E-Health-Gesetz

Die Schweiz als Vorbild

9. Mai 2017, 8:59 Uhr | Tobias Rühmann
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Diagnose per Telefon

Die Gespräche dauern im Schnitt sieben Minuten. Neben dem Telefon kann die Kontaktaufnahme auch via Internet oder über Video aus einer Apotheke erfolgen. Anrufer landen zunächst beim Patientenempfang – so wie in einer Arztpraxis vor Ort. Hier werden die rund 2500 Anrufe pro Tag vorselektiert sowie die Personalien und die Krankheitssymptome der Anrufer erfasst. Mit dem ersten Anruf wird eine elektronische Patienten­akte angelegt, auf die jeder Berater zugreifen kann. Das erleichtert die Behandlung. Bei Haut- oder Augenveränderungen kann ein Foto der betroffenen Region per Mail oder per App an das Center geschickt werden. Der Empfangsmitarbeiter vereinbart dann einen Rückruftermin für die telefonische Arztkonsultation innert der nächsten Stunden oder zu einem für den Patienten geeigneten Zeitpunkt. Der Arzt ruft den Patienten zurück und stimmt mit ihm die weitere Behandlung ab. Wenn es medizinisch sinnvoll erscheint, stellt der Arzt ein Rezept oder sogar eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus. Wenn keine akuten Probleme vorliegen, können medizinische Fragen auch an den WebDoctor gestellt werden. Über eine verschlüsselte Datenverbindung landet die Anfrage dann beim Ärzteteam und wird innerhalb von 24 Stunden beantwortet.
Besonders häufig rufen Eltern mit kleinen Kindern an. Die Auskunft gibt ihnen Sicherheit und weist ihnen die richtige Behandlung zu. Beliebt ist der Dienst bei der 25- bis 40-jährigen Bevölkerung. Besonders oft rufen Frauen als »Gesundheitswächter« der Familie an und suchen Rat. Am Ende wird der Dienst über die Krankenkasse abgerechnet.

Ärztliche Beratung in der Apotheke

Ein weiteres Schweizer Projekt richtet sich an Patienten, die sich bei Gesundheitsanliegen an eine Apotheke wenden. Seit 2012 gibt es das Konzept »netCare«. Landesweit beteiligen sich daran 200 Schweizer Apotheken. Wer in eine dieser Apotheken kommt, kann zunächst eine Erstberatung durch den Apotheker in Anspruch nehmen. Je nach Schwere der Erkrankung gibt der Apotheker ein rezeptfreies Medikament aus oder verweist an einen Arzt oder die Notaufnahme. Statt den Hausarzt persönlich aufzusuchen, besteht bei einer Reihe von vordefinierten Symptomen auch die Möglichkeit, per Video oder Telefon einen Medgate-Arzt zu kontaktieren. Der Patient spricht dabei mit dem Arzt per Video über eine gesicherte Datenverbindung. Je nach Diagnose stellt der Arzt ein Rezept aus, welches der Patient direkt vor Ort einlösen kann.

Stärken in der Medizintechnik

Generell ist die Schweiz ein starker Standort für Medizintechnik. Neben Telemedizin gehören dazu Zulieferer medizinischer Technik, Anbieter von Diabetestherapien und In-vitro-Diagnostik, Hörsysteme-Hersteller und viele andere. Nur wenige Schweizer MedTech-Unternehmen sind allgemein bekannt. Zu ihnen gehören die mittlerweile vom amerikanischen Gesundheitskonzern Johnson & Johnson (J&J) übernommene Synthes, die Diagnostik-Sparte von
Roche sowie die Augenheilkunde von Novartis (Alcon).
Vom wirtschaftlichen Standpunkt betrachtet, zählt die Branche zu den bedeutendsten des Landes. Im Jahr 2016 waren 1350 Unternehmen im Bereich MedTech tätig. Dabei beschäftigen dreiviertel der MedTech-Firmen weniger als 50 Mitarbeiter. Die großen Firmen, immerhin sechs Prozent, haben mehr als 250 Mitarbeiter und sind mehrheitlich Hersteller von MedTech-Produkten. Mit einem Jahresumsatz von 14,1 Mrd. CHF erwirtschaftete der MedTech-Bereich im Jahr 2015 rund 2,2 % des Schweizer Bruttoinlandprodukts. Noch größer ist die Bedeutung für das Exportgeschäft mit einem Anteil von vier Prozent (10,6 Mrd. CHF). Fast ein Viertel des Handelsbilanzüberschusses entfällt allein auf diese Branche. Und laut der Branchenstudie der Schweizer Medizinindustrie (SMTI) zeigte sich in den letzten sechs Jahren ein konstantes Umsatzwachstum von rund sechs Prozent pro Jahr.
Sowohl von der Anzahl der Stellen als auch von der Wertschöpfung des Exportanteils gibt es kein anderes europäisches Land, in dem Medizintechnik solch eine prominente Rolle einnimmt wie in der Schweiz.

 


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