Eine einheitliche Plattform ist nötig

Cybersichere Vernetzung für Industrie 4.0

26. August 2024, 11:52 Uhr | Von Rolf Horn
Bild 1: In Automatisierungssystemen der Industrie 4.0 verwendete Vernetzungsebenen von IO-Link in der Fabrikhalle bis zu MQTT und OPC UA, die übergeordnete Unternehmenssysteme und die Cloud erreichen
© Omron Automation

Auch im Zeitalter von Industrie 4.0 gibt es auf dem Shopfloor verschiedene Netzwerkebenen. Um sie cybersicher miteinander und mit der Cloud zu verbinden und obendrein durchgängige Safety zu realisieren, bedarf es einer einheitlichen Plattform.

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Eine einheitliche und cybersichere Industrie-4.0-Implementierung erfordert mehrere Stufen der Vernetzung. Die erste Ebene der Vernetzung beginnt in der Fabrikhalle mit der Steuerung einzelner Geräte einschließlich Maschinen, Robotern, Sensoren und Rückverfolgbarkeits-Lösungen. Die zweite Ebene der Vernetzung erstreckt sich auf die mittlere Automatisierungsebene mit Mensch-Maschine-Schnittstellen (HMI) und Maschine-zu-Maschine-Kommunikation (M2M). Die höchste Ebene der Vernetzung verbindet die Informationstechnik (IT) und die Betriebstechnik (OT) des Unternehmens, um die gesamte Logistik zu koordinieren sowie Effizienz und Produktivität zu maximieren (Bild 1).

Um die unterschiedlichen Anforderungen an die Vernetzung zu erfüllen, ist eine Automatisierungsplattform erforderlich, die mehrere offene Protokolle wie EtherCAT, FSoE (FailSafe over EtherCAT, auch Safety over EtherCAT genannt), EtherNet/IP (EtherNet Industrial Protocol), CIP Safety (Common Industrial Protocol) und IO-Link für den Anschluss von Maschinen, Maschinensteuerungen, Sensoren, Bildverarbeitungssystemen, Sicherheitsgeräten und HMIs unterstützt.

Der Datenaustausch-Standard OPC UA (Open Platform Communications – Unified Architecture) ist erforderlich, um die Konsolidierung, gemeinsame Nutzung und sichere Sichtbarkeit von Daten im gesamten Unternehmen zu unterstützen. Schließlich ist eine Softwareplattform vonnöten, die Konfiguration, Programmierung, Simulation und Überwachung mit einer intuitiven Benutzeroberfläche integriert und es den Ingenieuren ermöglicht, Prozesssteuerung, Motorsteuerung, Sicherheit, Bildverarbeitung und Robotik in einem System zu verwalten.

Anhand von Produktbeispielen des Automatisierungstechnik-Herstellers Omron Automation lassen sich die verschiedenen Automatisierungsebenen von IO-Link und intelligenter Sensorik über EtherCAT für Echtzeit-Maschinensteuerung und Bildverarbeitungssysteme bis hin zu EtherNet/IP für Fabrikautomatisierungs-Netzwerke erläutern. Zudem lässt sich zeigen, wie OPC UA die Fabrik mit übergeordneten Unternehmens-Netzwerken und der Cloud über MQTT (Message Queuing Telemetry Transport) und andere Standardprotokolle verbindet. Die Software »Sysmac Studio« von Omron hat die Aufgabe, die einzelnen Elemente miteinander zu verknüpfen.

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Safety, Sensoren und Servos

Auf der untersten Ebene des Automatisierungsnetzes befinden sich Sensoren, Safety-Steuerungen, Motorantriebe und Servos, die spezifische Anforderungen an die Vernetzung stellen. IO-Link unterstützt intelligente Sensorik, und EtherCAT verbindet die verschiedenen Motorsteuerungs-, I/O-, Sicherheits- und Bilderfassungs-Subsysteme zu einem Echtzeit-Maschinennetzwerk.

I/O-Einheiten

Um die Vielfalt der Sensoren in Industrie-4.0-Fabriken zu unterstützen, bedarf es einer breiten Palette von I/O-Einheiten. Die »Sysmac-NX«-I/O-Einheiten von Omron umfassen über 120 Modelle und unterstützen eine Vielzahl von Protokollen, darunter IO-Link für den Anschluss von Sensoren sowie EtherCAT und EtherNet/IP für die Verbindung mit Antriebs-, Sicherheits-, Bildverarbeitungs- und anderen Steuerungen. Die I/O-Einheiten unterstützen auch die Protokolle FSoE und CIP Safety.

