Markt&Technik-Forum »Stromversorgungen«

Ob es kritisch wird, entscheidet der Herbst

16. Juli 2018, 15:24 Uhr | Engelbert Hopf
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Fortsetzung des Artikels von Teil 4

Umsteigen auf Tantal macht keinen Sinn

Da die Lieferkette bei Vielschichtkondensatoren mehr als angespannt ist, wäre zum Teil eine Revival des Tantalkondensators denkbar. Unter den versammelten Diskussionsteilnehmern gibt es jedoch keine Freunde dieses Vorschlags. »Wir folgen langfristigen Trends, und da sehe ich überhaupt keine Chance für ein mögliches Revival von Tantalkondensatoren in Stromversorgungen«, meint Heinemann, »in drei Jahren fehlen dann die Folienkondensatoren«. Bei Produktlaufzeiten von zehn Jahren oder mehr »macht es einfach keinen Sinn, hier kurzfristig umzusteigen«.
Püthe argumentiert technisch: »Die Spannungsstabilität eines MLCC ist gegenüber anderen Kondensatoren ist sehr schlecht.« Die nächste Frage wäre dann Pinkompatibilität. »Wir sprechen über eine Notsitution«, so Püthe, »da sucht der Entwickler nach Alternativen, wenn nichts anderes da ist«. Für Erdl kommen Tantals auch in Notsituationen nicht in Frage: »In unserer Geschichte gab es nie Tantalkondensatoren, ich habe ihren Einsatz immer aus Gründen der Zuverlässigkeit abgelehnt. Man kann auch Netzteile ohne Tantals bauen!«
Positiver sehen die Diskussionsteilnehmer die Möglichkeiten durch Polymer-Kondensatoren, wie sie inzwischen von einer ganzen Reihe von Anbietern erhältlich sind. Zwar ist sich Dr. Lüdeke ziemlich sicher, »dass ein Polymer- einen Vielschichtkondensator nicht ganz ersetzen können wird, aber applikationsspezifisch haben beide ihre Vorteile; man muss sich die Applikation ansehen, um beurteilen zu können, ob es besser ist, dort einen Polymer- oder einen Vielschichtkondensator einzusetzen«.

Einen ganz anderen Aspekt bringt Grimm in Sachen eines möglichen Tantal-Revivals ins Spiel. So sehe man das Thema Zuverlässigkeit wie Puls und habe aus diesem Grund nie über einen Einsatz von Tantalkondensatoren nachgedacht. »Darüber hinaus untersagen es schon unsere Corporate Principles, Tantal einzusetzen. Das kommt sowohl aus ökologischen wie auch aus ethischen Gründen nicht in Frage!« 

GaN ist immer noch zu teuer

Auch wenn sich die GaN-Leistungshalbleiter-Hersteller redlich bemühen, die Attraktivität ihrer 650-V-Bausteine für die Stromversorgungsbranche hervorzuheben, einen wirklichen Serieneinsatz in diesem Bereich kann bislang keiner der Hersteller vorweisen. »Die Preise für GaN sind immer noch zu hoch«, kritisiert Erdl, »der Superjunction-MOSFET ist deutlich preiswerter, und das ist auch für einen Entwickler ein gewichtiges Argument«.

Für Heinemann ist mit entscheidend, dass der Leidensdruck derzeit nicht so hoch ist, zu noch kompakteren und leichteren Geräte zu kommen. »Als man bei den Hutschienen-Netzteilen bei der Einbaubreite von 180 auf 120 mm gegangen ist, hat das gleich richtig Platz gespart; ein vergleichbarer Schritt ist heute durch SiC oder GaN gar nicht notwendig«. Im Konsumgüterbereich seien die Netzteile heute eh schon kleiner als die Stecker, und Heinemann weist darauf hin, dass die Leistungshalbleiter inzwischen da seien, »aber die Ansteuertechnologie natürlich noch mitziehen muss«. 

Für Bier wird die Schlacht um GaN so und so in erster Linie im Konsumgüterbereich geschlagen. »Wenn es darum geht, ein PC-Netzteil deutlich kleiner zu machen, dann geht das mit GaN.« Gelingt es, den Markt zu gewinnen, dann würden die Volumina hochgehen, »und dann werden diese Leistungshalbleiter auch für uns attraktiver«. Nach seiner Einschätzung sind aber Apple und Lenovo offensichtlich nicht bereit, den Aufpreis zu zahlen, nur um das Netzteil um ein Drittel kleiner zu machen«.
Fischer plädiert für ein applikationsorientiertes Abwägen. »Durch die Steilheit der Schaltflanken steigt der Aufwand für die Befilterung, dadurch verliert man unter Umständen wieder einen Prozentpunkt an Wirkungsgrad.« Auf diese Weise kehrt sich ein Vorteil in einen Nachteil um, und das noch dazu verbunden mit höheren Kosten. Im Stromversorgungs-Design hat sich für ihn Wide-Band-Gap deshalb noch nicht so durchgesetzt. 

»Wenn man mit Kunden redet, dann berichten die von Arbeiten in der Grundlagenforschung oder in der Vorabentwicklung«, berichtet Obritzhauser. Die klare Aussage laute, dass es sich dabei um Projekte handle, die wohl erst 2019 oder 2020 in kleineren Stückzahlen in Serie gehen werden. »Der Einsatz von Wide-Band-Gap wird jetzt stückweise hier und da angedacht, auf breiter Front sehe ich das aber noch nicht«, so seine Einschätzung. 

Ganz eindeutig fällt auch die Antwort von Brinkmeier aus: »Wir verwenden die beiden Materialien noch nicht und werden das wohl auch in absehbarer Zeit nicht tun.« Er sieht Friwo beispielsweise als Marktführer im Bereich der Ladegeräte für E-Bikes, »und ich weiß nicht, ob es da noch Verkleinerungsvorteile gibt, die dieses Invest dann rechtfertigen würden.«


  1. Ob es kritisch wird, entscheidet der Herbst
  2. Es fehlt nicht nur an Komponenten
  3. Gute Zeiten, schlechte Zeiten
  4. Nervige Priorisierung
  5. Umsteigen auf Tantal macht keinen Sinn
  6. Stromversorgungsspezialisten plädieren für EN 61010

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