Das Dunkelsignal eines Bildsensors ist nicht konstant, sondern wächst linear mit der Belichtungszeit an:
Die Steigung dieser linearen Beziehung ist der Dunkelstrom μI in den Einheiten e-/(pixel · s), der mit Hilfe des Verstärkungsfaktors K auch in der Einheit DN/(pixel · s) angegeben werden kann. Je nachdem, wie viel zusätzliches Dunkelsignal man akzeptieren möchte, limitiert dies die maximale Belichtungszeit des Bildsensor und damit auch die minimale Bestrahlungsstärke in Photonen/s bzw W/cm², die der Sensor messen kann. Der Dunkelstrom ist daher im wesentlichen nur relevant für lange Belichtungszeiten.
Inhomogenitäten
Bisher wurden nur die mittleren Eigenschaften des Bildsignals betrachtet. Genauso wichtig für die Qualität eines Sensors ist aber auch, wie gleichmäßig der Dunkelwert und die Empfindlichkeit des Bildsensors sind. Diese beiden Größen werden „Dark Signal Non-Uniformity“ (DSNU) und „Photo Response Non-Uniformity“ (PRNU) genannt. Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass es ausreichend ist, die Standardabweichung bzw. Varianz der räumlichen Variationen anzugeben, wie dies auch beim zeitlichen Rauschen der Fall ist. Das wäre in der Tat so, wenn die räumlichen Schwankungen wie die zeitlichen Signalschwankungen von Pixel zu Pixel völlig unabhängig wären („weißes Rauschen“). Leider weist das räumliche Rauschen („Fixed Pattern Noise“) ein wesentlich komplizierteres Spek-trum auf. Deswegen sagt die Angabe der räumlichen Standardabweichung für sich alleine relativ wenig aus. Es lassen sich vier Klassen räumlicher Variationen unterscheiden:
Langsame Variationen. Diese degradieren die Bildqualität kaum, da das menschliche Auge diesen Effekt kaum bemerkt und auch die meisten Bildverarbeitungsoperationen kaum stört. Hinzu kommt, dass alle Optiken einen mehr oder weniger großen Abfall der Bestrahlungsstärke zum Rand des Sensors aufweisen, so dass dieser Teil der PRNU zusammen mit der benutzten Optik korrigiert werden muss.
Periodische Muster. Diese bemerkt das Auge sehr empfindlich und auch viele Bildverarbeitungsoperationen werden dadurch gestört. Ursache für periodische Muster im Bild sind typischerweise elektronische Interferenzen oder Übersprechen in der Kameraelektronik. Daher ist es notwendig, periodische Muster sorgfältig zu messen. Im EMVA-Standard 1288 können periodische Muster empfindlich durch Spek-trogramme (Berechnung des Leistungsspektrums durch Fouriertransformation) in horizontaler und vertikaler Richtung vermessen werden [1].
Zufällige Variationen. Dieser Teil der DSNU bzw. PRNU produziert wie die zeitlichen Fluktuationen ein weißes Rauschen. Dieser Anteil kann aus den Spektrogrammen berechnet werden und wird im Standard als „weiße“ Standardabweichung swhite angegeben und mit der totalen Standardabweichung verglichen, so dass die relative Stärke der periodischen Muster an den räumlichen Grauwertvarianzen angegeben werden kann („nonwhiteness factor“).
Ausreißer („defekte Pixel“). Dies sind einzelne Pixel, Pixel Cluster, Zeilen oder Spalten, die signifikante Abweichungen vom Mittelwert außerhalb der zu erwartenden Schwankungsbreite aufweisen. Im Extremfall sind dies tote Pixel ohne jegliche Response oder Pixel mit einem so hohen Dunkelstrom, dass sie immer übersteuert werden. Ausreißer können in logarithmischen Histogrammen des Dunkel- bzw. Empfindlichkeitsbilds empfindlich detektiert werden in Häufigkeit und Grad der Abweichung bis hinunter zu einzelnen Ausreißern.
Damit erlauben die Auswertemöglichkeiten des 1288-Standards eine gezielte Analyse aller möglichen Ursachen für Sensor-Inhomogenitäten sowohl bezüglich der DSNU als auch der PRNU.
Erweiterungen in Planung
Der Standard 1288 der EMVA stellt ein theoretisch fundiertes und in der Praxis über Jahre bewährtes Instrumentarium zur objektiven Charakterisierung von Bildsensoren und Kameras dar - nach dem Prinzip „so einfach wie möglich“, aber ohne unerlaubte Vereinfachung. Viele Hersteller verwenden den Standard schon in ihren Entwicklungsabteilungen, was nachweislich zu einer Erhöhung der Kameraqualität geführt hat, und die Zahl der verfügbaren 1288-Datenblätter wächst kontinuierlich.
Eine Reihe von Firmen bietet Testequipment bzw. 1288-kompatible Kameravermessung als Serviceleistungen an [5]. Schulungsangebote gibt es bei Framos und AEON. Das Release 3.0 hat sich bewährt und wird bis Ende des Jahres 2011 nur durch minimale Erweiterungen bzw. geringfügige Änderungen durch Release 3.1 abgelöst werden. Die Arbeiten am Release 4.0 werden im März 2012 beginnen. In dieser Release soll unter anderem die Beschreibung der Sensornichtlinearität präzisiert werden. Außerdem gibt es Pläne, den Standard auf nichtlineare Kameras, High-Dynamic-Range-Kameras und Time-of-Flight-Kamerasysteme zu erweitern.
Literatur & Autor:
[1] EMVA Standard 1288 - Standard for Characterization of Image Sensors and Cameras; Release 3.0. European Machine Vision Organization. www.emva.org, November 2010.
[2] Saleh, B. E. A.; Teich, M. C.: Fundamentals of Photonics, 2nd edition. Wiley-Inter-science. Hoboken, NJ, 2007, Kapitel 12.2 D und 18.6 A.
[3] Widrow, B.; Kollar, I.: Quantization Noise. Cambridge, NY, 2008
[4] Janesick, J. R.: CCD characterization using the photon transfer technique. SPIE Proc., Vol. 570, 1985, S. 7 bis 19.
[5] EMVA-1288 Standard: Camera test systems go on show at VISION. Vision Systems Design, Vol. 16, Ausgabe 1, 2011, http://www.vision-systems.com/articles/print/volume-16/issue-1.html
Prof. Dr. Bernd Jähne |
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ist Physiker und Informatiker. Nach einer Forschungsprofessur am Scripps Institution of Oceanography (UCSD) ist er seit 1994 Professor für Bildverarbeitung am Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen (IWR) der Universität Heidelberg. Seit 2008 ist er Direktor des Heidelberg Collaboratory for Image Processing (HCI) und Vorsitzender des EMVA-1288-Standardisierungskomitees. |
Bernd.Jaehne@iwr.uni-heidelberg.de