Mit den richtigen Tools können Stromkunden von Preisschwankungen profitieren – und dabei gleichzeitig der Umwelt Gutes tun. Zu diesen Werkzeugen gehören zum Beispiel smarte Energiemanagementsysteme und Time-of-Use-Tarife.
Deutschland will klimaneutral werden – bis 2045. Deshalb werden erneuerbare Energien immer weiter ausgebaut. 2022 betrug der erneuerbar produzierte Anteil 46,2 Prozent des Bruttostromverbrauchs. Bis 2030 sollen es laut Bundesregierung mindestens 80 Prozent sein. Nicht nur höhere Ausbaugeschwindigkeiten – mindestens eine Verdreifachung braucht es Stand heute – sind dafür nötig.
Auch Bürger müssen mithelfen, die Klimaneutralität zu erreichen. Wie Stromkonsumenten sofort ihren Stromverbrauch bestmöglich nach erneuerbarer Energieerzeugung ausrichten können, erklärt Christian Augustin, Teamlead Solution Product Owner beim Smart-Energy-Unternehmens GridX.
»Zunächst ist es wichtig, zu verstehen, wie Strom produziert wird, was Strom kostet und wie sich beides bedingt«, so Augustin. Europaweit erfolgt die Preisbildung nach einem einheitlichen Prinzip: der Merit-Order. Nach diesem Modell werden immer die günstigsten Stromquellen genutzt, um die aktuelle Nachfrage zu decken. Die Stromgestehungskosten des teuersten eingesetzten Kraftwerks bestimmen dann den Strompreis.
Neben den reinen Stromkosten werden Verbrauchern auch noch Kosten für die Übertragung und Verteilung sowie staatliche Steuern und Abgaben in Rechnung gestellt. Lange waren Atomkraftwerke die günstigste Stromquelle und kamen damit nach der Merit Order zuerst zum Zug, gefolgt von Braun- und Steinkohlekraftwerke und danach Strom aus Erdgas und Öl – die beiden teuersten Verfahren.
Die Zunahme der erneuerbaren Erzeugungsquellen in Deutschland stellt dies allerdings auf den Kopf: Das Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) schreibt die Berücksichtigung von Strom aus Erneuerbaren in der Merit Order vor. Da die erneuerbare Erzeugung oft deutlich kostengünstiger ist, ergeben sich sinkende Preise. »Auch in Zukunft wird sich, verstärkt durch den stetig wachsenden Erneuerbaren-Anteil in der Stromerzeugung, ein Preisdruck nach unten, sprich sinkende Strompreise, entwickeln«, erklärt Augustin.
Wer allerdings schon heute Geld bei Stromkosten einsparen will, kann sich bereits jetzt an schwankenden Preisen, die sich je nach dominierender Erzeugungsquelle ergeben, orientieren. Mit sogenannten Nutzungszeittarifen, auch bekannt als Time-of-Use-Tarife, erreichen Preisschwankungen die Konsumenten, denn: Die Erzeugungskapazitäten beeinflussen den Preis maßgeblich: Da erneuerbarer Strom sehr günstig ist – er hat beispielsweise nahezu keine Grenzkosten –, sind die Konsumentenpreise in Zeiten mit hoher erneuerbarer Produktion oft sehr niedrig.
Am 2. Juli 2023 führte dies beispielsweise in Kombination mit einer schwachen sonntäglichen Nachfrage zu negativen Strompreisen an den Großhandelsmärkten – eine Megawattstunde kostete minus 0,50 Euro. Für das Einspeisen ins Netz zu dieser Zeit mussten Einspeisende also Geld bezahlen, Entnehmende erhielten hingegen Geld für ihren Stromkonsum – je nach Stromvertag. Andersrum ergibt sich, dass teurere Erzeugungsquellen den Strom liefern, wenn die Erneuerbaren unproduktiv sind und dennoch viel Nachfrage vorhanden ist, zum Beispiel am Abend. Dann steigen die Preise und Nutzer zahlen mehr Geld für konsumierten Strom.
»In der Regel spüren Verbraucher die Schwankungen des Strompreises nicht, denn die üblichen Tarife sind geglättet, sprich man zahlt immer den gleichen Preis«, erklärt Augustin. Will man seinen Verbrauch allerdings anhand von erneuerbaren Energiequellen ausrichten, ist es empfehlenswert, einen Wechsel des Stromtarifs zu erwägen. Time-of-Use-Tarife eignen sich hierfür, da man die Preise der jeweiligen Nutzungszeit bezahlt. Verbraucher haben mit Time-of-Use-Tarifen die Chance, mitzubestimmen, wie viel sie für Strom bezahlen. Die Rolle der Konsumenten wird also aktiver.
GridX fand in einer Analyse der Großhandelsstrompreise und des Anteils der erneuerbaren Energien in Deutschland für das erste Halbjahr 2023 heraus, dass der Strompreis pro zusätzlichem Prozentpunkt erneuerbaren Stroms um 1,59 Euro pro Megawattstunde sinkt. Neben den offensichtlichen finanziellen Einsparungen ergibt ein Wechsel zu Nutzungszeittarifen auch aus Umweltsicht Sinn. Da Preise in den Zeiten, in denen viel erneuerbarer Strom vorhanden ist, niedriger sind, erhalten Verbraucher Anreize, dann Strom zu konsumieren, wenn die erneuerbare Produktion auf Hochtouren läuft.
Wenn dann noch flexible Verbraucher, wie Wärmepumpen, Batteriespeicher oder Elektroautos betrieben oder geladen werden – mit diesem günstigen und nachhaltigen Strom – kann ihre Flexibilität in Zeiten hoher Preise genutzt werden. Damit reduziert sich direkt der individuelle ökologische Fußabdruck, da der Stromverbrauch aus erneuerbaren Quellen maximiert wird.
Einen abschließenden Tipp hat Augustin noch für alle Konsumenten: Von Time-of-Use-Tarifen zu profitieren, klinge extrem zeit- und arbeitsintensiv auf Verbraucherseite. Das müsse es aber nicht sein, denn dafür gebe es smarte Technologien.
Intelligente Energiemanagementsysteme übernehmen die steuernde Funktion und timen den Betrieb oder die Ladung von großen Verbrauchern so, dass sie am kosteneffizientesten ablaufen. Lediglich bei gewissen Prozessen, wie dem Laden eines E-Autos, ist es ratsam, dass Verbraucher dem System einige Rahmenbedingungen, wie Abfahrszeit oder zurückzulegende Strecke, vorgeben, damit das E-Auto auch immer dann wie gewünscht geladen verfügbar ist, wenn gefahren werden will.
Auch kann über solche Systeme die lokale Solarproduktion mitberücksichtigt werden. Daraus ergibt sich noch mehr Potenzial, um Kosten und CO2-Ausstoß zu minimieren.