Safety-Controller

Safety ist ein entscheidender Aspekt der Fabrikautomatisierung. Die Safety-Controller der Serie »NX Integrated« von Omron unterstützen robuste Safety-Systeme, die PLe gemäß EN 13849-1 und SIL3 gemäß IEC 61508 erfüllen, einschließlich FSoE-Vernetzung. Darüber hinaus können EtherNet/IP-Kopplereinheiten wie der NX-EIC202 integrierte NX-Safety-Steuerungen mit einem EtherNet/IP-Multivendor-Netzwerk, den I/O-Einheiten der NX-Serie und anderen Safety-Units verbinden.

Die CPU des Safety-Controllers kann bis zu 128 Safety-I/O-Units steuern. Die Safety-I/O-Units lassen sich mit jeder beliebigen Kombination von Standard-NX-I/O-Einheiten verwenden. Um die Geschwindigkeit und Flexibilität der Implementierung weiter zu erhöhen, lassen sich Sicherheitsprogramme standardisiert und effizient wiederverwenden, indem Program-Organization-Units (POUs) verwendet werden, die in IEC 61131 für Design und Betrieb definiert sind.

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Bild 2: NX1P-Steuerungen können EtherCAT-Vernetzung nutzen, um bis zu acht Bewegungsachsen zu unterstützen, z. B. acht 1S-AC-Servoantriebe.
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KI-basierte Bildverarbeitung

Automatisierte Bildverarbeitungssysteme auf Basis künstlicher Intelligenz (KI) können die Produktivität in einer Vielzahl von Industrie-4.0-Anwendungen wie Roboterführung, Codelesen und -überprüfung, Farbprüfung, Zählung, Fehleridentifizierung, optische Zeichenerkennung (OCR) und optische Zeichenüberprüfung (OCV) sowie An- und Abwesenheitserkennung steigern.

Die Entwicklung und der Einsatz KI-basierter Bildverarbeitungssysteme kann eine komplexe und zeitaufwendige Tätigkeit sein. Die FH-Serie von Omron umfasst die Hardware und Software, die zur schnellen Implementierung verschiedener KI-basierter Bildverarbeitungsanwendungen erforderlich ist. Das Modell FH-2050 beispielsweise kann zwei Kameras unterstützen. Darüber hinaus bietet es wie auch die anderen Modelle der FH-Serie eine breite Palette von Anschlussmöglichkeiten einschließlich EtherCAT, EtherNet/IP, Standard-Ethernet-TCP/IP, Profinet, RS-232 und USB, wodurch es sich nahtlos an vielen Stellen in Industrie-4.0-Fabriken einfügen lässt.

Bei der Massenindividualisierung, einem Markenzeichen von Industrie-4.0-Produktionslinien, kann die automatische Sichtprüfung eine Herausforderung darstellen. Bis vor Kurzem waren erfahrene menschliche Inspektoren erforderlich, um Produktfehler zu erkennen. Heute ist die KI so weit, dass sie Objektmerkmale und Defekte – von Schönheitsfehlern bis hin zu Kratzern – genauso gut erkennen kann wie menschliche Inspektoren. Darüber hinaus kann KI Machine-Learning umfassen, um die kontinuierliche Verbesserung und Anpassung an neue Anforderungen zu unterstützen.

Servos

Servos und Antriebe sind ein integraler Bestandteil von Industrie-4.0-Fabriken. Die 1S-Servotechnologie von Omron unterstützt Einheiten von 50 W bis 15 kW. Das Modell R88D-1SN15H-ECT beispielsweise ist ein 1,5-kW-Servoantrieb, der für eine ein- und dreiphasige Eingangsspannung von 200 bis 240 V AC ausgelegt ist. Es ist kompatibel mit dem Servo R88M-1L1K530T-BS2, der eine Leistung von 1,5 kW und 3000 Umdrehungen pro Minute bei einem Drehmoment von 4,77 Nm aufweist. Wie alle 1S-Servos verfügt auch diese Einheit über folgende Eigenschaften:

  • hochauflösender mehrgängiger 23-bit-Drehgeber
  • direkte Motorbremsensteuerung mit integriertem Relais
  • eingebaute Sicherheitsfunktionen
  • fest verdrahtete, sichere Drehmomentabschaltung, die PLe gemäß EN ISO 13849-1 und SIL3 gemäß IEC 61508 erfüllt
  • FSoE-sicheres Abschaltmoment, das PLd nach EN ISO 13849-1 und SIL2 nach IEC 61508 erfüllt

Sowohl das festverdrahtete als auch das FSoE-sichere Abschaltmoment entspricht der EN 61800-5-2 (Safe Torque Off, STO). Eine festverdrahtete Lösung kann die Leitung durch Unterbrechung der Hauptstromversorgung zum Stillstand bringen. FSoE unterstützt differenziertere Reaktionen und kann einen sicheren Betriebsstopp-Befehl senden, der nur die Motoren in dem betroffenen Bereich verlangsamt. FSoE kann auch einen sicheren Stopp-Befehl senden, um die Motoren bei Bedarf anzuhalten.

