Worin liegen eigentlich die Unterschiede zwischen Standard-Halcon und Halcon Embedded?
Vom Funktionsumfang her ist Halcon Embedded von MVTec Software komplett identisch mit Standard-Halcon, bietet also die gleichen Tools und Algorithmen. Halcon Embedded ist Halcon in Nicht-PC-Systemen, also in Smart Cameras, Vision-Sensoren, Mobile Devices oder Handheld Devices. Ob Halcon in einem PC-System oder einem Embedded Device installiert ist, macht also in puncto Funktionsumfang keinen Unterschied.
Wie attraktiv ist das Konzept »Halcon Embedded in Mobile Devices« für Anwendungen außerhalb der Industrie?
Halcon Embedded in Mobile Devices zu installieren, ist tatsächlich auch für nicht-industrielle Anwendungen interessant. Hier ergeben sich oft neue Anwendungsfelder mit hohem Potential. Ein Patient im Krankenhaus beispielsweise könnte ein Armband samt Data Code tragen, über das er eindeutig identifiziert wird und somit der korrekten Krankenakte zugeordnet wird. Zum Auslesen des Data Codes kann ein Smartphone mit Halcon eingesetzt werden. Auch Autovermietungen oder Car-Sharing-Netzwerke könnten die Technik nutzen, indem sie Informationen zu ihren Autos den Smartphones bestimmter Nutzer über das Nummernschild zugänglich machen.
All dies stellt natürlich hohe Anforderungen an die Bildverarbeitung – die Codes müssen auch bei schlechter Bildqualität und starken Beleuchtungsschwankungen robust identifiziert werden – und hierfür bietet Halcon die idealen Algorithmen.
Die Bildverarbeitungs-Software Merlic ermöglicht es, komplette Anwendungen ohne Programmierung schnell zu erstellen. Wäre sie eventuell eine Software-Lösung für die Bildverarbeitung in der Industrie 4.0?
Weil die Bildverarbeitung ein sehr komplexes Thema ist, versuchen wir mit Merlic, Standard-Bildverarbeitungs-Aufgaben so herunterzubrechen, dass auch Nicht-Bildverarbeitungs-Experten damit umgehen können. Merlic bietet besonders im Kontext von Industrie 4.0 einen hohen Grad an Flexibilität und ermöglicht eine schnelle Anpassung auf sich ändernde Produktionsumgebungen.
Außer in Smart Cameras spielt Halcon auch in einer anderen Industrie-4.0-Technik eine große Rolle: der kollaborativen Robotik. Welche Aufgaben erfüllt Halcon dort?
Im humanoiden, kollaborativen Industrieroboter »Nextage« des japanischen Unternehmens Kawada Robotics dient Halcon als zentrale Bildverarbeitungs-Engine. Der Roboter ist wie ein menschlicher Oberkörper mit Kopf und Armen aufgebaut und steht in der Produktionshalle auf einem Tisch. Er ist mit mehreren Kameras ausgestattet, und Halcon ist das zentrale Werkzeug, das ihm das Sehen beibringt.
Zwei Kameras im Kopf – für peripheres Sehen - verschaffen ihm einen allgemeinen Überblick über die Szene und ermöglichen ihm, Objekte im 3D-Raum zu lokalisieren. Zusätzlich hat er in beiden Armen jeweils eine Kamera für detailliertes Sehen: Der eine Arm bewegt »seine« Kamera über das Objekt, damit sie Aufnahmen erstellen und so die Lage des Objekts hochpräzise bestimmen kann. Die Kamera im anderen Arm inspiziert das Objekt, und zwar mit allen Bildverarbeitungs-Funktionen, die der Anwender zuvor in Halcon programmiert hat. Halcon ist also sowohl für die Positionsbestimmung als auch für die Inspektion zuständig.
»Nextage« hat frei bewegliche Arme mit mehreren Achsen. Er kann komplexe Bewegungen durchführen, etwa Objekte greifen und von unten einführen oder auch verdrehen. Dadurch ist diese neue Generation von Industrierobotern besonders für Anwendungen geeignet, die feinmotorische Fähigkeiten erfordern.
Messe Vision 2016: Halle 1, Stand E72