodass auch Kollegen ohne Teamcenter-Programmierkenntnisse damit arbeiten können. Dies ist allerdings nicht mit einer einfachen Konnektoren-Strategie zu bewerkstelligen. Um derart komplexe Entwicklungsresultate in die Low-Code-Sprache von Mendix umwandeln zu können, sind Ansätze wie REST-API (Representational State Transfer – Application Programming Interface) oder OData (Open Data Protocol) erforderlich. Dafür braucht es Entwicklungsressourcen, die wir bei Mendix bereitstellen.
Dieser Composable-Ansatz – ich stelle mir alles so zusammen, wie ich will – ist eine Bereicherung für die einzelnen Produkte, ob Teamcenter, Opcenter, NX oder TIA-Portal. Mendix eröffnet die Möglichkeit einer Erweiterung und Anpassung, die so abgestimmt ist, wie Anwender das für ihre Belange wünschen. Insofern lässt sich Mendix als die eigentliche Basis zur Personalisierung und Erweiterung des Siemens-Xcelerator-Portfolios betrachten. Letztlich extrahieren wir komplexe Module aus unseren Software-Produkten und machen sie mit Mendix anwendbar für alle Programmierer, ob erfahren oder Neulinge.
Andererseits ist die Low-Code-Technologie von Mendix für Siemens auch ein Weg, die eigenen Software-Produkte einfacher zu gestalten. Im Rahmen von Opcenter wurde vor Kurzem ein MES-Produkt mit integriertem Low-Code vorgestellt, mit dem Kunden flexibel das Kern-MES personalisieren und weitere Applikationen und Datenkompositionen entwickeln können. Es eröffnet ihnen die Chance, für die Opcenter-Daten und -Funktionalitäten jede beliebige Anpassung beziehungsweise Erweiterung sofort zu betreiben und somit die Ziellösung noch besser gemäß den eigenen Anforderungen zu gestalten – mit Low-Code. In Zukunft wird noch viel Entsprechendes kommen.