»Je größer die Leistung, desto höher derzeit die Gefahr von Lieferverzögerungen«, beschreibt Dr. Hans-Peter Lüdeke, Senior Product Manager Power Supply bei Murata Europe, die Situation in seinem Haus. Im Bereich der Standardprodukte wächst Murata nach Angaben von Dr. Lüdeke derzeit im hohen einstelligen, niedrigen zweistelligen Bereich.
Wenig Freude zeigt Thomas Widdel, Vice President Business Operation bei Powerbox, an der wieder um sich greifenden Maßnahme der Priorisierung bei den Distributoren: »Ich halte das für eine Unsitte, man kann sich auf das Wort eines Partners nicht mehr verlassen.« Das Lager hat man im letzten Jahr gut gefüllt, »und sobald ein Lieferant mit uns über variable Preise bei der Belieferung reden will, legen wir uns das Material automatisch aufs Lager«.
Stefan Grimm, Manager Marketing Communcations bei Phoenix Contact Power Supplies, wundert sich etwas über die von den anderen Teilnehmern beschriebenen Probleme bei der Bauteilversorgung. »Vielleicht liegt das auch daran, dass wir sehr lange im Voraus planen und uns mit entsprechend großen Mengen eindecken«, vermutet er, »wir planen auch bereits in der Entwicklung die passende Second Source ein«. Auf diese Art und Weise schafft es Phoenix Contact Power Supplies nach seiner Darstellung, bis heute eine Lieferzeit von 24 Stunden aufrecht zu erhalten. Vielleicht liegt es aber ganz einfach auch an der hohen Fertigungstiefe bei Phoenix Contact. Schließlich sitzt die Stromversorgungssparte des Unternehmens beim Thema Leiterplatten, Klemmen oder Steckverbinder mit der Mutter ziemlich an der Quelle. Als Resultat dieser Performance meldet auch Grimm für 2018 bisher ein Wachstum von über 20 Prozent.
Noch nicht so aussagefähig bezüglich des wirtschaftlichen Erfolgs sind die Wachstumszahlen bei Friwo Gerätebau. »Unser Hauptaugenmerk lag in den letzten Jahren auf der Neuausrichtung des Unternehmens und dem erfolgreichen Hochlauf unserer eigenen Fertigungsstätte«, berichtet Michael Brinkmeier, Head of Marketing bei Friwo Gerätebau. »Wir haben uns auf neue Zielmärkte wie Industrie, Medizin und E-Mobility konzentriert«, erläutert Brinkmeier, »Märkte, die Wachstumszahlen von 20 Prozent zeigen«. Obwohl im Zuge dieses Prozesses die Produktionszahl von 34 auf 18 Millionen Geräte sank, wuchs der Umsatz. Einziger Wehrmutstropfen im letzten Jahr: der schwache Dollar.
Als gut aufgestellt empfindet Uwe Scheumann, Director Sales & Business Development Northern Europe & Middle East bei EOS Power, sein Unternehmen. »Wir erfreuen uns weltweit eines hohen einstelligen Wachstums und registrieren zudem, dass seit Jahresbeginn das Interesse in Indien an hochwertigen Stromversorgungslösungen wächst, das war in der Vergangenheit anders.« In puncto Bauteilversorgung sieht er das Unternehmen gut abgesichert, »wir arbeiten hier eng mit der Distribution in Indien zusammen und werden in diesem Jahr absolut keine Probleme haben«. Wenn sich an der Gesamtsituation der Lieferkette allerdings nichts ändere, »müssen wir Mitte nächsten Jahres darüber nachdenken, was wir tun«. Einer besonders hohen Nachfrage erfreuen sich nach wie vor alte Stromversorgungsdesigns von EOS Power in den USA. Ein Phänomen, dass sich Scheuman nicht erklären kann: »Wir haben diese Geräte abgekündigt, aber die Bestellungen kommen trotzdem rein.«
Kritisch sieht Stefan Bergstein, im Vertrieb von Emtron arbeitend, das Phänomen, dass interessierte Kreise in der Bauelementelieferkette Ware aufkaufen und den Markt so noch einmal künstlich verknappen. »In den letzten fünf Monaten beobachten wir das verstärkt«, berichtet er und bezieht sich dabei vor allem auf die Beschaffung für die eigene Produktion innerhalb der Fortec-Elektronik-Gruppe. »Teilweise müssen wir die Kunden deshalb darauf aufmerksam machen, dass wir selbst erst dann liefern können, wenn wir beliefert wurden.« In der reinen Distribution sei dieses Phänomen dagegen bisher noch nicht aufgetreten. »Wir beobachten nur, dass sich die Produkte, die wir für die Distribution einkaufen, im Preis anpassen«, berichtet er, »bisher beläuft sich die Steigerung auf etwa 2 bis 3 Prozent«.
Lieferfähig zu sein, das ist auch für Karsten Bier, CEO der Recom Power, das Hauptthema in der jetzigen Situation. »Wir haben uns schon im Juli letzten Jahres massiv eingedeckt und dann im Februar, März dieses Jahres noch mal nachgelegt«, schildert er sein Vorgehen. Auch er ist der Meinung, dass eine Book-to-Bill von 1,3, wie sie Recom derzeit hat, nicht dauerhaft durchstehbar ist. »Es gibt Grenzen, die Distributoren sind auch leer.« Bier ist überzeugt davon, dass, wenn das Ganze noch vier, fünf Monate dauert, »es richtig ungemütlich wird«. Für die Bauelementehersteller sei die derzeitige Situation bei allen damit verbundenen Problemen ideal, »deren Stock-Values sind in den letzten Monaten deutlich nach oben gegangen«.
Mit den Problemen in der Bauelementelieferkette scheint auch das Problem der Bauteilfälschungen wieder mehr an Bedeutung zu gewinnen. Inzwischen scheint jedoch die Qualität der Fälschungen ein Niveau erreicht zu haben, dass die Kopien bei der Wareneingangskontrolle gar nicht mehr entdeckt werden. »Da sitzen schließlich keine Investigationsteams«, stellt Bier fest, »in dem ein oder anderen Fall wird sich wohl erst über die Lebenszeit eines Produktes zeigen, wie gut die eingesetzte Fälschung ist.« Bier berichtet in diesem Zusammenhang von Infineon-Produkt-Look-Alikes, »die verdammt echt aussehen«.
»Wir betreiben in unsrer Fertigung in China inzwischen einen deutlich höheren Aufwand bei der Warenkontrolle als zu Beginn unserer Produktion dort 2010«, bestätigt auch Erdl, »parallel dazu haben wir das Lieferantenmanagement dort verändert«. Den Weg zum Broker hält Dr. Lüdeke speziell in dieser Situation für sehr risikoreich. »Es gibt einfach Lieferanten, die hauptsächlich das Geld mitnehmen, wir als Hersteller setzen dagegen auf langfristige und zuverlässige Lieferantenbeziehungen.« – »Letztlich«, so Tunk, »kann die Empfehlung trotz aller Probleme in der Lieferkette nur lauten, bei den Distributoren zu kaufen, die direkt von den Herstellern beliefert werden«.