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Bild 3: NX502-Controller (Mitte) können alle Funktionen vereinen, die für die Umsetzung von Industrie-4.0-Automatisierungsnetzwerken erforderlich sind.
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Maschinensteuerungen

Maschinensteuerungen wie die Serie NX1P2 von Omron können zwei Funktionen erfüllen. Sie lassen sich zur direkten Steuerung verschiedener Servos und anderer Maschinen auf der EtherCAT-Ebene der Echtzeit-Maschinensteuerung verwenden, und sie können eine Verbindung bis zur EtherNet/IP-Ebene der Fabrikautomatisierung herstellen.

Die Maschinensteuerungen bieten eine integrierte Ablauf- und Bewegungssteuerung und lassen sich über EtherCAT mit bis zu acht gesteuerten Achsen verbinden (Bild 2). Sie unterstützen außerdem EtherCAT-Steuerungsnetzwerke und EtherNet/IP-Vernetzung für die Anbindung an Fabrikautomatisierungs-Steuerungen. Integriert sind Steckplätze für zwei Optionskarten mit erweiterten Anschlussmöglichkeiten einschließlich serieller Kommunikation und analoger I/Os. Die Steuerungen entsprechen vollständig den Programmierstandards nach IEC 61131-3, um die Inbetriebnahme zu vereinfachen und zu beschleunigen.

Der NX1P von Omron ist ein All-in-One-Controller, der Motion, Bildverarbeitung, Safety-I/O, Networking und IoT-Connectivity steuern kann. Für komplexere Anwendungen zur Maschinensteuerung, die bis zu 254 CIP-Sicherheitsverbindungen, bis zu 62 Bewegungsachsen, 256 EtherCAT-Knoten, 1-Gbit/s-EtherNet/IP-Ports und OPC UA umfassen, lassen sich die Sysmac-Controller NX502 verwenden.

High-End-Maschinensteuerung

Die NX502-Controller eignen sich für die EtherCAT- und EtherNet/IP-Netzwerkebene und verfügen über MQTT-, OPC-UA- und SQL-Funktionen (Structured Query Language) für die Anbindung an die IT- und OT-Systeme des Unternehmens sowie an die Cloud. Sie verfügen über Steckplätze für bis zu vier EtherNet/IP-Erweiterungskarten mit Datenübertragungsraten von bis zu 1 Gbit/s. Jede EtherNet/IP-Karte schafft ein Subnetz, wodurch die Anzahl der zu steuernden Maschinen steigt und das Netzwerk auf Maschinenebene vom Datenbanknetzwerk und dem Netzwerk auf Werksebene getrennt wird. Durch die Segmentierung des Netzes wurde auch das Risiko von Cyberangriffen verringert, indem der Zugang zu den verschiedenen Teilnetzen eingeschränkt wurde.

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Bild 4: Die programmierbaren HMIs bieten zwei Ethernet-Anschlüsse und lassen sich wasserdicht machen.
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Die NX502-Controller stehen an der Spitze der Netzarchitektur und unterstützen eine Vielzahl von Steuerungs-, Informations- und Safety-Funktionen (Bild 3):

Steuerung

  • bis zu 32 Bewegungsachsen mit 250 μs Zykluszeit
  • Servosteuerung mit bis zu 64 Achsen
  • 80 MB Programmspeicher
  • 260 MB variabler Speicher

Information

  • OPC UA bietet sichere Vernetzung für MES- und ERP-Systeme
  • SQL-Funktion unterstützt den schnellen und zuverlässigen Direktzugriff auf Datenbanken und die Kommunikation von Produktionsdaten
  • MQTT unterstützt die direkte Verbindung zur Cloud und die sichere Datenerfassung
  • bis zu zehn 1-Gbit/s-EtherNet/IP-Ports für Hochgeschwindigkeits- und Hochleistungskommunikation mit Erweiterungseinheit

