Internationaler Marktzugang für Medizinprodukte

Andere Märkte, andere Regeln

29. September 2015, 11:38 Uhr | von Caspar Grote
© CSA Group

Wer für seine Medizinprodukte Märkte in Europa, Amerika oder Asien erschließen will, muss ebenso verschiedene wie oft komplizierte Richtlinien für die jeweilige Zulassung erfüllen. Ein international agierendes Institut kann hier wertvolle Hilfestellungen geben und den Marktzugang erheblich erleichtern. Wir sprachen mit Hans-Werner Zeller von der CSA Group über aussichtsreiche Märkte und die jeweiligen Hürden.

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M+e: Herr Zeller, Sie beraten und unterstützen täglich Unternehmen, die ihre Medizintechnikprodukte in internationalen Märkten positionieren möchten. Welche dieser Märkte sind aus Ihrer Sicht besonders attraktiv?

Für einen europäischen bzw. deutschen Hersteller ist zunächst natürlich Europa als Markt besonders interessant. Als zweites ist Nordamerika attraktiv, also Kanada, die USA und Mexiko. Dann folgt der asiatische Markt, dort ist vor allem China reizvoll. Und schließlich sehen wir auch immer mehr Hersteller, die sich für den südamerikanischen Markt interessieren, insbesondere für Brasilien und Argentinien. Generell glaube ich, dass sich ein Medizintechnikhersteller heute nicht mehr auf bestimmte Regionen konzentrieren kann. Er muss seine Produkte vielmehr von Anfang an global in den Markt bringen, also auch in Osteuropa und Russland sowie allen Ländern, in denen er eine Chance für sein Produkt sieht.

M+e: Wie weit sind die deutschen Zulassungen europaweit gültig?

Für Medizinprodukte gilt europaweit die ‚Medical Device Directive‘ oder kurz MDD. Dieses Gesetzesdokument regelt das Inverkehrbringen von Medizinprodukten in Europa und teilt die Produkte in verschiedene Risikoklassen ein. Je nach Risikoklasse kann der Hersteller ein Verfahren wählen, das ihm Zugang zum europäischen Markt garantiert – wenn er alle Anforderungen des Verfahrens erfüllt. So definiert die MDD und das darauf basierende deutsche Medizinproduktegesetz sogenannte grundlegende Anforderungen sowohl technischer als auch prozesstechnischer Art. Im ‚European Journal‘ sind verschiedene harmonisierte Normen für die Einhaltung dieser grundlegenden Anforderungen gelistet. Wenn ein Erzeugnis das Medizinproduktegesetz erfüllt und der Hersteller dieses mit dem CE-Kennzeichen versehen kann, hat er damit also auch freien Marktzugang in Europa.

M+e: Wie sieht Ihre Unterstützung von Herstellern für den europäischen Marktzugang im Detail aus?

Neben dem europäischen Hauptquartier in Frankfurt am Main hat die CSA Group Niederlassungen in der Schweiz, den Niederlanden, Italien, der Türkei und in Großbritannien. Wir selbst sind keine Benannte Stelle im Sinne der EU-Richtlinie für die Zulassung zum europäischen Markt, haben aber eine enge Kooperation mit dem BSI, dem British Standards Insititute, das eine solche Benannte Stelle für den EU-Zugang ist. Mit dieser Kooperation können wir dem Kunden alles bieten, was er benötigt, um sein Produkt in Deutschland bzw. europaweit auf den Markt zu bringen. Aber wir unterstützen Unternehmen beim Marktzugang weit über Europa hinaus. Als eines der führenden Test- und Zertifizierungsinstitute für den nordamerikanischen Markt – der Ursprung der CSA Group liegt in Kanada – haben wir Prüflaboratorien auf der ganzen Welt und sind global aufgestellt in Amerika, Europa und Asien.

M+e: Angenommen, ein Unternehmen hat mit Ihnen zusammen die Zulassung in Europa hinter sich gebracht und möchte nun den nordamerikanischen Markt erschließen. Beginnt die ganze Prozedur dann von vorne, oder werden Teile der europäischen Zulassung anerkannt?

Zunächst kommt es darauf an, wo genau das Produkt zugelassen werden soll. Nordamerika klingt zunächst wie ein einheitlicher Markt, ist aber geteilt in USA, Kanada und Mexiko. Für den kanadischen Markt gibt es die ‚Medical Device Regulation‘, kurz MDR. Hierbei handelt es sich vereinfacht gesagt um eine Kombination aus der Medical Device Directive mit einem ‚Flavour‘ der Richtlinien der US-amerikanischen Food and Drug Administration, FDA. Auch hier gibt es Risikoklassen, und ab einer bestimmten Klasse muss der Medizingerätehersteller ein zertifiziertes Qualitätsmanagement aufweisen. Dessen Zertifizierung erfolgt von einem autorisierten Institut nach den gültigen Regeln der kanadischen Medizinprodukterichtlinie. Hier ist es natürlich ein Vorteil, wenn der Hersteller bereits ein nach der deutschen Medizinprodukterichtlinie zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem hat. Dann muss er nur noch zusätzlich die Besonderheiten der kanadischen Anforderungen erfüllen.

