Und wenn InnovationLab zur Ansicht kommt, dass eine Idee wenig vielversprechend ist?
Dann sagen wir das sehr offen, sowohl was die Technik als auch was die Geschäftsmodelle betrifft. Wir haben keinerlei Interesse daran, ein Projekt über ein Jahr in die Länge zu ziehen, um dann sagen zu müssen, es funktioniert nicht – im Gegenteil, unser Vorteil besteht darin, dass wir eine Idee sehr schnell umsetzen, meist innerhalb von Wochen oder sehr wenigen Monaten. Und eben auch in einem sehr frühen Stadium sagen können, wenn etwas nicht funktionieren wird.
Sie sprachen von hohen Stückzahlen. Gibt es bereits Produkte, die in hohen Stückzahlen laufen?
Ein Beispiel ist das OccluSense-System, das wir für die Dr. Jean Bausch GmbH & Co. KG entwickelt haben. Es wurde bis jetzt schon in Millionen Stück gefertigt. Ein weiteres Beispiel ist ein Sensor, der den Autofahrer daran erinnert, den Gurt anzulegen. Es handelt sich um einen einfachen Plastik-Membran-Schalter, der je nach Modell in wenigen 100.000 Stück pro Jahr gefertigt wird. Oft wollen aber die jeweiligen Firmen nicht, dass wir über die Projekte in der Öffentlichkeit sprechen. Geheimhaltung und Diskretion gehören zu unserem Geschäftsverständnis.
Reichen die Produktionskapazitäten für den stark steigenden Bedarf, mit dem sie fest rechnen, überhaupt aus?
Wie gesagt: Unsere Fab hat eine riesige Kapazität. Intern messen wir sie in Laufmetern pro Jahr, unsere Produktionsmaschinen erreichen mehrere 100.000 m. Wenn wir einen Auftrag über 20 Millionen Sensoren bekämen, würden wir das in vier Wochen abarbeiten können. 100.000 Sensoren schaffen wir in zwei Tagen. Kapazität ist also genügend vorhanden. Wir drucken Sensoren an einem Tag, die andere in Wochen und Monaten fertigen.
Woher bezieht Heidelberg Printed Electronic die Maschinen?
Die Maschinen stammen von Gallus, einer Tochter von Heidelberger Druck. Ursprünglich sind es Etikettier-Maschinen, die sich aber leicht auf den Druck von Sensoren umbauen lassen. Diese Maschinen werden also schon seit Langem in hohen Stückzahlen und somit sowohl in hoher Qualität als auch kostengünstig hergestellt. Es gibt Tausende dieser Maschinen im Feld, allerdings können nur unsere Elektronik drucken.
Sie hatten angedeutet, dass über neue Materialien neue Märkte erobert werden könnten. Gibt es ein Beispiel dafür?
Ja, durch den Übergang von gedrucktem Silber auf gedrucktes Kupfer ist der Einstieg in die Leiterplattenfertigung möglich. Das ging bisher nicht. Denn es sind hohe Temperaturen während des Verarbeitungsprozesses erforderlich. Weil Kupfer nicht so edel ist wie Silber, würde es oxidieren. Aber an sich hätte Kupfer sehr wünschenswerte Eigenschaften. Den Prozess einfach im Vakuum stattfinden zu lassen würde zwar funktionieren, das wäre aber viel zu teuer. Wir nutzen dagegen einen additiven Prozess mit Tinten, unter anderem solche, die das israelische Startup Copprint entwickelt hat, um das Kupfer mithilfe eines Printing-Verfahrens auf die Leiterplatte aufzubringen.
Das hat weitere sehr große Vorteile: Bei dem herkömmlichen Verfahren wird das Metall für die Leiterbahnen auf der ganzen Fläche der PCB abgeschieden. Der größte Teil wird dann wieder weggeätzt, sodass nur die Leiterbahnen übrigbleiben. Das ist eine große Verschwendung von Material. Vor allem aber muss dazu nasschemisch geätzt werden. Auch ein Grund, warum die Fertigung vor allem in Asien stattfindet, dort gibt es für solche Verfahren viel weniger Regulierungen als hierzulande. Mit unserer neuen Methode können wir jetzt einfache Leiterplatten mit ein bis vier Lagen, die eine relativ große Fläche aufweisen, kostengünstig vor Ort fertigen. Die Produktion beispielsweise von Leiterplatten für Tastaturen kann nun wieder in Europa stattfinden. Dass die Produktion mit dem neuen Verfahren auf Basis der Tinten von Copprint viel nachhaltiger wird, spielt eine sehr wichtige Rolle.
Was sind die Ziele von InnovationLab über die nächsten Jahre?
Ein wichtiges Ziel besteht darin, Aufträge zu gewinnen, die zu hohen Stückzahlen führen. Wie bereits geschildert, sehen wir uns hier sehr gut aufgestellt, und ich bin mir sicher, dass wir bis in zwei Jahren unsere Produktion um Größenordnungen steigern können. Dafür entwickeln wir Technologie-Plattformen, auf denen wir starten. Dann werden die Produkte und Verfahren optimiert, bevor es in die Massenfertigung geht.
Im Bereich der Produkte, die nicht in hohen Volumen laufen, wollen wir komplette Systeme anbieten, denn in Systemanwendungen ist die Wertigkeit pro Einheit sehr viel höher.
Ein Beispiel sind Drucksensoren für den Einsatz im Management von Autobatterien, die im Test und in der Qualifizierung Einsatz finden. Mit unseren gedruckten Temperatur- und Drucksensoren lässt sich das Verhalten der Batterien auf Zellebene genauer erfassen. Sie können genauer messen und damit zu einem verbesserten Design des Batteriesystems beitragen. Automobilhersteller versprechen sich davon eine Verlängerung der Batterielebensdauer um nicht weniger als 30 bis 40 Prozent!
Außerdem wollen wir – wie an der Leiterplattenfertigung gezeigt – mit neuen Materialien und Verfahren neue Märkte erschließen und die Stückzahlen weiter expandieren.
Dr. Michael Kröger
Er hatte InnovationLab schon als Research Group Leader kennengelernt, denn dorthin hatte ihn die TU Braunschweig entsendet, an der er Elektrotechnik studiert und die ihn promoviert hatte. Von 2010 bis 2012 hat er als Resident Researcher am InnovationLab gearbeitet. 2013 stieg er bei BASF ein und war in technischen und kommerziellen Management-Rollen tätig. Seit August 2021 ist er Geschäftsführer von Heidelberg Printed Electronics. Dort steht die Maschine von Gallus, einer Tochter der Heidelberger Druck, die in der Lage ist, hohe Stückzahlen an gedruckten Sensoren herzustellen. Auch InnovationLab nutzt eine modular aufgebaute, sehr flexible Maschine von Gallus, um dort Produktionsverfahren zu entwickeln sowie Prototypen und kleine Stückzahlen herzustellen. Heidelberg ist neben BASF, dem KIT und der Universität Heidelberg Gesellschafter von InnovationLab.