Safety

  • bis zu acht CIP-Safety-Netzwerke für die Modularisierung von Netzwerken und die Safety-Steuerung über Produktionslinien hinweg
  • bis zu 254 FSoE-Verbindungen für hohe Geschwindigkeit und hochzuverlässige Safety in großen Produktionslinien
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Bild 5: Die Software Sysmac Studio bietet umfassende Unterstützung für den Entwurf, die Verifizierung und den Betrieb von Industrie-4.0-Automatisierungsnetzwerken.
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Mensch-Maschine-Schnittstelle

Die programmierbaren HMI-Terminals der NA-Serie bieten Bedienern und Netzwerkingenieuren einen zuverlässigen und bequemen Zugang zu den Automatisierungs-Devices und -Netzwerken der Sysmac-Produktlinie. Die Breitbildterminals verfügen über zwei Ethernet-Anschlüsse, die den gleichzeitigen Zugriff auf ein Steuergerät und Wartungsarbeiten ermöglichen. Sie sind programmierbar, sodass benutzerdefinierte Benutzeroberflächen leicht zu implementieren sind.

Die HMIs sind in den Größen 7“, 9“, 12“ und 15“ erhältlich und eignen sich für eine Vielzahl von Anwendungsanforderungen. Die 12“- und 15“-Modelle bieten 1280 × 800 Pixel, während die 7“- und 9“-Modelle 800 × 480 Pixel haben. Bediener, die Handschuhe tragen, können den resistiven Touchscreen nutzen, der sich bei Bedarf wasserdicht machen lässt. Die Funktionstasten sind zur Vereinfachung der Benutzerinteraktion programmierbar (Bild 4).

Cybersichere Software

»Sysmac Studio« enthält umfassende und cybersichere Software-Tools für den Entwurf, die Überprüfung und den Betrieb industrieller Netzwerke. Es ermöglicht den Entwicklern von Netzwerken die Integration von Logik, Antrieb und Motorsteuerung, Robotik, Sicherheit, Visualisierung, Sensorik und Informationstechniken. Zu den wichtigsten Funktionen während des Entwurfs und der Prüfung (Bild 5) gehören

  • automatische Programmierung auf der Grundlage von Wahrheitstabellen mit Eingangs-, Ausgangs- und Stopp-Bedingungen von Safety-Devices
  • benutzerdefinierter Funktionsblock zur Unterstützung von Hilfedateien zur Beschreibung der Ein- und Ausgabebedingungen und der Programmfunktionalität; kann verschiedene Security Levels haben, um sie vor unbefugten Änderungen zu schützen
  • Offline-Simulation in einem separaten Computer ohne Anschluss der eigentlichen Hardware
  • Online-Funktionsprüfung integrierter Safety-Funktionen; Prüfergebnisse lassen sich als Bericht ausgeben

Die Software Sysmac Studio unterstützt auch den laufenden Betrieb und die Wartung. Die Ausfallzeit wird mittels einer SD-Speicherkarte mit Protokollierungs-Einstellungen und Safety-Datenprotokollierung minimiert. Anhand dieser Daten können Netzwerktechniker die Ursache eines unerwarteten Systemausfalls effizient ermitteln und entsprechende Präventiv- und Abhilfemaßnahmen ergreifen.

Die Safety-Unit führt einen automatischen Neustart der Konfiguration durch, um den Wartungsaufwand zu verringern:

  • Wiederherstellungsprogramme und -einstellungen werden auf einer SD-Karte in der Safety-Unit gespeichert. Wenn eine Safety-Steuerung ausgetauscht wird, lassen sich die gespeicherten Programme und Einstellungen schnell in das neue Gerät kopieren.
  • Wenn eine Safety-I/O-Unit ausgetauscht wird, lädt der automatische Konfigurationsneustart die Einstellungsdaten automatisch in die neue Safety-I/O-Unit herunter.

Letztlich unterstützen Sysmac-Automatisierungskomponenten und Software von Omron die kompletten Vernetzungsanforderungen für Fabrikautomatisierungs-Netzwerke in der Industrie 4.0. Ihre Möglichkeiten reichen von IO-Link für den Anschluss von Sensoren bis hin zu EtherCAT und EtherNet/IP für die Verknüpfung mit Motion-, Safety-, Vision- und anderen Steuerungssystemen. Sie unterstützen unter anderem die Protokolle FSoE und CIP Safety. Leistungsstarke Steuerungen und Software, die OPC UA, SQL und MQTT nutzen, sind verfügbar, um das Fabriknetzwerk mit den IT- und OT-Systemen des Unternehmens sowie der Cloud zu verbinden.

Der Autor:

Rolf Horn ist Applikationsingenieur bei DigiKey.


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