Siemens und Industrie 4.0

Der Weg zur Industrie 4.0 ist noch weit

26. März 2013, 19:17 Uhr | Andreas Knoll
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Management-Software über der PLM-Ebene erforderlich

Was ist aus Ihrer Sicht zur Umsetzung der Vision Industrie 4.0 noch erforderlich?

Im Zentrum stünde eine über der PLM-Ebene angesiedelte Management-Software, die Produktionsaufträge auf Internet-Basis organisiert, und zwar durch die Vernetzung global verteilter Produktionseinheiten. Die Software würde somit Aktionen zwischen autonom handelnden Maschinen und Anlagen steuern. Entscheidend ist auch ein ganzheitliches Engineering von Produkt und Produktionssystem über den gesamten Lebenszyklus. Der Engineering-Workflow muss durchgängig sein und den Produktionszyklus ganzheitlich abbilden, was entsprechende Software-Schnittstellen erfordert. Die mechatronischen Produktionseinheiten würden sich selbst optimieren und organisieren auf Basis einer Analyse virtueller Modelle der Handlungsoptionen. Simulationen, die die reale Welt virtuell abbilden, sind die Voraussetzung für eine solche Selbstorganisation.


Auf der Enterprise-Ebene sind also noch viele Herausforderungen zu meistern. Was muss sich auf der Ebene der einzelnen Automatisierungsgeräte tun, um die Vision Industrie 4.0 zu realisieren?

Programmieren, Konfigurieren und Parametrieren der einzelnen Automatisierungsgeräte müsste sich auf eine höhere Software-Ebene verlagern, optimalerweise auf die der Management-Software. Das gesamte Automatisierungssystem würde dann über die Management-Software programmiert, konfiguriert und parametriert. Alle Automatisierungsgeräte müssten dazu die Charakteristika von Embedded-Systemen mit lokaler Software haben, die mittels KI-Algorithmen (Künstliche Intelligenz) die Selbstorganisation der Geräte übernimmt. Zudem müssten sie in hohem Maße kommunikationsfähig sein, sowohl auf der Protokollebene als auch auf der Ebene der Software-Schnittstellen.


All dies klingt tatsächlich sehr visionär. Bei näherem Hinsehen zeigt sich aber, dass es vieles von dem, was im Zentrum der Industrie 4.0 stehen soll, in der Industrie 3.0 bereits gibt. Was ist also die Quintessenz dessen, was sich noch entwickeln muss, um die Vision Industrie 4.0 zu verwirklichen?

Die Quintessenz ist, das Vorhandene weiterzuentwickeln und zu vertiefen, vor allem aber: überhaupt erst anzuwenden und letztlich zu einem Ganzen zusammenzufügen, mithin Automatisierungstechnik und IT auf allen Ebenen mittels geeigneter (Schnittstellen-)Standards für Hard- und Software zu verschmelzen bis hin zu selbst organisierenden Systemen.


Apropos Ebenen: Was wird in der Industrie 4.0 aus der klassischen Automatisierungs-Pyramide?

Wie gesagt, organisieren und vernetzen sich die Produktionssysteme in der Industrie 4.0 selbst, und die Programmierung und Konfiguration verlagert sich zur Management-Software. Hieraus folgt, dass sich die Automatisierungs-Pyramide, die ja die Industrie-3.0-Welt repräsentiert, verflacht und tendenziell auflöst.


Für welchen Zeitpunkt erwarten Sie die Vollendung der Vision Industrie 4.0?

Ich rechne mit einem Zeitpunkt zwischen 2030 und 2050. Das Ganze ist also tatsächlich sehr weit in die Zukunft gerichtet.


Welche Hürden stehen der Entwicklung hin zur Industrie 4.0 im Weg?

Die Durchgängigkeit und Interoperabilität der Systeme erfordert natürlich deren Öffnung, was die IT-Sicherheit beeinträchtigt. Die Aufgabe der IT-Security lässt sich aber lösen - es gibt schon vielversprechende Ansätze hierzu.


Für größere Unternehmen mit auf der ganzen Welt verteilten Produktionsstätten ergäbe eine Produktion nach Industrie-4.0-Kriterien sicherlich Sinn. Was ist aber mit kleineren und mittelgroßen Unternehmen?

Für sie wird sich der IT-Aufwand, den die Gestaltung ihrer Produktion nach Industrie-4.0-Kriterien mit sich bringt, nicht unbedingt lohnen. Ob er sich lohnen könnte, muss für jeden Einzelfall neu definiert werden.


Hannover Messe: Halle 9, Stand D35


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