Medizin+elektronik: Nach fünf Monaten ist der Digital Health Accelerator von Roche im Juni zu Ende gegangen. Wie war die Zeit für euch?
Inveox: Wir empfanden das als eine sehr bereichernde Zeit. Die zahlreichen Expert Sessions gaben uns Gelegenheit, unsere Ideen und Konzepte mit renommierten Branchen-Profis zu challengen sowie auch wertvolles Feedback und Best Practice Tipps einzuholen.
Wie geht es nun für euch weiter?
Wir haben vor wenigen Wochen unsere diesjährige Finanzierungsrunde mit 5 Mio. abgeschlossen und fokussieren uns nun voll auf den Markteintritt. Der weitere Aus- und Aufbau unseres Teams und die Skalierung unseres Unternehmens sind die darauffolgenden Schritte, die wir fest im Blick haben.
Mittlerweile gibt es ja einige Programme, mit den große Unternehmen Start-ups unterstützen wollen. Was unterscheidet den Roche-Accelerator von anderen?
Der Roche Accelerator war für uns sehr wertvoll - unter anderem wegen der praktisch exakten Passung zu unserem Fachbereich. Zudem wurden wir von internen Ansprechpartnern und ganzen Abteilungen von Roche jederzeit mit offenen Türen empfangen und behandelt, als seien wir selbst quasi „Roche Interne“. So zum Beispiel hatten wir im Rahmen unseres Besuchs bei der Roche-Tochter Ventana in Tucson Arizona die Gelegenheit, Einblicke in fachliche wie unternehmerische Abläufe zu gewinnen, die uns in unserer eigenen Entwicklung beschleunigen.
Wenn ihr euer Unternehmen mit dem Stand vor 5 Monaten und jetzt vergleicht: Was hat euch der Accelerator gebracht? Was wäre ohne diese Möglichkeit vielleicht nicht passiert bzw. schwieriger geworden?
Mit unserem Automatisierungssystem für die Histopathologie haben wir die Möglichkeit, zahlreiche Daten zu erheben und zu erfassen, die bislang unbeachtet und ungenutzt geblieben sind. In intensivem Gespräche mit Roche haben wir herausgearbeitet, welche dieser Daten relevant sind (und in welcher Form), um einen wesentlichen Nutzen für die Forschung und einen Mehrwert für Patienten zu schaffen. Zudem haben wir unser Netzwerk bedeutend erweitert – das ist ein Gewinn, von dem wir langfristig profitieren werden.
Die Medizin ist zwar eine begehrte Branche für junge Unternehmen, aber auch keine einfache. Viele Produkte schaffen es nicht aus der Entwicklung raus. Woran liegt das eurer Meinung?
Für den Erfolg eines jungen Unternehmens ist es u.a. wichtig, die zukünftigen Kunden frühzeitig im Rahmen von Entwicklungsparterschaften mit in den Enstehungsprozess des Produktes einzubinden. Das stellt von Beginn an eine Nähe zum Markt her, fokussiert und schärft den Blick für den tatsächlichen Kundenbedarf, den es schließlich zu erfüllen gilt. Startups aus der Medizin-Branche raten wir, rechtzeitig und intensiv das Thema Zertifizierungen anzugehen, um von Beginn an Klarheit über Erfordernisse und voraussichtliche Zeitrahmen zu haben. Das kann sich später (sowohl aus strategischer als auch finanzieller Sicht) als entscheidender Vorteil erweisen.
Was sollten Gründer anders machen? Oder muss sich gar die Medizin den Start-ups anpassen?
Sich auf Neues einzustellen – insbesondere, wenn sich die Branche so rasant entwickelt, wie derzeit HealthCare – ist immer spannend und manchmal auch eine Herausforderung. Die Verbindung von Medizin und Technik erschließt ein riesiges Innovationspotential und wird perspektivisch in der Entwicklung der HealtCare-Branche eine immer größere Rolle spielen. Sich auf Interdisziplinarität und die Verknüpfung bzw. integrierte Wertschöpfung verschiedener Fachbereiche einzustellen wird – sowohl für Unternehmen als auch das Gesundheitswesen – essentiell wichtig werden.
