Nachgefragt: Wissen aus der Praxis

Wer profitiert von einem implantierbaren Defibrillator?

13. September 2019, 8:30 Uhr | Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung e.V.
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Es gibt keine dummen Fragen, nur dumme Antworten! Und gerade in der Medizintechnik fragt man sich ja oft: »Wieso, weshalb und warum?« In unserer Rubrik »Nachgefragt«, stellen wir nicht nur diese Fragen, wir beantworten sie auch. Diesmal: Wer profitiert von einem implantierbaren Defibrillator?

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Der plötzliche Herztod kommt schnell und unerwartet. Meistens wird er durch bösartige Herzrhythmusstörungen ausgelöst, die unvermittelt entstehen und innerhalb von Minuten zu irreversiblen Hirnschäden führen. Das Risiko für solche Herzrhythmusstörungen steigt, wenn die Pumpleistung des Herzens erheblich eingeschränkt ist. Ärzte setzen diesen Patienten deshalb prophylaktisch einen sogenannten Defibrillator (implantable cardioverter defibrillator, ICD) ein. Das Gerät ähnelt einem Schrittmacher und überwacht den Herzrhythmus. Kommt es zu gefährlichen Rhythmusstörungen, zum Beispiel einem lebensbedrohlichen Kammerflimmern, gibt es einen elektrischen Schock ab. Der Stromstoß bringt das Herz wieder in den richtigen Takt und verhindert so den plötzlichen Herztod.

Tatsächlich ist der ICD aber oft unnötig, denn bei den meisten Herzschwäche-Patienten treten keine lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen auf. Das liegt daran, dass Ärzte die Erkrankung immer besser behandeln können. Der implantierbare Schrittmacher hat zudem erhebliche Nebenwirkungen, es kann zum Beispiel zu Infektionen oder falschen Schockabgaben kommen. Etwa jeder vierte Patient mit ICD erleidet schwerwiegende Komplikationen. In der EU verursacht die prophylaktische ICD-Therapie jährlich Kosten von rund zwei Milliarden Euro. Bislang war es jedoch nicht möglich vorherzusagen, welche Patienten tatsächlich von der Implantation eines ICD profitieren.

Die DZHK-Wissenschaftler Professor Axel Bauer vom Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München, aktuell Medizinische Universität Innsbruck, Professor Georg Schmidt von der Technischen Universität München und Professor Markus Zabel von der Universitätsmedizin Göttingen haben nun mit einer großen europäischen Studie gezeigt, dass ein digitaler Biomarker geeignet ist, um herauszufinden, wem die Implantation eines ICD nutzt. Bauer erklärt: »Wir berechnen den digitalen Biomarker anhand von Daten aus dem EKG.« Konkret handele es sich um eine computerbasierte EKG-Methode, die sogenannte Periodic Repolarization Dynamics (PRD). Damit können die Wissenschaftler die Effekte des Stressnerven auf den Herzmuskel sichtbar machen, die bei vorgeschädigten Herzen das Risiko für bösartige Herzrhythmusstörungen erhöhen. In vorangegangenen Studien konnten Bauer und seine Kollegen bereits zeigen, dass eine erhöhte PRD mit einer erhöhten Neigung zu bösartigen Herzrhythmusstörungen und plötzlichem Herztod einhergeht.

Internationale Studie belegt Vorhersagekraft

Die aktuelle Studie EU-CERT-ICD belegt nun ihre Hypothese, dass PRD auch geeignet ist, um herauszufiltern, wer von einem implantierbaren Defibrillator profitiert. An dem großen europäischen Projekt mit 1.371 Patienten beteiligten sich 44 Zentren in 15 Ländern.

Direkt zu Beginn erhielten alle Studienteilnehmer ein 24-Stunden-EKG, anhand dessen die Wissenschaftler den PRD-Wert berechneten. Mithilfe statistischer Methoden untersuchten sie, wie sich die ICD-Therapie auf das Überleben der Patienten auswirkte. Es zeigte sich, dass die Implantation eines ICD bei Patienten mit erhöhter PRD die Sterblichkeit am stärksten senkte, bei niedrigerer PRD nutzte die Defibrillator-Implantation den Patienten deutlich weniger.

»Mit unserem Verfahren gelingt es erstmals vorherzusagen, welchen therapeutischen Effekt eine prophylaktischen ICD-Implantation auf das Überleben hat«, so Bauer. Die Ergebnisse würden daher die Entscheidung für oder gegen die Implantation eines ICD zukünftig maßgeblich beeinflussen. Vielen Patienten könnte damit ein unnötiger operativer Eingriff und die mit der ICD-Therapie verbundenen Nebenwirkungen erspart bleiben. Vorteilhaft ist zusätzlich, dass es sich um ein vergleichsweise einfaches, EKG-basiertes Verfahren handelt, das nicht-invasiv und daher auch schonend für die Patienten ist. Die Forscher rechnen daher damit, dass es bald in die klinische Routine aufgenommen wird. (me)


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