Die präzise Erkennung von Menschen und Objekten ist in vielen Anwendungen entscheidend. Jedoch ist der Datenschutz oft ein Problem. Hier setzt das mmWave-Radar an: Es ermöglicht zuverlässige Präsenzerkennung, ohne dabei persönliche Daten wie Gesichter oder Bilder zu speichern.
Moderne Anwendungen setzen zunehmend auf Maschinen, die ein Bewusstsein für ihre Umgebung erfordern. Ihre Einsatzgebiete sind breit gefächert und reichen von der Automobilbranche über die Industrie bis hin zu Konsumgütern und mehr. Es liegt auf der Hand, dass Dinge, die sich bewegen (z. B. Drohnen, Autos, fahrerlose Transportfahrzeuge, Haushaltsroboter etc.), in der Lage sein müssen, Hindernisse und andere Fahrzeuge zu erkennen und darauf zu reagieren, während statische Objekte auf Dinge in ihrer Nähe achten müssen. So wird beispielsweise in Gebäuden eine Präsenzerkennung zur Steuerung des Energieverbrauchs eingesetzt, und auch Fahrzeugkabinen werden aus Sicherheitsgründen zunehmend überwacht.
Auch der Wunsch nach Nachhaltigkeit treibt diese Trends voran. Durch die Erkennung der Anwesenheit von Menschen in einem Gebäude lassen sich Beleuchtung und andere Ressourcen bedarfsgerecht einschalten – also nur dann, wenn es wirklich nötig ist. Das spart Energie und senkt die Betriebskosten. Komfort ist ein weiterer Faktor. So kann sich beispielsweise automatisch eine Tür öffnen, wenn sich eine Person darauf zubewegt.
In Fabriken werden Roboter zunehmend in die Belegschaft integriert. Diese enge Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter bringt viele Vorteile in der Leistung, wirft aber auch Sicherheitsbedenken auf. Wenn ein (statischer oder mobiler) Roboter Menschen in der Nähe erkennen kann, lässt sich seine Bewegung vorübergehend einschränken – und somit die Sicherheit erhöhen.
In Fahrzeugen können, wenn die Anzahl der Insassen, deren Position sowie ungefähre Größe und Gewicht bekannt sind, die richtigen Airbags mit angemessener Kraft ausgelöst werden. Dadurch werden die Insassen bei einem abrupten Bremsmanöver geschützt und nicht verletzt. Euro NCAP (1) treibt die Überwachung der Fahrzeuginsassen voran, insbesondere in Bereichen wie der Präsenzerkennung von Kindern.
Eine der wichtigsten Komponenten bei der Präsenzerkennung ist ein Sensor. Zu den gängigen Technologien hinter diesen Sensoren gehören die Umwandlung von Licht in Elektrizität (z. B. Bildsensoren), passives Infrarot und das mmWave-Funkband.
Angesichts der Vielzahl kleiner, hochauflösender Bildsensoren, die derzeit verfügbar sind, scheint dies eine naheliegende Technologie zu sein, um Hindernisse in der Umgebung zu erkennen, einschließlich Menschen. Aus technischer Sicht ist die Leistung mehr als ausreichend. Aber es gibt einige Einschränkungen bei dieser Technologie – vor allem die Notwendigkeit einer Sichtverbindung und die Unfähigkeit, eine getarnte Person (z. B. ein Kind unter einer Decke in einem Fahrzeug) zu identifizieren. Der größte Nachteil von Bildsensoren liegt jedoch in den Datenschutzbedenken, die sie hervorrufen. Für die meisten Applikationen ist es nur nötig, zu erkennen, DASS ein Mensch anwesend ist. Bildsensoren können erkennen, WELCHER Mensch anwesend ist – und diese Daten dann für alle Zeit speichern.
Passiv-Infrarotsensoren (PIRs) sind seit Jahren eine beliebte Methode zur Erkennung von Menschen für Applikationen wie automatische Beleuchtung oder Sicherheitsalarme. Der PIR-Sensor erkennt eine Veränderung der Infrarotenergie, wenn sich ein Mensch in Reichweite bewegt. Wird ein voreingestellter Schwellenwert überschritten, wird das Licht eingeschaltet oder der Alarm aktiviert. Auch bei der PIR-Technologie gibt es einige Einschränkungen, einschließlich einer relativ geringen Reichweite, die den Einsatz mehrerer Sensoren erfordert. Sie hat Schwierigkeiten, Menschen zu erkennen, die still stehen oder sich sehr langsam bewegen. Und wenn PIR im Freien verwendet wird, kann das Wetter diese Technologie fast unbrauchbar machen. Weil sie eine direkte Sichtverbindung erfordert, ist sie außerdem sehr auffällig.
Um den Bedarf an Präsenzerkennung und -verfolgung zu decken, ohne Datenschutzbedenken zu verursachen, suchen Entwickler nach alternativen Technologien wie mmWave-Radar.
Auch wenn es schwieriger zu implementieren ist, bietet mmWave-Radar einige Vorteile gegenüber PIR. mmWave-Radar basiert auf dem gut erforschten Dopplerprinzip und erkennt sowohl Bewegungen als auch die Geschwindigkeit und Richtung eines Objekts. Das ermöglicht intelligentere Entscheidungen. Mit mmWave würde sich eine Tür beispielsweise nur dann öffnen, wenn eine Person auf sie zugeht und nicht schon, wenn sie nur an ihr vorbeigeht. Weil mmWave-Radar zudem keine Infrarotenergie benötigt, erfasst es auch leblose Objekte.
