Den ersten Gassensor der Welt, der mit KI ausgestattet und direkt in der Anwendung lernen kann, hat Bosch Sensortec jetzt auf den Markt gebracht.
»Das ist ein schönes Beispiel dafür, wie Software und KI die Funktionalität der Sensoren und ihre Flexibilität erweitern«, sagte Dr. Stefan Finkbeiner, CEO von Bosch Sensortec gegenüber Markt&Technik.
Jetzt hat der Anwender die Möglichkeit, die Sensoren auf bestimmte Stoffe zu trainieren. So kann der neue Sensor vom Typ BME688 in einer Kaffeemaschine verschiedene Kaffeesorten aufgrund ihres Geruchs erkennen und auseinanderhalten. Denn Bosch ist es gelungen, nun auch KI-Algorithmen in den Sensor zu implementieren, was das eigentlich Neue ist: Das Toolkit BME AI Studio erlaubt es, dass sich dem Gassensor eine Vielzahl neuer Einsatzfälle erschließen.
Denn an der Hardware des Sensors an sich hat sich nichts gegenüber dem Vorgänger, dem BEM680 geändert. Ihn hatte Bosch Sensortec 2015 als Nachfolger des BME280 vorgestellt. Schon der BME 680 war der erste seiner Art auf dem Markt: Ein 4-in-1-Sensor, der nicht nur Druck, Temperatur und Feuchtigkeit misst, sondern auch Gase aufspürt.
Das Funktionsprinzip des Sensors, der Volatile Organic Compounds (VOCs) bis in den ppm-Bereich messen kann: An eine Metalloxidschicht mit großer Oberfläche docken die Gasmoleküle an. Daraufhin ändert sich die Impedanz und daraus lässt sich ermitteln, welche Art von Gasmolekülen gebunden wurden. Beheizbare Schichten im Sensor sorgen dafür, dass die Gasmoleküle nach der Messung aus dem Sensor entfernt werden können.
»Das ist eine Methode, die sich schon lange bewährt hat, beispielsweise für die Umluftklappe im Auto«, erklärt Finkbeiner. »Für die Einsatzfälle, für die wir den Sensor entwickelt haben, passt die Methode genau.«
Sensoren, die mit optischen und akustooptischen Methoden arbeiten, wären zwar für einzelne Gase etwas genauer, dafür sind sie aber deutlich größer und benötigen sehr viel mehr Energie, eignen sich also nicht gerade für den Einsatz in tragbaren Geräten. Dagegen findet der BME688 in einem Gehäuse mit den Abmessungen 3 mm x 3 mm x 0,9 mm Platz und lässt sich damit auch ohne weiters in Wearables unterbringen. »Um Stoffe zu unterscheiden, hat sich diese Methode als ausgesprochen geeignet herausgestellt, die Selektivität ist sehr gut«, so Finkbeiner.
Den BME680 hatte Bosch Sensortec unter anderem dafür konzipiert, die Luftqualität in Räumen zu ermitteln. Gerade in Corona-Zeiten hat die Nachfrage nach diesen Sensoren in vielen Smart-Home- und Smart-Building-Anwendungen einen enormen Auftrieb erfahren. Aber auch für personalisierte Wetterstationen, Indoor-Navigation, für die Ermittlung der Fitness und für viele andere Einsatzfälle im IoT eignet er sich.
Mit Hilfe des neuen BME AI Studio von Bosch lässt sich die Hardware jetzt für einen viel weiteren Anwendungsbereich nutzen. Ein Beispiel: Der Gassensor misst die VCOs in einer bestimmten Kaffeemischung. Aus diesen gelabelten Daten generiert BME AI Studio die Algorithmen, die sich dann auf den speziellen Einsatzfall, hier das Erkennen der Kaffeesorte, anwenden lässt. Es sind keine Data Scientists erforderlich, um die dazu erforderlichen Maschine-Learning-Algorithmen zu erstellen. »Jetzt können die Kunden mithilfe der KI sehr einfach neue Features für ihre Produkte entwickeln, um sich zu differenzieren«, so Finkbeiner.
Sogar der Gesundheitszustand wird über KI ermittelt
Der BME688 erkennt nicht nur die verschiedenen Parameter Feuchte, Druck und Temperatur sowie die VCOs, die KI vermag aus der Zusammensetzung der verschiedenen emittierten Stoffe sogar auf den aktuellen Gesundheitszustand einer Person zu schließen. Diese Analysen dienen der persönlichen Gesundheitsüberwachung, lassen sich aber auch im Fitnessbereich einsetzen.
Dem potenziellen Anwendungsspektrum sind kaum Grenzen gesetzt, wie Stefan Finkbeiner im Gespräch mit Markt&Technik erklärte: »Von den klassischen Einsatzfällen im Smart Home wie die Überwachung der Luftqualität bis zur Ermittlung des Frischegrades von Lebensmitteln in Geschäften oder im Kühlschrank zu Hause sind unzählige Anwendungen denkbar«. Sogar Hersteller von Windeln würden sich dafür interessieren, damit die Eltern von Babys sofort darüber informiert werden, sobald es an der Zeit für einen Windelwechsel ist. Oder wie oben schon erwähnt der Einsatz in Kaffeemaschinen, um zu unterscheiden, ob etwa Filterkaffee oder Espresso ausgegeben wird.
Waldbrände erkennen, sobald sie entstehen
Besonders interessant ist der Einsatz der Sensoren als Warnmelder im Wald, um bei entstehenden Feuern sehr früh zu informieren, so dass die Feuerwehr Großschäden verhindern kann. Denn hier kommt eine weitere Eigenschaft des BME688 zum Tragen: Er lässt sich vernetzen, so dass viele Sensoren über kritische Waldgebiete verteilt werden können, die untereinander kommunizieren und es so gestatten, ein Lagebild zu ermitteln.
Dabei läuft das Training in Minuten ab, muss aber auf einem externen Controller stattfinden, weil der BME688 nicht über einen eigenen Controller verfügt. »Selbst auf einem kleinen Controller können wir mit BME AI Studio erstaunliche Ergebnisse erzielen«, freut sich Finkbeiner. Die Analyse der Gase geschieht im Betrieb innerhalb von Sekunden.
Finkbeiner rechnet damit, dass Bosch Sensortec die Gassensoren für Anwendungen rund um IoT, Smart Home und Wearables in Mengen von Millionen Einheiten verkaufen werde. »Das kommt natürlich nicht an die Stückzahlen von Smartphones heran, aber es ist ein interessanter Markt und die Zahl der Anwendungen steigt schnell«, so Finkbeiner.
Das Hardware-Development-Kit zum BME668 besteht aus eine Leiterplatte mit acht BME668-Gassensoren, Tasten für das Labeling der Daten und einer SD-Karte für ihre Speicherung. Der Sensor selber kann Drücke zwischen 3000 und 1100 hPa messen, Feuchten zwischen 0 und 100 Prozent sowie Temperaturen von -40 bis +85 °C. Seine durchschnittliche Stromaufnahme liegt je nach den aufgenommenen Messgrößen zwischen 2,1 µA (Feuchte- und Temperaturmessung) und 3,9 mA (Standard-Gasmessung).