Um ein System mit einem schnellen und zuverlässigen Schutz auszustatten, integriert die LMG341X-Leistungsstufe eine OCP-Funktion, wie die vereinfachte Blockschaltung in Bild 4 zeigt. Die OCP-Schaltung überwacht den Drain-Strom des LMG341X und vergleicht das Stromsignal mit einem intern vorgegebenen Grenzwert. Wird ein Überstrom erkannt, kann die LMG341X-Familie auf zweierlei Weise reagieren:
Der selbsthaltende Überstromschutz des LMG3410R070
Der LMG3410R070 bietet eine selbsthaltende OCP-Option. Der FET wird in diesem Fall abgeschaltet und bleibt in diesem Zustand, bis der Fehler zurückgesetzt wird. Hierzu muss entweder der IN-Anschluss für mehr als 350 µs auf Low-Zustand gehalten werden, oder die Stromversorgung an VDD muss unterbrochen werden. Das Bauelement ist somit für Anwendungen konzipiert, in denen der Betrieb bei Auftreten eines Fehlers unterbrochen werden muss. Dazu zählen beispielsweise industrielle Antriebe oder sicherheitskritische Applikationen. Der selbsthaltende Schutz wird außerdem überall dort bevorzugt, wo der Controller nicht auf das Fehlersignal reagieren kann.
Zur Vermeidung von Fehlauslösungen wird die OCP-Funktion während der Zustandswechsel am Schaltknoten ausgetastet, wobei die Austastzeit intern anhand der Anstiegsgeschwindigkeit angepasst wird. Das gibt Auskunft über die Austastzeiten des LMG3410R070 für unterschiedliche Anstiegsgeschwindigkeiten. Höhere Anstiegsgeschwindigkeiten erfordern kürzere Austastzeiten, weil die Zustandsänderungen am Schaltknoten schneller erfolgen. Die OCP-Funktion besitzt eine Reaktionszeit von weniger als 100 ns, wenn an dem zum Anpassen der Gate-Treiberstärke dienenden RDRV-Pin 15 kΩ liegen. Hierdurch ist für die Einschaltflanke bei harten Schaltvorgängen eine Steilheit von 100 V/ns möglich, sodass die schnell ansprechende OCP-Schaltung den GaN-Baustein auch bei harten Kurzschlüssen schützt.
Bild 5 zeigt den Versuchsaufbau und die OCP-Performance des LMG3410R070 bei einem Shoot-through-Ereignis. Der high-seitige LMG3410R070 bleibt eingeschaltet, indem 5 V an seinen IN-Anschluss gelegt werden. Während er eingeschaltet ist, wird der low-seitige LMG3410R070 mit einem 500-ns-Impuls eingeschaltet. In dem Fall wird die OCP-Funktion des high-seitigen GaN-FET früher ausgelöst als die des low-seitigen GaN-FET, denn er war bereits eingeschaltet und die Austastzeit ist bereits verstrichen. Folglich war die Ansprechzeit kürzer als 40 ns. Wegen der geringen Schleifeninduktivitäten erreicht die DC-Busspannung nur einen Wert von 550 V, der weit von der maximal zulässigen Spannung des Bausteins entfernt ist.
Aus Bild 6 geht die OCP-Performance des LMG3410R070 im Kurzschlussfall hervor. Der high-seitige Schalter wurde hier mithilfe eines Drahts elektrisch kurzgeschlossen, und ein 500 ns langer Impuls wurde auf den IN-Pin des unteren GaN-FET gegeben. In dieser Situation wartet der low-seitige GaN-FET auf das Verstreichen der vom Widerstand an RDRV abhängigen Austastzeit. Ist sie vorüber, wird der Überstrom erkannt und der GaN-FET umgehend abgeschaltet. Die Reaktionszeit ist insgesamt kürzer als 90 ns.
Der zyklusweise Überstromschutz des LMG3411R070
Mit einer zyklusweise arbeitenden OCP-Funktion wartet der LMG3411R070 auf. In dieser Betriebsart wird der GaN-FET bei einem Überstrom ebenfalls abgeschaltet, jedoch wird das Fehlersignal gelöscht, sobald das eingangsseitige PWM-Signal Low-Zustand annimmt.
Der FET kann somit im darauffolgenden Zyklus wieder ganz normal einschalten. Die zyklusweise Schutzfunktion eignet sich für all jene Fälle, in denen der im stationären Betrieb auftretende Strom kleiner ist als die OCP-Ansprechschwelle, während es unter transienten Bedingungen zu hohen Strömen kommen kann, aber der Betrieb der Schaltung nicht unterbrochen werden darf. Zu den typischen Anwendungen gehören Stromversorgungen für Server und Telekommunikationseinrichtungen.
Wenn in der zyklusweisen Betriebsart der Strom den oberen Grenzwert erreicht, aber das PWM-Eingangssignal noch High-Zustand hat, kann der Laststrom im dritten Quadranten des anderen FET einer Halbbrücke ohne Synchrongleichrichtung fließen.