Die Reichweite von mmWave liegt zwischen einigen Zentimetern und Hunderten von Metern, sodass in vielen Applikationen eine vollständige Abdeckung mit nur einem einzigen Sensor möglich ist. mmWave kann auch durch dünne Schichten wie Gipskartonplatten hindurch funktionieren, sodass es unauffällig in Gebäuden eingesetzt werden kann.
In der Gebäudeautomatisierung kann die mmWave-Technologie den Komfort und die Sicherheit erhöhen sowie die Betriebskosten senken, indem sie etwa Beleuchtung, Heizung und Klimaanlage auf der Grundlage der Anwesenheit von Personen steuert. Weil mmWave im Gegensatz zu Bildsensoren keine Videos aufnimmt, gibt es keine Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes, und die Technologie kann selbst in sensiblen Bereichen wie Toiletten oder Umkleiden eingesetzt werden.
Im Automobilbereich erweist sich mmWave als nützliche Technologie für die Präsenzerkennung im Fahrzeuginnenraum. Die Erkennung sichtbarer Menschen und die Schätzung ihrer Größe liegen durchaus im Rahmen der Möglichkeiten dieser Technologie. Mit diesen Daten können Airbags nur dort ausgelöst werden, wo sie benötigt werden, und zwar mit einer angemessenen Kraft, um die Sicherheit der Insassen zu gewährleisten.
Die Präsenzerkennung im Fahrzeug gewinnt zunehmend an Bedeutung, und viele Technologien können die Anwesenheit eines sichtbaren Kindes erkennen, das im Fahrzeug zurückgelassen wurde. Die Präzision der mmWave-Technologie ermöglicht es jedoch zum Beispiel auch, Babys unter einer Decke zu erkennen, indem sie die durch die Atmung und/oder den Herzschlag verursachten Bewegungen erfasst.
Texas Instruments (TI) stellt mmWave-Sensoren her, die in modernen Fahrerassistenzsystemen (FAS) Einsatz finden. Durch sie kann das Fahrzeug seine Umgebung wahrnehmen. Die CMOS-Einzelchip-Sensoren reduzieren die Designgröße durch die Kombination des HF-Frontends mit einem digitalen Signalprozessor (DSP) und einem Mikrocontroller (MCU) und ermöglichen die Erkennung komplexer städtischer Umgebungen und anderer Verkehrsteilnehmer. Die Technologie ist aber auch für Industrieapplikationen von Bedeutung, wo sie zur Erkennung von Anwesenheit und Flüssigkeitsständen sowie zur Steuerung von Lagerrobotern und Drohnen eingesetzt wird.
Auch wenn die Technologie für einige Entwickler noch unbekannt sein mag, gibt es mehrere Tools, die den Entwicklungsprozess erleichtern. Das MM5D91-00 von Jorjin Technologies Inc. ist ein Sensormodul zur Präsenzerkennung, das auf der 60-GHz-mmWave-Technologie basiert. Das Bauteil verfügt über eine Sendeantenne, drei Empfangsantennen und ein Arm-Cortex-M4F-Prozessorsystem.
Wie bei vielen innovativen Technologien eröffnet auch mmWave-Radar neue Einsatzmöglichkeiten. So ersetzt beispielsweise die Gestenerkennung physische Bedienfelder durch virtuelle Mensch-Maschine-Schnittstellen (Human-Machine Interfaces, HMIs). Dabei kann eine Person eine Hand vor den Sensor halten und sie dann in vordefinierten Mustern als Eingabe für das System bewegen. Die Aktionen sind oft intuitiv: Eine flache Handfläche bedeutet „Stopp“, das Drehen einer Hand verändert Parameter wie etwa die Lautstärke.
Die Gestenerkennung bietet viele Vorteile, je nachdem, wo sie eingesetzt wird. In Fahrzeugen sind Sicherheit und Komfort die Hauptvorteile, weil der Fahrer während der Fahrt keine kleine Taste bedienen muss und den Blick auf die Straße richten kann. Weil es keinen Kontakt zwischen der Person und der HMI gibt, ist es auch hygienischer – das ist besonders im Gesundheitswesen und in der Gastronomie von Vorteil.
Weil immer mehr kleine Geräte auf den Markt kommen, hilft die Gestenerkennung den Designern auch dabei, den Platz für physische HMI-Tasten und -Regler zu reduzieren. Und wenn das Gerät aktualisiert wird, um zusätzliche Funktionen hinzuzufügen, können auch neue Gesten hinzugefügt werden.
Der Markt für diese Technologie ist relativ neu; nach Schätzungen von Global Market Insights (2) lag der Wert der Gestenerkennung allein im Automobilsektor im Jahr 2022 bei 644 Mio. US-Dollar. Die voraussichtliche Verbreitung und der Wert dieser Technologie werden durch die prognostizierte jährliche Wachstumsrate von 18,2 % bestätigt, die den Markt bis 2032 auf 3,25 Mrd. US-Dollar ansteigen lässt.
Die Wahrnehmung der Umgebung ist der Schlüssel dazu, dass sich Maschinen autonomer bewegen oder nahende Gefahren erkennen können. Zwar eignen sich Bildsensoren hierfür, doch gibt es Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes, weil Menschen identifiziert und verfolgt werden können.
Alternative Technologien wie mmWave-Radar bieten das nötige Situationsbewusstsein und beseitigen gleichzeitig Datenschutzbedenken, weil keine Aufnahmen von Gesichtern gemacht werden. Im Gegensatz zu vielen Bildsensoren kann das 60-GHz-mmWave-Radar über Entfernungen von unter 100 m und bei schlechten Wetterbedingungen eingesetzt werden, was es zu einer bevorzugten Lösung für viele Entwickler macht.
Der Autor: Mark Patrick ist Director of Technical Content EMEA bei Mouser Electronics