Welche weiteren Trends sehen Sie in der Messtechnik auf uns zukommen?
Immer mehr Kunden wünschen sich Benutzerschnittstellen für Messgeräte, wie man sie von Consumer-Produkten her kennt, beispielsweise die Bedienung über Multitouch-Gesten zum Manipulieren von Signalen oder die Spracheingabe für die freihändige Bedienung.
Gefragt ist außerdem ein wesentlich flexibleres Bildschirm-Layout mit mehreren Fenstern und Messdiagrammfeldern, die die gleichzeitige Darstellung aller für den Anwender relevanten Informationen ermöglichen.
Zudem möchten Kunden eine aussagekräftige Bewertung ihrer Designs auf einer höheren Abstraktionsebene. Gefragt sind beispielsweise Testlösungen, die auf Tastendruck die Information liefern, ob ein System mit einem bestimmten Industriestandard konform ist oder nicht. Viele Kunden haben nicht die Zeit, sich in alle Details und Verästelungen eines Standards oder in komplizierte Messgerätefunktionen einzuarbeiten.
Die Lösung sind schlüsselfertige Software-Applikationen, mit denen Anwender nicht nur Messwerte, sondern aussagekräftige Bewertungen erhalten.
Sie sprachen das Thema Bedienung an. Waren Oszilloskope mit kapazitivem Touchscreen etwas, wonach die Kunden gefragt haben, oder wollten Sie von sich aus das Oszilloskop einfach nur benutzerfreundlicher machen?
Unsere Kunden haben nicht unmittelbar nach diesem Feature gefragt, und auch hausintern gab es zunächst eine gewisse Skepsis. Doch unsere Studien haben ergeben, dass solche Geräte das Nutzererlebnis deutlich verbessern. Ein entsprechendes Projekt, das wir zusammen mit einer amerikanischen Universität durchgeführt haben, begann vor einigen Jahren mit einer Untersuchung zur Eignung kapazitiver Touchscreens und Multitouch-Gesten für Mess- und Prüfgeräte.
Als erstes untersuchten wir anatomische und biomechanische Aspekte, also ob und wie Menschen ein solches Gerät überhaupt bequem bedienen können. Wir untersuchten auch potentielle gesundheitliche Risiken, die sich aus der langfristigen Benutzung eines Oszilloskops mit Touchscreen ergeben könnten. Es folgte eine zweite Runde, an der neben der Uni auch unser Entwicklerteam in Colorado und mehrere Keysight-Technologiezentren beteiligt waren. Das Ziel war die Entwicklung von Algorithmen, die sowohl eine blitzschnelle Reaktion des Oszilloskops gewährleisten, als auch zu vernünftigen Ergebnissen führen. Wenn man beispielsweise mit einer Zoom-Geste die Vertikalempfindlichkeit eines Oszilloskops verändern möchte, sollte als Ergebnis nicht 1,053 Volt/div herauskommen, sondern ein »vernünftiger«, in diesem Fall ein runder Wert.
Auf Grundlage dieser Forschungsergebnisse entwickelten wir schließlich im Jahr 2012 unsere erste Oszilloskop-Familie mit kapazitivem Touchscreen, die InfiniiVision-4000-X-Serie. Mittlerweile nutzen alle neuen Keysight-Scopes diese Technologie.
Welche weiteren Bedienkonzepte halten Sie für interessant?
Neben kapazitiven Touchscreens könnte vor allem die Sprachsteuerung – wie man sie von vielen Smartphones, Tablets oder Auto-Navigationssystemen schon kennt – wichtiger werden. Anwender haben während der Messungen oft keine Hand frei, weil sie Messpunkte mit einem oder mehreren Tastköpfen kontaktieren oder das Messobjekt bedienen müssen.
Sprachsteuerung ist also besonders für Oszilloskope interessant, die für allgemeine Anwendungen wie die Fehlersuche konzipiert sind. Unsere InfiniiVision-6000-X-Familie ist die erste Oszilloskop-Serie am Markt, die Sprachsteuerung in einer Vielzahl von Sprachen bietet.