Innovationen verschiedenster Art, sei es in Form neuer Erkenntnisse, Verfahren oder Geräte, sind seit jeher integraler Bestandteil des medizinischen Fortschritts. Impulse und Erkenntnisse aus anderen, bereits stark digitalisierten Bereichen, wie Mobility oder E-Commerce zu übersetzen und für Anwendungsgebiete in der Medizin nutzbar zu machen, birgt ein riesiges Potential, das es zu erschließen gilt.
Welche Eigenschaften sollte ein Gründer eurer Meinung nach haben und was macht für euch die perfekte »Innovation« aus?
Gründer sollten neben Offenheit, Unternehmergeist, einer gehörigen Portion Selbstreflexion, Resilienz und Ausdauer auch die Bereitschaft mitbringen, Interdisziplinarität und Diversität sowohl innerhalb des Gründerteams als auch bei den Mitarbeitern zu begrüßen und zu fördern. In der Vielfalt liegt oft fachlich wie menschlich der Schlüssel zum Erfolg. »Die perfekte Innovation« ist eine brilliante Idee, die mit einem klugen Geschäftsmodell ein reichhaltiges Marktpotential ausschöpft.
Gerade in der Medizin sind Start-ups auf Unterstützung von Unternehmen wie Roche angewiesen. In welcher Rolle seht ihr die Unternehmen für die Gründer?
Per Definition sind sie Acceleratoren, also Beschleuniger, die die Entwicklung der jungen Unternehmen durch ihre Unterstützung, ihren Rückenwind, ankurbeln und fördern. Gerade in Fragen unternehmerischer Best Practices muss das Rad nicht immer neu erfunden werden – erfahrene Branchenexperten als Mentoren sind eine Bereicherung. Sie sind ausgezeichnete Gesprächspartner, die mit konstruktivem Feedback einen wertvollen Beitrag zur Entwicklung eines jungen Unternehmens leisten können.
Laut aktueller Bitkom-Umfrage fühlen sich die meisten Start-ups in Deutschland von der Politik im Stich gelassen – sowohl finanziell als auch was den unternehmerischen Freiraum angeht. Könnt ihr das verstehen? Wenn ja, was sollte die Regierung ändern?
Wir schätzen Deutschland, und insbesondere Bayern und das Münchner Umland als einen hervorragenden HighTech und Wirtschaftsstandort. Auch gibt es unserer Einschätzung nach ein vielfältiges Angebot an Unterstützungen und Fördermöglichkeiten. Zugegebenermaßen sind diese oft nicht leicht zu finden und auch das Bewilligungsverfahren kann herausfordernd sein. Aber auch hier heißt es, wie immer im Startup: Immer dranbleiben!
Nicht alle großen Unternehmen wollen Start-ups unterstützen. Können ihr das verstehen und woran könnte es liegen?
Manche große Unternehmen legen ihren Fokus mehr auf Intrapreneure, also die Unterstützung interne Startups und Unternehmer – das ist eine strategische Entscheidung und auch völlig legitim. Zudem gibt es zahlreiche Formen der Zusammenarbeit von großen Unternehmen und Startups, die ebenfalls Charakteristika von „Rückenwind“ oder Mentoring aufweisen.
Wir freuen uns sehr, beim Batch Zero des Digital Health Accelerators von Roche dabei gewesen zu sein. Unter anderem haben wir unser Netzwerk erweitert, zahlreiche relevante Geschäftskontakte und Industrie-Insights gewonnen, von denen wir langfristig profitieren werden.
Sowohl der prozessgetriebene als auch der agile Ansatz haben gleichermaßen ihre Einsatzbereiche bzw. Vorzüge und sind in großen Unternehmen und Startups oft unterschiedlich stark ausgeprägt. Sie zu kombinieren und zu integrieren ist aus unserer Sicht eine Voraussetzung für langfristigen Erfolg. Von einem intensiven Austausch, wie etwa im Rahmen eines Accelerators, können daher beide Seiten gleichermaßen profitieren.