M+e: Welche Besonderheiten sind für eine FDA-Zulassung zu beachten?

Im Gegensatz zur europäischen MDD mit verpflichtendem Gesetzescharakter sind die FDA-Bestimmungen in den USA eher als Richtlinien anzusehen. Auch die FDA teilt Medizinprodukte in Risikoklassen ein, und für bestimmte Klassen muss der Hersteller eine Vorab-Autorisierung von der FDA einholen, bevor er sein Produkt in den Markt bringen kann. Hier kommen spezielle Verfahren seitens der FDA zur Anwendung wie eine vorläufige Zulassung, der sogenannte ‚Preliminary Market Access‘, kurz PMA, oder auch das ‚510(k)‘-Verfahren, das vor allem auf einer technischen Beschreibung des Produkts beruht.

Interessanterweise ist in den USA nicht fest vorgeschrieben, dass Hersteller ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem nach bestimmten ISO-Normen haben müssen. In den FDA-Richtlinien wird immer auf ‚Good Manufacturing Practice‘ hingewiesen, ein relativ unscharfer Begriff, der von der FDA anlässlich ihrer Besuche bei einem Medizintechnikunternehmen sowohl weich als auch hart ausgelegt werden kann. Aus unserer Sicht ist es hier ein großer Vorteil, wenn der Hersteller bereits ein nach den gültigen internationalen Normen zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem hat. Noch ein Wort zu Mexiko, das von den Anforderungen her mit der FDA zu vergleichen ist: Wenn man eine US-Zulassung hat, gibt es beim Zugang zum mexikanischen Markt kaum Schwierigkeiten. Zwar bedarf es einer lokalen Zulassung, aber das ist mehr ein papierformaler Akt.

M+e: Sie haben Argentinien und Brasilien als attraktive Märkte genannt. Hier sind Anträge auf Spanisch bzw. Portugiesisch zu stellen – welche sonstigen Hürden gibt es?

Mit einem nordamerikanischen Marktzugang oder einem Produkt mit CSA-Zertifikat ist Argentinien relativ unkompliziert, dann genügt für die Markteinführung dort ein formaler Akt. Ganz anders in Brasilien. Dort muss das Unternehmen die nationalen Behörden durchlaufen, und es gibt bestimmte Anforderungen, welcher Sicherheitsstandard anzuwenden ist. Brasilien hat seit 2014 die neueste Ausgabe des Medizingerätestandards IEC 60601 als Anforderungsgrundlage für die Zulassung festgelegt. Im Zulassungsverfahren muss ein brasilianisches Prüfinstitut das Produkt technisch überprüfen und die Kompatibilität der Produkte mit den Standards feststellen. Erst dann erteilt eine andere behördliche Stelle die eigentliche Zertifizierung für den brasilianischen Markt. In Brasilien ist größte Vorsicht angebracht, denn die Regularien sind sehr kompliziert. Wenn jemand seine Produkte in Brasilien einführen möchte, sollte er von Anfang an eine fachkundige Stelle hinzuziehen, die mit technischen Informationsdiensten zur Seite steht, weil es doch Komplikationen geben kann bei der Zulassung.

M+e: Und eine solche fachkundige Stelle wäre beispielsweise die CSA Group?

Richtig – wir haben eine eigene Abteilung für den globalen Marktzugang (Global Market Access, GMA), besetzt mit Fachleuten, welche die jeweiligen Landessprachen wie Portugiesisch, Spanisch oder auch Chinesisch sprechen. Sie sind voll im Thema und können Hilfestellungen leisten für die jeweiligen Länder und die Besonderheiten der Zulassungsverfahren.

M+e: Drehen wir die Weltkugel einmal auf die andere Seite. Welche Schwierigkeiten kommen auf Unternehmen beim Versuch zu, in asiatische Märkte einzusteigen?

Für Asien gelten deutlich andere Regeln. In China als größtem Markt gibt es Regularien, die eine Mixtur aus europäischen und nordamerikanischen Bestimmungen darstellen. Als erste Markteinstiegshürde für einen Medizingerätehersteller prüft ein nationales Prüflabor das Produkt nach den heute gültigen chinesischen Normen. Diese Normen hinken etwas hinter dem europäischen und globalen Bereich her. Während sich die ganze Welt bereits auf den neueren Standard für die Sicherheit medizinischer Geräte von 2005 sogar inklusive des Amendments 1 bezieht, gilt in China noch der ältere Standard und muss auch angewendet werden. China wird erst 2016 oder 2017 diesen aktuelleren Standard adaptieren.