Auch wenn es schwierig ist, an offizielle Marktzahlen zu gelangen, scheinen sich Oszilloskope von Keysight immer stärker zu etablieren. Worauf führen Sie das zurück?
Nach Informationen eines Marktforschungsinstituts lag unsere Wachstumsrate im Oszilloskop-Segment im Zeitraum von 2002 bis 2013 im Vergleich zum Branchendurchschnitt mehr als doppelt so hoch. Unserer Einschätzung nach ist das – neben unserer technologischen Basis – hauptsächlich auf unsere starke Kundenorientierung zurückzuführen.
Wir führen kontinuierlich Kundenbefragungen durch und betreiben aufwendige Marktstudien in allen Regionen, um die Bedürfnisse der Kunden zu ergründen und dann die exakt darauf ausgerichtete Tools bereitzustellen. Das war und ist unser Erfolgsrezept. Ein Beispiel: Als Agilent im Jahr 2002 auf den Markt für Hochleistungsoszilloskope zurückkehrte, hatten wir nicht die besten »Banner-Spezifikationen«. Durch Beobachtung der Anforderungen der Kunden haben wir jedoch herausgefunden, wie wichtig die hochgenaue Signalcharakterisierung bzw. die Signalintegrität für sie ist.
Deshalb haben wir Geräte entwickelt, die genau darauf zugeschnitten waren – Oszilloskope mit großer Bandbreite, minimalem Eigenrauschen und schnurgeradem Frequenzgang. Ein weiteres Beispiel sind unsere Sampling Scopes: Mitte des vergangenen Jahrzehnts brachten wir ein Gerät auf den Markt, das Jitter-Messungen erstmals mit einem einzigen Tastendruck ermöglichte. Wir haben diese Software in unsere Oszilloskope integriert und dafür gesorgt, dass sie spielend leicht zu benutzen ist. Kurzum: Kunden wollen einfache Bedienbarkeit, also richten wir unsere Geräte darauf aus.
Nicht zuletzt ist aber auch das Preis/Leistungsverhältnis wichtig – vor allem im Bereich der Universaloszilloskope. Darauf haben wir mit einer neuen ASIC-Technologie reagiert, die nicht nur Oszilloskop-Funktionen erfüllt und dabei sehr hohe Signalaktualisierungsraten ermöglicht, sondern die auch digitale Timing-Analyse- und Signalgeneratorfunktionen bereitstellt.
Welche technologischen Trends erwarten Sie für die nächsten Jahre?
Im Bereich der Hochleistungsoszilloskope und Logikanalysatoren wird es um Testlösungen für zukunftsgerichtete Technologien gehen. In der Kommunikationsbranche beispielsweise sind mehrwertige Digitalsignale und optische MIMO-Anwendungen im Kommen. Diese und andere aufkommende Technologien erfordern neue Messverfahren. Im Computer-/Halbleitersegment sind es vor allem die DDR-Speicher-Anwendungen, die künftig immer höhere Leistungsanforderungen an Logikanalysatoren stellen.
Wie stellt Keysight sicher, technologisch auch in Zukunft gut gerüstet zu sein?
Um zukunftssicher aufgestellt zu sein, muss ein Innovationsklima im Unternehmen herrschen. Genau das zeichnet Keysight aus. Wir investieren kontinuierlich in unsere Hardware- und Software-Technologien. Dazu unterhalten wir Technologiezentren in vielen Ländern, die jeweils auf unterschiedliche Fachgebiete spezialisiert sind. In unserem Werk in Santa Rosa beispielsweise haben wir eine eigene Indium-Phosphid-Fab. Das dortige Team arbeitet kontinuierlich an neuen, speziell auf Mess- und Prüfgeräte zugeschnittenen Prozessen. In Colorado Springs betreiben wir ein ASIC-Designzentrum, das die Datenprozessoren entwickelt, die in den A/D-Wandlern stecken, die wiederum aus den Keysight Labs in Santa Clara kommen. Alle diese Technologien landen letztlich in unseren Digitalgeräten. Übrigens: Wir entwickeln die so genannten »Digital Photonics Test«-Lösungen hier am deutschen Standort in Böblingen.
Das Interview führte Nicole Wörner, Markt&Technik.