An Einbauorten mit starken lokal verfügbaren und reproduzierbaren Schwingungsmustern können elektromechanische Energy-Harvesting-Systeme hinsichtlich ihrer Eignung für das Applikationsszenario in Betracht gezogen werden. Vorteile liegen in der Möglichkeit zu kompletten Unterbringung aller funktionalen Komponenten der Energiewandlungskette in einem kompakten Gehäuse. Dies erfordert jedoch gleichzeitig einen optimierten mechanischen Pfad zur Übertragung der Schwingungen an der Oberfläche des übergeordneten technischen Systems auf den Funktionswerkstoff. Einsatzpotenziale derartiger Wandler liegen vor allem im Transportwesen oder der Prozessautomatisierung. Als Beispiel wird hier eine resonante piezoelektrische Biegebalkenstruktur herangezogen, die für Elektromotoren mit einer Frequenz von 60 Hz ausgelegt wurde.
Die Beschreibung des elektromechanischen Verhaltens beginnt mit einem klassischen mechanischen Feder-Masse-Modell, welches um weitere Komponenten zur Beschreibung sowohl des elektrischen Pfades als auch der Rückkopplung auf die Dämpfung des schwingenden Aufbaus erweitert wird. Hieraus lassen sich für die zugrunde gelegten quell- und lastseitigen Leistungsprofile bereits erste Anforderungen an Geometrie- und Materialparameter ableiten. Der Aufbau wurde auf Basis des Funktionswerkstoffes Blei-Zirkonat-Titanat (PZT) konstruiert. Bei einseitiger mechanischer Fixierung und Krafteinleitung werden diese piezoelektrischen Keramiken im Transversalmodus betrieben. Durch Vibrationen hervorgerufene Auslenkungen an der Spitze des Biegebalkens führen zu mechanischen Spannungen im Kristall, welche eine Polarisierung und damit elektrische Spannung zwischen den Oberflächenelektroden des Balkens hervorrufen. Dabei besteht für die bevorzugte Anregungsrichtung ein verhältnismäßig hohes Verhältnis zwischen mechanischer Spannung und erzeugter Polarisierung.
Auf Basis von Finite-Elemente-Methoden wurden der erste Eigen-Mode und die Potenzialverteilung an den elektrischen Kontakten der Biegebalkenstruktur optimiert. Materialstärken des Schichtaufbaus sowie Einspannungsbedingungen wurden an die Anforderungen der Applikation angepasst. Ziel war hierbei, unter den vorgegebenen Gehäuseabmessungen im Bereich weniger Zentimeter Kantenlänge und -breite eine Leistung von mehr als 1 mW bereitstellen zu können. Dabei wurde für das Applikationsszenario eine Bandbreite von ±5 Hz um die Resonanz bei Beschleunigungsamplituden oberhalb von 1 g zugrunde gelegt. Untersuchungen zur Verifizierung der Ausgangsleistung des Energy Harvester wurden zunächst an einer variablen, rein ohmschen Last durchgeführt. Vibrationsprofile aus dem Feld wurden dabei an einem elektrodynamischen Shaker im Labor reproduziert. In Kombination mit einem Laser-Scanning-Vibrometer lässt sich so die Deformation an der Oberfläche des Aufbaus bestimmen. Die messtechnische Untersuchung des Transmissionsverhaltens gibt dabei Auskunft über die präzise Lage der Resonanzfrequenzen und die Dämpfung und erlaubt so einen Abgleich mit dem abstrahierten Modell zur Beschreibung der Energiewandlungskette (Bild 4). Letzteres wurde analog zum thermoelektrischen Wandler im weiteren Designprozess eingesetzt, um Effekte von Parametern des Gleichrichters, des Energiespeichers und entsprechenden Spannungswandlern aus Gesamtsystemsicht zu optimieren.
Anwendungsbeispiele
Im Verbundprojekt Energieautarkes Condition Monitoring System (ECoMoS) wurden mittels Energy Harvester betriebene Sensoren mit Funkschnittstelle (Bild 5) für das Anwendungsfeld Condition Monitoring von Industrieanlagen weiterentwickelt [3]. Längst wurde das Potenzial autarker Funksensorsysteme für diesen Applikationsbereich erkannt: Der Einbau von autarken Sensoren in komplexe Maschinen und Anlagen bietet die Grundlage für fortgeschrittene Konzepte der Zustandsüberwachung. Dabei liefert der kabelfreie Betrieb Vorteile gegenüber konventionellen Systemen. Messdaten können mit hoher örtlicher Auflösung auch an schwer zugänglichen Orten erfasst werden; der Installations- und Wartungsaufwand für den Sensor selbst ist durch die autarke Energieversorgung erheblich reduziert.