Der besonders hohe negative Spannungsabfall (-6 V bis -8 V) zwischen Drain und Source könnte zu großen Verlusten im dritten Quadranten führen. Deshalb muss die Regelung so konzipiert werden, dass die Zahl der Schaltzyklen in der zyklusweisen Betriebsart begrenzt ist oder dass der PWM-Eingang entsprechend dem Fehlersignal geändert wird. Auf diese Weise wird die Zeit, in der die Leistungsstufe im dritten Quadranten arbeitet, begrenzt. Ein im Versuch aufgezeichneter Signalverlauf zur Funktionsweise des LMG3411R070 ist in Bild 7 zu sehen.
Der Spulenstrom nimmt langsam zu und die OCP-Funktion schaltet den GaN-FET ab, sobald der OCP-Grenzwert von 35 A überschritten wird. Der Fehlerzustand bleibt hier jedoch nicht bestehen, sondern wird in jedem Schaltzyklus zurückgesetzt, sobald das Signal am IN-Pin in den Low-Zustand wechselt. Hierdurch wird automatisch und auf zuverlässige Weise der an den Ausgang gelangende Strom begrenzt, sodass kein softwaremäßiges Überstromüberwachungs-Konzept benötigt wird.
Ein ultraschneller und zuverlässiger Überstromschutz ist in GaN-basierten Anwendungen unverzichtbar. Gründe hierfür sind die geringe aktive Chipfläche und die Möglichkeit, dass der Baustein während eines Kurzschlusses in die Sättigung gerät. Um kurzschlussbedingte Ausfälle zu vermeiden, sollte die Ansprechzeit der OCP-Schaltung kürzer als 250 ns sein. Traditionelle, diskrete OCP-Implementierungen beeinträchtigen entweder die System-Performance, indem sie die Induktivität der Leistungsschleife erhöhen oder den Widerstand des Stromwegs steigern und dadurch zu höheren Verlusten führen, oder es mangelt ihnen an Genauigkeit, was sich auf die Ansprechzeit auswirkt.
Hinzu kommt, dass diskrete Lösungen den Flächenbedarf und die Kosten erhöhen. Die GaN-Leistungsstufen der LMG341X-Familie sind dagegen mit einer integrierten OCP-Lösung ausgestattet, deren Reaktionszeit kleiner als 100 ns ist. Die LM3410Rxxx-Familie bietet einen selbsthaltenden Überstromschutz, während die Familie LMG3411Rxxx mit einer zyklusweisen OCP-Funktion aufwartet. Die Integration der OCP-Funktion gibt die Gewissheit, dass die GaN-FETs auch unter harten Kurzschlussbedingungen geschützt sind.
Die Autoren
Serkan Dusmez
ist Systemingenieur für die GaN-Produktlinie bei Texas Instruments. Er hat in ver¬schiedenen Bereichen der Leistungselektronik gearbeitet, zum Beispiel hat er neue Topologien und Regelalgorithmen für Stromrichter der nächsten Generation entwickelt. Dusmez hat an der University of Texas in Dallas mit einem PhD abgeschlossen.
Lixing Fu
ist Systemingenieur für die GaN-Produktlinie bei Texas Instruments. Lixing schloss sein Studium an der Ohio State University mit einem M.S. in Elektrotechnik und Informatik ab. Er verfügt über mehrjährige Erfahrung in der Arbeit mit breiten Bandlückenstromgeräten. Derzeit konzentriert sich die Arbeit von Lixing auf die Entwicklung der neuesten GaN-Leistungsstufen von TI und deren Anwendungen in verschiedenen Lösungen mit hoher Dichte und hohem Wirkungsgrad.
Masoud Beheshti
leitet das Team für Systemtechnik, Anwendungen und Marketing für fortschrittliche GaN-Lösungen bei Texas Instruments. In dieser und früheren Funktionen hat Masoud eng mit Energieplanern auf der ganzen Welt zusammengearbeitet und dazu beigetragen, die nächste Generation von Produkten mit hoher Dichte und hoher Effizienz zu verwirklichen. Masoud hat einen Bachelor-Abschluss in Elektrotechnik und einen Master of Business Administration in Marketing und Finanzen.
Paul Brohlin
ist Entwicklungsleiter der GaN-Produkte bei Texas Instruments. Darüber hinaus leitet er die Entwicklung von Strom¬versorgungssteuerungen der nächsten Generation für die Hochspannungslösungen von TI. Bevor er zu TI kam, entwarf Brohlin Stromversorgungen für kommerzielle USVs, Elektrofahrzeuge und Flugzeugstromsysteme.
Rui Gao
ist System- und Anwendungstechniker für die GaN-Produktlinie bei Texas Instruments. Vor seinem Eintritt bei TI arbeitete Gao in verschiedenen Bereichen der Leistungselektronik. Rui schloss sein Studium mit einem PhD an der North Carolina State University ab.