M+e: Nun wäre ja anzunehmen, dass der neuere Standard eher strenger ist als die Vorversion, ein Bestehen des aktuellen Standards also ein sicheres Erfüllen der früheren Anforderungen bedingen würde?

So eindeutig ist das nicht. Teilweise können die älteren Bedingungen strenger sein, beispielsweise bei Isolationsstrecken. Als Folge fahren Hersteller heute meist zweigleisig, wenn sie den europäischen bzw. amerikanischen und zusätzlich den chinesischen Markt bedienen wollen. Sie nehmen beide Standards, vergleichen sie und erfüllen die höchsten Anforderungen aus beiden Standards. Nachdem die Hürde des nationalen Prüfinstituts genommen ist, erfolgt noch eine Zertifizierung durch die CFDA, die Chinese Food and Drug Administration. Diese Behörde ist ähnlich aufgebaut wie ihr US-amerikanisches Pendant und erteilt das Zertifikat für den Marktzugang. Damit verbunden sind natürlich noch weitere Anforderungen, so muss das Unternehmen eine registrierte, rechtlich für das Produkt verantwortliche Person in China aufweisen können.

In Südkorea ist es wesentlich einfacher als in China, besonders wenn der Hersteller mit einer international erfahrenen Institution wie der CSA Group zusammenarbeitet, die zum Beispiel technische Unterlagen auf der Basis des sogenannten ‚CB Schemes‘ erstellen kann, die übrigens in den meisten Ländern Anwendung und Akzeptanz finden. Auch in Südkorea gibt es nationale Anforderungen und Gesetze, aber mit einem Zertifikat eines Instituts gemäß dem CB-Scheme ist die Zulassung der KFDA, der Korean Food and Drug Administration, eine deutlich geringere Hürde. Denn die technischen Übereinstimmungen des Produkts mit den geltenden Normen sind so bereits weitgehend abgedeckt. Und wenn man noch die nationalen Abweichungen von Korea bei der technischen Überprüfung berücksichtigt, dann bedarf es nur noch einer Verfahrenszulassung über die KFDA.

M+e: Wie sieht es mit Indien aus? Ist dieser Markt bereits attraktiv für die Hersteller, oder gilt er noch im Wesentlichen als Zukunftsmarkt? 

Noch gehört Indien aus meiner Sicht nicht zu den führenden Exportmärkten. Aber ich denke, dass Indien als Emerging Market in den nächsten fünf Jahren mehr Gewicht bekommen wird. Das Bureau for Indian Standards hat schon bestimmte Richtlinien publiziert, die etwas mit dem Qualitätsmanagement zu tun haben, und hat auch schon internationale Standards wie den Sicherheitsstandard für Medizingeräte adaptiert. Indien ist gerade dabei, detaillierte Anforderungen für den IT-Bereich zu erstellen, und ich gehe davon aus, dass das Gleiche in den nächsten Jahren für den Medizingerätebereich ebenfalls abgeschlossen wird.

M+e: Welche weiteren Tipps haben Sie für Unternehmen, die in internationale Märkte mit Medizingeräten einsteigen möchten?

Ich kann nur an alle Medizingerätehersteller appellieren, dass sie sich so früh wie möglich mit einer global operierenden Institution in Verbindung setzen, die ihnen auch die technischen Zertifikate ausstellen kann, um den globalen Marktzugang so reibungslos wie nur möglich vorzubereiten. Dies gilt besonders für mittlere und kleine Unternehmen – denn im Gegensatz zu bestimmten Großunternehmen können sie nicht große Summen in eigene internationale Zulassungsabteilungen investieren. Und selbst solche Großunternehmen arbeiten in manchen Bereichen mit unserer Abteilung für Global Market Access zusammen.

Hans-Werner Zeller

Hans-Werner Zeller ist Senior Business Development Manager Europe, Health, Safety & Technology bei der CSA Group und besitzt über 20 Jahre Erfahrung mit nationaler und internationaler Zertifizierung von Medizintechnikprodukten. In der Industrie samme
Hans-Werner Zeller
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ist Senior Business Development Manager Europe, Health, Safety & Technology bei der CSA Group und besitzt über 20 Jahre Erfahrung mit nationaler und internationaler Zertifizierung von Medizintechnikprodukten. In der Industrie sammelte er als Regulatory Affairs Manager umfangreiche Kenntnisse in der direkten Zusammenarbeit mit Prüf- und Zertifizierungsstellen. Bei der CSA Group koordiniert er ein europäisches Team, entwickelt Zertifizierungsstrategien für den europäischen Markt und verhilft Kunden durch lokalen Service zu einem globalen Marktzugang. Darüber hinaus verfügt er aufgrund seiner Mitgliedschaften in verschiedenen nationalen und internationalen Gremien über ein großes Netzwerk an Branchenkontakten.


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