Energieautarke Datenlogger lassen sich zur lückenlosen Überwachung des Transportes stoß- und temperaturempfindlicher Güter einsetzen. Sie messen und speichern die relevanten Größen abrufbereit bis zur weiteren Übergabe an den nächsten Frachtführer. So können Grenzwertüberschreitungen sowohl quantitativ als auch qualitativ bewertet werden. Dies ist ein besonderer Vorteil gegenüber kommerziellen, nicht reversiblen Farbumschlagsindikatoren. Das in [2] vorgestellte System (Bild 6) gewinnt seine Energie aus den beim Transport auftretenden Erschütterungen durch einen Piezowandler und verwendet dabei als Energiezwischenspeicher einen Doppelschichtkondensator. Ein Temperatursensor misst periodisch die Temperatur der Fracht und speichert die Daten auf einem internen Speicher-Chip zur lückenlosen Dokumentation der Transportbedingungen. Verletzungen der Transportbedingungen werden sofort über ein bistabiles Display dauerhaft sichtbar gemacht. Über eine bidirektionale Funkschnittstelle lassen sich die aufgezeichneten Daten bei Bedarf auslesen und auswerten.
Literatur
[1] Thomasius, R.; Guttowski, S.: A SystemC Based Framework for the Evaluation of Proactive Power-Management Approaches in Distributed Energy Harvesting Systems. The Fourth International Conference on Sensor Technologies and Applications SENSORCOMM, Venice/Mestre, 2010.
[2] Thomasius, R.; Guttowski, S.; Brockmann, C.; Benecke, S.; Kravcenko, E.; Nachsel, R. und Niedermayer, M.: Drahtlose Sensorsysteme für die zustandsorientierte Instandhaltung und Logistik. tm – Technisches Messen (2013), 80(2), 45–52. doi:10.1524/teme.2013.0006
[3] Niedermayer, M.; Wirth, R.; Kravcenko, E.; Benecke, S.: Frühwarnsystem für Maschinenausfälle: Energieautarke Funksensorsysteme zum Condition Monitoring. Zeitschrift für Produktion von Leiterplatten und Systemen PLUS, Bd. 14, Bad Saulgau (2012).
Stephan Benecke |
Rolf Thomasius |
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studierte Elektrotechnik mit dem Schwerpunkt Mikrosystemtechnik an der Technischen Universität Berlin. Seine Diplomarbeit zur Bewertung der Umweltverträglichkeit der Energy Harvester wurde mit dem 1. ECODESIGN-Preis der Zeitschrift Elektronik ausgezeichnet. Der Fokus seiner Forschungsarbeiten liegt auf der systemorientierten Modellierung von Energy-Harvesting-Systemen zur applikationsgerechten Absicherung der Funktion unter Optimierung der Umwelt-Performance. Er ist Mitarbeiter der Gruppe Nachhaltige Technologien am Forschungsschwerpunkt Technologien der Mikroperipherik der TU Berlin. |
studierte Technische Informatik an der TU Berlin. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsverbund des Fraunhofer-Instituts für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM) und der TU Berlin unterstützt er kleine und mittelständische Unternehmen bei der Entwicklung elektronischer Systeme. Die energieeffiziente Realisierung und Verifikation energetischer Anforderungen sind dabei zwei seiner Schwerpunkte. Derzeit beschäftigt er sich mit der Optimierung der Energieversorgung von Kleinstsatelliten in der Raumfahrt. |
Stephan Benecke |
Rolf Thomasius |
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studierte Elektrotechnik mit dem Schwerpunkt Mikrosystemtechnik an der Technischen Universität Berlin. Seine Diplomarbeit zur Bewertung der Umweltverträglichkeit der Energy Harvester wurde mit dem 1. ECODESIGN-Preis der Zeitschrift Elektronik ausgezeichnet. Der Fokus seiner Forschungsarbeiten liegt auf der systemorientierten Modellierung von Energy-Harvesting-Systemen zur applikationsgerechten Absicherung der Funktion unter Optimierung der Umwelt-Performance. Er ist Mitarbeiter der Gruppe Nachhaltige Technologien am Forschungsschwerpunkt Technologien der Mikroperipherik der TU Berlin. |
studierte Technische Informatik an der TU Berlin. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsverbund des Fraunhofer-Instituts für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM) und der TU Berlin unterstützt er kleine und mittelständische Unternehmen bei der Entwicklung elektronischer Systeme. Die energieeffiziente Realisierung und Verifikation energetischer Anforderungen sind dabei zwei seiner Schwerpunkte. Derzeit beschäftigt er sich mit der Optimierung der Energieversorgung von Kleinstsatelliten in der Raumfahrt. |