Ein neuer, mit zusätzlicher Sensortechnik ausgestatteter Hirnschrittmacher ist nicht nur therapeutisch wirksam, sondern gewinnt auch wertvolle Informationen für die neurologische Hirnforschung. Nun hat zum ersten Mal ein Patient mit Essentiellem Tremor ein solches Gerät implantiert bekommen.
Patienten mit Essentiellem Tremor leiden an einem rhythmischen Zittern, das bei bestimmten Bewegungen auftritt. »Durch das Zittern geht die Kontrolle über den Körper verloren. Schon einfache Tätigkeiten wie Essen und Trinken sind eine Herausforderung, manche Betroffenen können nicht mehr Autofahren, andere werden sogar berufsunfähig«, berichtet Prof. Jens Volkmann, Direktor der Neurologischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Würzburg (UKW). Über 1,5 Millionen Menschen in Europa leiden an der derzeit unheilbaren Krankheit, deren genaue Ursachen noch im Dunkeln liegen.
Die aktuellen Behandlungswege zielen auf die Linderung der Symptome, die Minimierung der Behinderungen, die Wiederherstellung von Körperfunktionen und die Verbesserung der Lebensqualität. Neben der Medikamentengabe hat sich die »Tiefe Hirnstimulation« bewährt. »Hierbei werden in das Gehirn des Patienten dünne Elektroden implantiert, die eine feine Stimulation abgeben. Mit diesem Reiz lässt sich das Zittern gleichsam wie mit einem Schalter abschalten«, beschreibt Prof. Volkmann. Die Energie für die minimalen Stromstöße stammt von einer Schrittmacherbatterie, die unter dem Schlüsselbein eingepflanzt wird und im Körper verlaufend mit den Elektroden verbunden ist.
Bislang konnten die Hirnschrittmacher nur stimulieren. Mit einer Geräteneuentwicklung, dem vom Hersteller Medtronic »Activa PC+S« genannten Neurostimulator, ist es jetzt möglich, über die Elektroden auch Signale aus dem Gehirn zu empfangen. »Das neue Implantat ist also nicht nur therapeutisch wirksam, es lauscht gleichsam auf die neuronalen Aktivitäten und sendet diese nach außen, wo wir sie mit einem speziellen Empfänger aufzeichnen können«, schildert Prof. Volkmann.
Im November dieses Jahres hat Prof. Cordula Matthies von der Neurochirurgischen Klinik und Poliklinik den »Gehirnschrittmacher« bei einem 63-jährigen Patienten mit Essentiellem Tremor erfolgreich implantiert. Bislang wurde das Gerät bereits einige Male bei Parkinson-Kranken eingesetzt.Bisher waren Gehirnstrommessungen nur von außen auf der Kopfhaut über einen Elektroencephalographen (EEG) oder während eines chirurgischen Eingriffes möglich. Die neue Technik soll nun mit klaren Signalen aus der Tiefe des Gehirns, die elektrischen Aktivitäten der Neuronen verstehen helfen.
»Die Erforschung der tiefen elektrischen Gehirnsignale ist die Basis für die Entwicklung neuer Therapien bei neurologischen Störungen«, sagt Prof. Volkmann. Ein Ziel sei, Erkenntnisse zu gewinnen, wie die Arbeitsweise von Hirnschrittmachern noch effizienter gestaltet werden kann, indem sie beispielsweise nur dann aktiv werden, wenn überhaupt Zitterimpulse vom Gehirn ausgesandt werden. »Dies könnte sich dann unter anderem in geringeren Nebenwirkungen und in einer längeren Lebensdauer des implantierten Batteriesystems auszahlen, was wiederum das Intervall der Austauschs-OPs verlängern würde«, beschreibt der Klinikdirektor.