Zu den nicht intendierten Folgen der Energiewende gesellt sich die Verdrängung hocheffizienter Kraftwerke. Trianel und die Stadtwerke Bochum nutzten die Stadtwerketagung 2014 in Berlin vor diesem Hintergrund, um die Politik zur Schaffung eines Kapazitätsmarktes für Kraftwerksleistung aufzufordern.
Die Moderne leide darunter, dass die Gewissheit von Rationalität von Entscheidungen immer prekärer werde, belehrt der (Umwelt-)Soziologe Ulrich Beck seit zwei Jahrzehnten die Öffentlichkeit. Insbesondere verschiebe sich das »Verhältnis von intendierten Handlungen/Zielen und nicht intendierten Nebenfolgen in teilweise dramatischer Form«, was besonders an der Umweltverschmutzung und speziell dem Klimawandel sichtbar würde. »Nicht intendierte Nebenfolgen« hat auch die Umweltpolitik zu verzeichnen. Jüngstes Opfer: Die konventionelle Kraftwerkswirtschaft.
Im März lagen der Bundesnetzagentur laut Pressemeldungen offiziell 26 Stillegungsanträge für Kraftwerksblöcke mit einer Leistung von 6,7 GW vor. Auf dem Stadtwerkekongress 2014 in Berlin wusste ein nicht zitiert werden wollender Teilnehmer bereits von 47 Stilllegungsanträgen. Am härtesten trifft es die Betreiber umweltfreundlicher, moderner und teurer Anlagen wie hocheffizienter GuD-Kraftwerke. Deren Effizienzweltrekorde von gestern schützen sie heute nicht vor Stillstand und wirtschaftlichem Totalverlust.
Vor diesem Hintergrund erinnerten das Stadtwerke-Bündnis Trianel und die Stadtwerke Bochum die Politik auf der Euroforum-Stadtwerketagung 2014 an ihre Verantwortung für eine gemeinverträgliche Ausgestaltung des Energiemarktes. »Das Sorgenkind der Energiewirtschaft ist und bleibt die Konventionelle Erzeugung«, sagte Bernd Wilmert, Sprecher der Geschäftsführung der Stadtwerke Bochum Holding GmbH und der Energie- und Wasserversorgung Mittleres Ruhrgebiet (ewmr). Trotz gut behauptetem Kerngeschäft und erfolgreicher Neuaufstellung der Stadtwerke Bochum seien die Verwerfungen an den Energiemärkten durch den schnellen Ausbau der Eneuerbaren nur schwer aufzufangen.
Sven Becker, Sprecher der Geschäftsführung der Stadtwerke-Kooperation Trianel bezeichnete es als absurd, dass die Energiewende durch das jetzige Energiemarktdesign und das Scheitern des Emissionshandels ihr primäres Ziel, den CO2-Ausstoß zu senken, verfehlt: »Trotz des schnellen Zubaus der Erneuerbaren hat sich in den letzten Jahren der CO2-Ausstoß erhöht«, konstatierte Becker.
Verantwortlich dafür ist der ausgeprägte »Merit-Order-Effekt« der regenerativen Energien. Er sorgt dafür, dass nur noch allerbilligste Kraftwerke Strom absetzen können. Zumeist sind das alte CO2-schleudernde Braunkohlekraftwerke. Der englische, mit Leistungs- oder Verdienst-Reihenfolge zu übersetzende Ausdruck »Merit-Order« beschreibt die Einsatzreihenfolge der Kraftwerke am Strommarkt. Kraftwerke kommen nach ihren Grenzkosten, also den zusätzlichen Kosten für eine weitere Stromerzeugungseinheit zum Einsatz. Vorrang haben die am günstigsten produzierenden Kraftwerke. Reichen diese nicht aus um die Nachfrage zu decken, werden sukzessive Kraftwerke mit höheren Grenzkosten eingeschaltet, wobei sich der allgemeingültige Preis nach dem zuletzt zugeschalteten Kraftwerk mit den höchsten Grenzkosten bildet. Regenerative Energien besitzen gegenüber modernen konventionellen Kraftwerken nur geringste Grenzkosten (d.h. bei zusätzlichem Output steigen ihre Kosten kaum, weil ihre variablen Kosten fast Null sind). Regenerative Energien drängen effiziente konventionelle Kraftwerke in Zeiten hoher Erträge in der Merit-Order soweit nach hinten, dass sie nicht mehr zum Einsatz kommen.
Als Weg aus diesem Dilemma schlägt Trianel die Schaffung eines Marktes für die Bereitstellung gesicherter Leistung durch konventionelle Kraftwerke und Speicher vor, den sogenannten Kapazitätsmarkt, wie er im Wesentlichen bereits durch den Verband Kommunaler Unternehmen e.V. (VKU) und den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW) konzipiert wurde. »Wir werden die Ziele der Energiewende nur erreichen, wenn wir gesicherter Leistung einen Preis geben und der Emissionshandel so reformiert wird, dass er seiner Lenkungsfunktion für den Klimaschutz wieder gerecht wird«, sagte Sven Becker. Dieser an einem Kapazitätsmarkt zu bildende »gesicherte Preis« sei der beste Weg, um auch an Tagen ohne Sonne und Wind Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Wichtig sei allerdings eine wettbewerbliche Ausgestaltung des Kapazitätsmarktes durch Leistungszertifikate, die auf einem Marktplatz in freier Preisbildung gehandelt werden sollen.
Becker erklärte weiter: »Von Anfang an haben wir in Erneuerbare-Projekte sowie hocheffiziente Kraftwerke und Speicher als Partner der Erneuerbaren investiert, um das Zieldreieck Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit zu erreichen«. Mit Blick auf steigende Stromendkundenpreise und fallende Stromgroßhandelspreise sei die Wirtschaftlichkeit aber bis heute gescheitert. Durch die anstehende Abschaltung der Atomkraftwerke und die bisher fehlenden Anreize, deren gesicherte Leistung zu ersetzen, stehe nun auch die Versorgungssicherheit auf dem Spiel.
Becker und Wilmert resümierten: »Ohne einen Leistungsmarkt, der den Anforderungen an eine nachhaltige Stromversorgung nachkommt, wird die Energiewende scheitern«.