Apple, Google & Co.

Tech-Giganten im Gesundheitswesen

10. März 2022, 8:19 Uhr | Bertelsmann Stiftung
Logo von Google an der Fassade des Hauptsitzes des Mutterkonzerns Alphabet.
© Christoph Dernbach/dpa

Studie der Bertelsmann Stiftung untersucht Chancen und Risiken

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Von Amazon, Apple und Microsoft bis zu Samsung und Tencent: Die globalen Technologiekonzerne dringen immer stärker in den Gesundheitsbereich vor. Das zeigt eine Bestandsaufnahme des Forschungsteams unter Leitung der Ethikerin Christiane Woopen, das im Auftrag der Bertelsmann Stiftung das Angebot an medizinischen Produkten und Dienstleistungen von 16 der weltgrößten Digitalunternehmen untersucht hat. 13 davon waren Ende 2021 in der Rangliste der 100 wertvollsten Konzerne nach Börsenwert vertreten. Ihre Aktivitäten und Geschäftsfelder weisen eine enorme Bandbreite auf.

Neben Anwendungen für den individuellen Gebrauch, zum Beispiel Fitnessuhren oder Apps für Sport und Ernährung, spielen Angebote für Institutionen und Fachkräfte in der Gesundheitsbranche eine immer wichtigere Rolle. Dazu gehören etwa Softwarelösungen für die Diagnostik oder Plattformen für die teaminterne Vernetzung. Weit verbreitet sind Cloud-Lösungen zur Speicherung, Verwaltung, Auswertung und zum Teilen von Daten.

Einige Unternehmen treten sogar selbst als Erbringer von Gesundheitsleistungen auf. Sie betreiben Online-Apotheken, produzieren und vertreiben Arzneimittel, bieten vereinzelt Krankenversicherungen an oder eröffnen telemedizinische Kliniken. Allen betrachteten Konzernen ist gemein, dass sie in Forschung und Entwicklung mit Gesundheitsbezug investieren. produzieren und vertreiben Arzneimittel, bieten vereinzelt Krankenversicherungen an oder eröffnen telemedizinische Kliniken.

Potenziale nutzen, ethische Standards wahren

Grafik: Übersicht über die Aktivitäten der Tech-Giganten im Gesundheitswesen
Grafik: Übersicht über die Aktivitäten der Tech-Giganten im Gesundheitswesen
© Bertelsmann Stiftung

»Im öffentlichen Bewusstsein ist es noch gar nicht so präsent, wie stark die Tech-Giganten inzwischen im Gesundheitsbereich aktiv sind. Dabei wäre es wichtig, sich mit ihrem wachsenden Einfluss auseinanderzusetzen. Dank ihrer Innovationskraft stellen sie einerseits eine große Chance für die digitale Transformation von Gesundheitssystemen dar. Andererseits birgt die marktbeherrschende Stellung der Digitalkonzerne erhebliche Herausforderungen für das Gemeinwohl etwa in Bezug auf die Nutzung von Daten oder den gleichberechtigten Zugang zu medizinischen Leistungen«, führt Thomas Kostera, Gesundheitsexperte bei der Bertelsmann Stiftung, aus.

Christiane Woopen, Professorin für Lebensethik an der Universität Bonn, sagt: »Tech-Giganten können durch ihre Produkte, Services und Know-how dazu beitragen, die Prävention von Erkrankungen zu fördern, die digitale Gesundheitsversorgung sektorenübergreifend und patientenzentriert weiterzuentwickeln und den Aufbau eines lernenden Gesundheitssysteme zu unterstützen«. Dieses Potenzial sollte genutzt werden. Gleichzeitig sollten ethische Standards gewahrt werden, die es durch eine risikoadäquate Regulierung teils noch abzusichern gilt.

Nach Einschätzung der Fachleute müssten sich Politik und Gesellschaft darauf verständigen, wie sich Digitalkonzerne am besten in die bestehenden Gesundheitsstrukturen einbinden lassen. Denn aus der Bestandsaufnahme geht hervor, dass mittlerweile jedes der betrachteten Unternehmen über Partnerschaften, Investitionen oder Akquisitionen mit dem Gesundheitssektor verbunden ist.

Der Umgang mit Daten hat eine Schlüsselrolle

Grafik: Chancen und Herausforderungen auf einen Blick
Grafik: Chancen und Herausforderungen auf einen Blick
© Bertelsmann Stiftung

Da es sich bei Gesundheit um einen Wachstumsmarkt handelt, gehen die Fachleute davon aus, dass die Tech-Konzerne ihre Aktivitäten kontinuierlich ausweiten werden. In der Folge könnte das zum Aufbau von Parallelstrukturen zum bestehenden Gesundheitssystem führen. Der Umgang mit den Tech-Giganten sei für die Gesundheitspolitik eine Gratwanderung. Ohne ihre Beteiligung drohe ein kaum einhaltbarer Rückstand bei der digitalen Transformation.

Expeerten empfehlen daher, dass die deutsche und europäische Gesundheitspolitik zunächst einen klaren regulativen Rahmen schaffen. Dieser müsste definieren, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Regeln Kooperationen mit Tech-Unternehmen möglich sind – und wie sich deren Innovationen nutzenbringend integrieren lassen. Flankiert werden sollte das durch eine gesellschaftliche Debatte, an welchen Werten und ethischen Leitplanken sich die digitale Transformation des Gesundheitswesens zu orientieren hat.

Eine Schlüsselrolle in diesem Kontext kommt dem Umgang mit Daten zu. Hier sei es von zentraler Bedeutung, eine monopolartige Nutzung durch einzelne Akteure zu verhindern. Das geplante Gesundheitsdatennutzungsgesetz sollte für alle Datenhalter, einschließlich der Tech-Konzerne, klare Vorschriften für die Sammlung und Weitergabe von Daten enthalten. Gleiches gilt für den geplanten Europäischen Gesundheitsdatenraum.

Zudem muss der Missbrauch von gesundheitsbezogenen Daten und daraus entstehenden Risikoprofilen, etwa bei der Arbeitsplatzsuche oder beim Abschluss von Lebensversicherungen, gesetzlich verhindert werden. Darüber hinaus ist es wichtig, dass sowohl Verantwortliche im Gesundheitssystem als auch in Ministerien und Behörden ihre Digitalkompetenz ausbauen, um ein besseres Verständnis neuer Technologien wie KI, Robotik und Virtual/Augmented Reality zu entwickeln.

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(me)


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