Das Dilemma eines Distributors ist ja häufig die Tatsache, dass er bereits vergleichbare Produkte im Portfolio hat. Wie machen Sie das im Hinblick auf NI und beispielsweise Keysight?
Steiner: Eigentlich ist es einfach: Unsere Experten stellen dem Kunden die möglichen Lösungen mit ihren Vor- und Nachteilen vor. Natürlich muss ein Produkt den Messanforderungen des Kunden genügen. Es gibt Lösungen, die es ihm ermöglichen, ein Testsystem auf zukünftige Messaufgaben zu adaptieren, beispielsweise beim Wechsel zu einer höheren Bandbreite, bei der Anzahl der Eingangskanäle oder der Integration weiterer Funktionen. Ob derartige Überlegungen den Ausschlag für das eine oder das andere Testsystem geben, entscheidet letztlich der Kunde.
Sie haben einige Mitarbeiter von NI übernommen und werden ein neues Büro in München eröffnen.
Steiner: Ja, es hat sich für uns sehr vorteilhaft gefügt, dass wir knapp zehn technische Spezialisten von NI übernehmen konnten. Das bietet dem Kunden einen übergangslosen Wechsel zu Datatec, zumal bereits eine Beziehung der Kunden zu den vormals NI-Mitarbeitern besteht und diese Kollegen das NI-Portfolio sehr gut kennen. Daher werden wir zeitnah die Münchner Geschäftsstelle eröffnen, wobei derzeit alle Mitarbeiter vom Homeoffice aus jetzt schon für Datatec und die Kunden arbeiten.
Gehen Sie damit nicht sehr stark in Vorleistung – und in ein gewisses Risiko?
Steiner: Ein Sprichwort besagt: „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!“ Natürlich sind die Zeiten durch Corona nicht einfach. Dennoch bietet uns NI die Chance, den Kunden noch umfassender zu beraten und zu bedienen. Und diese Chance nehmen wir wahr. Ein gewisses Risiko ist immer vorhanden. Aber bisher sind wir aus allen Krisen gestärkt hervorgegangen. Und so bin ich zuversichtlich, mit beiden Mannschaften, in Reutlingen und München, die Herausforderungen zu meistern.
Wird es eine eigene Firma im Datatec-Verbund geben?
Steiner: Nein. Nur die technischen NI-Mitarbeiter sitzen in München, weil sie dort wohnen. Alles andere erfolgt vom Stammhaus Reutlingen aus.
Werden beide Teams das komplette Portfolio verkaufen oder trennen Sie das?
Steiner: Die ehemaligen NI-Mitarbeiter konzentrieren sich nur auf das NI-Portfolio und die bisherigen Mitarbeiter verkaufen das angestammte Portfolio. Natürlich hat jeder die Aufgabe, das gesamte Sortiment anzusprechen, aber die technische Klärung erfolgt durch die jeweiligen Spezialisten von Datatec respektive NI.
Verlangen modulare Produkte eine andere Vertriebsstrategie als „Boxen“?
Steiner: Ja und nein. Vergleicht man die modularen Messysteme mit einem Hand-Digitalmultimeter, ist es natürlich ein großer Unterschied. Wichtig ist, dass wir die Messanforderung des Kunden verstehen, um ihn bestmöglich beraten zu können. Je nach messtechnischem Kenntnisstand des Kunden und unserem Verständnis der kundenseitigen Anforderungen kann es ein längerer Prozess sein, die optimale Lösung auszuarbeiten. Dem müssen sich beide Seiten stellen. Auch hier gilt wieder: „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“ Der Ansatz der Hard- und Software-basierten Systeme ist ja nicht neu, und er hat sich bewährt; deshalb bauen wir die Expertise von Beginn mit Nachdruck aus.
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen bei der Integration?
Steiner: Wir wollen für die neuen Mitarbeiter einen guten Übergang schaffen. Es ist sicher nicht einfach für sie, von einem großen, weltweit agierenden Unternehmen in eine mittelständische Firma zu wechseln, die bisher „nur“ im deutschsprachigen Raum aktiv ist. Das ist eine echte Herausforderung. Aber ich vertraue auf die Mitarbeiter, dass sie sich dieser stellen. Im Gegenzug werden sie von Datatec alle Unterstützung bekommen. Das „Wollen, gepaart mit Einsatz“ ist mir sehr wichtig.
Bis auf ein Joint Venture mit einem Partner in Spanien waren Sie bislang überwiegend in Deutschland tätig. Nun kommt mit der Schweiz ein Land hinzu, das ganz eigene zolltechnische Prozesse erfordert. Können Sie das mit dem bestehenden Backoffice-Team bewältigen oder werden Sie auch hier expandieren müssen?
Steiner: Wir haben sehr gute Mitarbeiter in Reutlingen und sehen hier keine Schwierigkeiten. Sollte es Engpässe geben, werden wir das Personal entsprechend aufstocken.
Sie haben in den vergangenen Jahren massiv in den Ausbau Ihres Unternehmens investiert. Dann kam Corona. Wie ist Ihr Geschäftsjahr im Vergleich zum Vorjahr gelaufen und was erwarten Sie angesichts der fortwährenden Einschränkungen für das laufende Jahr?
Steiner: Corona – ein Unheil. Auch wir waren und sind natürlich davon betroffen. Im Februar/März 2020 verzeichneten wir einen Umsatzeinbruch von rund 50 Prozent. Dabei hatten wir im Januar gerade erst den Vertrieb für Produkte von Rohde & Schwarz und Tektronix übernommen. Im Sommer/Herbst hat sich dann einiges für uns verbessert. Allerdings haben wir unser Umsatzziel gesenkt und die Messen wurden abgesagt, wodurch wir Kosten sparen konnten. Ein Lob an alle unsere Mitarbeiter, die bereitwillig die Kurzarbeit und das Homeoffice unterstützt haben. So konnten wir die Corona-Saison finanziell bisher gut überstehen. Zudem gibt es auch eine Zeit nach Corona. Deswegen investieren wir weiter – wie etwa in die Umsatzerweiterung mit NI-Produkten.