Energy Harvesting nutzt Licht, Temperaturdifferenzen oder Beschleunigung aus der direkten Umgebung des elektronischen Sensorsystems, um elektrische Energie zu dessen Versorgung zu erzeugen. Prominente Realisierungen sind solarbetriebene Fenstersensoren, thermoelektrisch versorgte Heizungssensoren oder mechanisch betätigte Funkschalter. Weniger verbreitet sind Energiewandler, die Vibration nutzen. Entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung von Energy Harvesting zum Betrieb energieautarker Funkknoten ist die genaue Kenntnis der einzelnen Verbraucher, deren Parametrisierung und Optimierung. So wird der simulationsgestützte Entwurf der Energieversorgung mit den Kenntnissen zur Kommunikationstechnik und der messtechnischen Charakterisierung einzelner Funkmodule und Implementierungen kombiniert.
Ein Beispiel für ein komplett energieautarkes Funksensorsystem ist die Kombination aus einer thermoelektrischen Energieversorgung und einem Mioty-Funkmodul (Bild 7). Die Energieversorgung besteht hier aus einem kommerziellen Thermogenerator (TEG), der über einen optimierten Wärmesammler in Form einer Metallstruktur an eine warme Oberfläche montiert werden kann und durch einen passenden Kühlkörper eine permanente Temperaturdifferenz erfährt. Ein Spannungswandler mit hohem Wirkungsgrad, der bereits Spannungen von 50 mV verarbeiten kann, erzeugt aus der Spannungsdifferenz des TEG eine passende Ladespannung für einen Kondensator. Dieser Kondensator versorgt dann das Funkmodul und kann die Strompulse für das Versenden der Mioty-Telegramme liefern. Eine Temperaturdifferenz von 4 K reicht aus, um alle 15 min ein Funktelegramm zu versenden.
Ein anderes Beispiel nutzt eine piezoresistive Dünnschicht als Sensor zur Erfassung der Vorspannkraft einer Schraubverbindung (Bild 8). Der Sensor wird in eine Unterlegscheibe integriert und über ein Kabel mit einem Gehäuse verbunden, in dem sich das Funkmodul und die Energieversorgung befinden. Der Energiebedarf kann dabei entweder über Solarzellen auf dem Gehäuse oder über einen Thermogenerator im Gehäuse gedeckt werden. Das Gehäuse kann auf dem Schraubenkopf montiert werden, und der Thermogenerator nutzt die Temperaturdifferenz zwischen Schraubenkopf und Umgebung. Auch in diesem Beispiel werden Sensordaten je nach Energieausbeute im Abstand von einigen Minuten bis Stunden erfasst und übertragen.
Bei einer solaren Energieversorgung reicht eine Beleuchtungsstärke von 500 Lux aus, um Messwerte alle 30 min zu erfassen und zu übertragen. Bei 18.000 Lux, einer typischen Beleuchtungsstärke im Freien, können Daten alle 30 s übertragen werden. Für eine thermische Energieversorgung sind 8 K Temperaturdifferenz nötig, um eine Übertragungshäufigkeit von 30 min zu realisieren.
Typische Anwendungsbeispiele sind die Überwachung von kritischen Schraubverbindungen an Windkraftanlagen, Brücken, Maschinen oder Fahrzeugen. Bei dem Sensor handelt es sich um eine Entwicklung des Fraunhofer-Instituts für Schicht- und Oberflächentechnik IST, des Fraunhofer-Instituts für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF, des Fraunhofer-Instituts für Angewandte und Integrierte Sicherheit und des Fraunhofer IIS.
Auch Mobilfunktechniken wie LTE-Cat NB1 lassen sich für energieautarke Sensorsysteme nutzen, die mit Energy Harvesting betrieben werden. Dies stellt jedoch aufgrund des höheren Energiebedarfs der Mobilfunkstandards höhere Anforderungen an die Entwicklung und Auslegung der Energieversorgung. Am Fraunhofer IIS existiert ein energieautarkes Trackingsystem ENTRAS (Bild 9), das über ein Multi-Source-Energiemanagement die Möglichkeit bietet, unterschiedliche Energiewandler wie Solarzellen, Thermogeneratoren oder Vibrationswandler zur Energieversorgung zu nutzen. Herausforderung hier ist, eine leckstromarme Speicherung der Energie mit hohem Wirkungsgrad zu realisieren.
Typische Einsatzgebiete solcher energieautarker Mobilfunksensoren sind beispielsweise das Verfolgen von Containern oder das Überwachen von Nutztieren oder Arbeitern in kritischen Umgebungen.
Die Autoren
Tobias Dräger
stammt aus der Region Erlangen und studierte an der dortigen Friedrich-Alexander-Universität Elektrotechnik mit dem Schwerpunkt Automatisierungs-technik/Sensorik. Seit Abschluss seines Studiums 2007 arbeitet er am Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS mit den Schwerpunkten RFID-Technik und deren Anwendung, Embedded Hardware sowie Funkübertragungstechniken.
2018 übernahm er die Leitung der Gruppe »RFID und induktive Sensorsysteme«, die neben den Themen Embedded Hardware, kontaktlose Energie- und Datenübertragung, LTE-Cat NB1 und RFID auch das Thema der induktiven Nahfeldortung IndLoc bearbeitet. Ein Schwerpunkt ist dabei auch die Beratung von Unternehmen zum Thema IoT.
tobias.draeger@iis.fraunhofer.de
Dr. Peter Spies
studierte Elektrotechnik an der Universität Erlangen-Nürnberg und schloss das Studium 1997 als Diplom-Ingenieur ab. 2010 beendete er seine Dissertation zum Thema Energie-einsparung in mobilen Kommunikations-geräten.
Seit 1998 arbeitet er am Fraunhofer IIS in der Abteilung Leistungsoptimierte Systeme. Er beschäftigte sich mit Multi-Standard-Eingangsstufen und System-Simulationen für Kommunikationsanwendungen. Seit 2001 ist er Gruppenleiter der Gruppe »Integrierte Energieversorgungen«, wo er Forschungs- und Entwicklungsprojekte aus dem Bereich Power- und Batteriemanagement, Energieübertragung und Energy Harvesting bearbeitet.
Schwerpunkte seiner Gruppe sind die Entwicklung von elektronischen Schaltungen und Systemen sowie der applikationsspezifischen Software. Anwendungsbeispiele sind Funksensoren und Sensornetze sowie Trackingsysteme. Seit 2018 gehört seine Gruppe zur Abteilung Energieautarke Funksysteme. Weiterhin ist er seit 2018 Geschäftskoordinator für das Geschäftsfeld IoT-Systeme.
peter.spies@iis.fraunhofer.de
Wolfram Strauß
geboren und aufgewachsen in Nürnberg, hat an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Elektrotechnik mit dem Schwerpunkt Kommunikationstechnik studiert. Seit seinem Abschluss 1994 arbeitet er am Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS in verschiedenen Gebieten der Funkkommunikation, zuletzt im Bereich LPWAN (Mioty, LoRa, LTE-Cat NB1, LTE-Cat M). Ein besonderes Interesse gilt der automatischen Erfassung von Daten zur Energieaufnahme und darauf aufbauend der Simulation von Systemlaufzeiten im Batteriebetrieb.
wolfram.strauss@iis.fraunhofer.de